TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/23 89/14/0086

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Veröffentlicht am 23.10.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §116 Abs2;
BAO §260 Abs1;
BAO §260 Abs2 lita;
BAO §260 Abs2 litb;
BAO §260 Abs2 litc;
BAO §260 Abs2 litd;
BAO §260 Abs2 lite;
BAO §299 Abs1 lita;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 216;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 7. März 1989, Z1. B 53- 3/89, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Autobusunternehmer, hat mit der Republik Österreich vertraglich vereinbart, die gemäß § 30 f Abs. 1 FLAG 1967 vorgesehenen Schülerfreifahrten gegen entsprechende Fahrpreisersätze durchzuführen. In Punkt 14 des Vertrages verpflichtete sich das Verkehrsunternehmen, bereits bezahlte Beträge in jenem Ausmaß zurückzuzahlen, in dem bei Prüfung der Rechnungsunterlagen das Nichtbestehen geltend gemachter Forderungen festgestellt wird. Anläßlich einer beim Beschwerdeführer im Juni 1988 von der Finanzlandesdirektion für Steiermark durchgeführtenPrüfung wurde festgestellt, daß er für die Schuljahre 1984/85 bis 1987/88 um insgesamt S 329.626,--

zuviel an Fahrpreisersätzen geltend gemacht und erhalten hat; dieser Betrag war von ihm (über sein Ersuchen in zwei Teilbeträgen im Oktober 1988 und März 1989) zurückzuzahlen.

Strittig ist, ob auf Grund dieses Sachverhaltes die Voraussetzungen für die vom Beschwerdeführer gemäß § 303 Abs. 1 BAO beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1984 bis 1986 vorliegen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde (monokratisch) dem Beschwerdeführer die Wiederaufnahme. Sie führte zum Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO aus, wenn ein Vertragspartner dem anderen zuviel an Ersatzleistungen verrechnet habe, so habe dies nichts mit einer den Hoheitsbereich einer Verwaltungsbehörde tangierenden Vorfrage zu tun, über die als Hauptfrage im Spruch eines Bescheides zu entscheiden wäre. Zum Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO verwies die belangte Behörde auf die Ausführungen des Finanzamtes, wonach der Neuerungstatbestand nicht vorliege, weil die Vertragsbedingungen dem Beschwerdeführer bekannt gewesen seien und es bei deren genauer Einhaltung zu keiner Nachforderung gekommen wäre.

Der Beschwerdeführer beantragt in der vorliegenden Beschwerde die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO obliegt die Entscheidung über Berufungen der Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde zweiter Instanz. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung obliegt dem Berufungssenat (S 270) als Organ der Abgabenbehörde zweiter Instanz die Entscheidung über Berufungen unter anderem gegen Abgabenbescheide über die veranlagte Einkommensteuer und die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital (lit. d), sowie gegen Bescheide, mit denen ein durch einen Bescheid im Sinn der lit. a bis d abgeschlossenes Verfahren wieder aufgenommen oder ein Antrag auf Wiederaufnahme eines solchen Verfahrens abgewiesen wird (lit. e).

§ 260 BAO erhielt diese Fassung durch die Novelle 1980. Auch schon vorher hatte der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß für die Entscheidung über eine Berufung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens der Berufungssenat zuständig ist, wenn die Wiederaufnahme sich auf einen Sachbescheid bezieht, der in § 260 Abs. 2 BAO aufgezählt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1979, Slg. 5340/F; Stoll, BAO Handbuch, Seite 642).

Gemäß § 260 Abs. 2 lit. d und e BAO wäre die Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers somit dem Berufungssenat oblegen. Da die belangte Behörde monokratisüh entschieden hat, war ihr Bescheid gemäß S 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG infolge Unzuständigkeit aufzuheben.

Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgendem Hinweis veranlaßt:

Beim Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit. b BAO muß es sich um tatsächliche Umstände handeln, die bereits vor Abschluß des Erstverfahrens bestanden haben, aber erst nach dessen rechtskräftigen Abschluß bekannt geworden sind. Mit den im Beschwerdefall vorgenommenen Bilanzberichtigungen wurden solche Tatsachen geltend gemacht, weil der Rückforderungsanspruch des Bundes (als Vertragspartner des Beschwerdeführers) betreffend die getätigten Überzahlungen nicht erst 1988, als der Bund (allenfalls auch der Beschwerdeführer) von der Vertragswidrigkeit der Abrechnung in den Jahren 1984 bis 1986 Kenntnis erlangt hat, sondern schon in diesen Jahren entstanden ist: in den jeweiligen Bilanzjahren wäre eine entsprechende Passivpost in die Bilanz einzustellen gewesen. Was die Verschuldensfrage anlangt, so reicht das - nicht weiter konkretisierte - Vorbringen des Beschwerdeführers, es wären anläßlich der Prüfung "wesentlich engere Auslegungskriterien" zur Anwendung gelangt als früher, indes nicht aus, um ein Verschulden im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO auszuschließen.

Zum Wiederaufnahmsgrund des S 303 Abs. 1 lit. c BAO ist zu bemerken, daß von einer Vorfrage (§ 116 BAO), über die von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) nachträglich (anders) entschieden worden wäre, im Beschwerdefall keine Rede sein kann, weil es sich im Zusammenhang mit der Prüfung der Schülerfreifahrtenverrechnung des Beschwerdeführers durch die Finanzlandesdirektion für Steiermark vom Juni 1988 nicht um einen öffentlich-rechtlichen Abspruch einer (der belangten) Behörde, sondern um eine privatrechtliche Kondiktion geleisteter, aber nicht geschuldeter Beförderungsentgelte seitens eines Vertragspartners handelte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den S§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Für die vierte (überzählige) Beschwerdeausfertigung gebührt kein Stempelersatz.

Wien, am 23. Oktober 1990

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989140086.X00

Im RIS seit

23.10.1990

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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