TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/23 89/14/0301

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Veröffentlicht am 23.10.1990
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Index

10/10 Datenschutz;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
BAO §116 Abs1;
BAO §281 Abs1;
DSG 1978 §1 Abs1;
DSG 1978 §14 Abs3;
DSG 1978 §3 Z5;
DSG 1978 §3 Z7;
DSG 1978 §7;
EGVG Art2 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Med.Rat. Dr. N und der Med.Rat. Dr. M gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 9. August 1989, Zl. 33/1/15-2/89, betreffend Datenschutz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer beantragten im Zuge eines Berufungsverfahrens betreffend Abgabenbescheide die Einleitung eines Verfahrens gemäß §§ 14, 15 Datenschutzgesetz (DSG) sowie die Aussetzung des (Abgaben)Verfahrens gemäß § 14 Abs. 3 DSG bis zur Entscheidung durch die Datenschutzkommission. Sie führten im wesentlichen aus, im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens seien "Listen" verwendet worden, die Namen enthalten hätten, welche nur aus Daten stammen könnten, die durch das DSG sowie das Ärztegesetz geschützt seien und deren Ermittlung, Weitergabe und Verarbeitung unzulässig seien. Es handle sich um Namen, Anschrift, Diagnose und Therapie (von Patienten) sowie das Honorar, welche Daten für den automationsunterstützten Datenverkehr erfaßt worden seien.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid entsprach die belangte Behörde den Anträgen der Beschwerdeführer nicht. Sie begründete dies im wesentlichen damit, die Bestimmung des § 14 Abs. 3 DSG sei nur im Geltungsbereich des AVG 1950, daher nicht im Abgabenverfahren anzuwenden. Darüberhinaus seien im Zuge der Betriebsprüfung ausschließlich Unterlagen verwendet worden, die von den Beschwerdeführern freiwillig zum Zwecke der Beweisführung ausgefolgt worden seien (Abrechnung gegenüber der Gebietskrankenkasse, Patientenkartei). Die aus diesen Unterlagen erstellten "Listen" würden mit Abschluß des Abgabenverfahrens nicht weiter verwendet. Von einer Datenbeschaffung für eine Datenverarbeitung könne keine Rede sein.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 26. September 1989, B 1092/89, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Art. 144 Abs. 2 und 3 B-VG).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Aussetzung des Abgabenverfahrens bis zur Entscheidung der Datenschutzkommission sowie im Recht auf Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses verletzt. Sie beantragen den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 14 Abs. 3 DSG lautet:

Wird in einem Verwaltungsverfahren, in dem verarbeitete Daten benützt werden, die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen behauptet, so ist das Verwaltungsverfahren, außer bei Gefahr im Verzug, bis zur Entscheidung der Datenschutzkommission auszusetzen (§ 38 AVG 1950). Gleichzeitig ist ein solches Verfahren zu beantragen.

Aus der Anführung des § 38 AVG im Klammerausdruck dieser Gesetzesstelle sowie in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1975) leitet die belangte Behörde ab, daß § 14 Abs. 3 DSG nur im Geltungsbereich des AVG anzuwenden sei. Gemäß Art. II Abs. 5 EGVG würden die Verwaltungsverfahrensgesetze - damit auch § 38 AVG - unter anderem in Angelegenheiten der Abgaben des Bundes (ausgenommen Verwaltungsabgaben nach § 78 AVG) keine Anwendung finden. § 116 der heranzuziehenden Bundesabgabenordnung kenne im Gegensatz zu § 38 AVG keine Aussetzung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung von Vorfragen.

Auch das Abgabenverfahren ist ein Verwaltungsverfahren. Der belangten Behörde ist freilich zuzugeben, daß die Anführung des § 38 AVG in § 14 Abs. 3 DSG bei isolierter Betrachtung ihr Gesetzesverständnis stützen könnte. Dohr-Pollirer-Weiss, DSG (1988) § 14 Anm. 11, merken in diesem Zusammenhang an, unter Verwaltungsverfahren im Sinne des § 14 Abs. 3 DSG sei "wohl" jedes Verwaltungsverfahren zu verstehen, selbst wenn nicht das AVG 1950, sondern eine andere Verfahrensvorschrift anzuwenden sei. Die Zitierung des § 38 AVG sei nur beispielhaft gemeint (a.a.O Anm. 17), wofür sie - zutreffend - den Ausschußbericht 1978, 1024 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates 14. Gesetzgebungsperiode, ins Treffen führen, der § 38 AVG als "Lösungsmodell" bezeichnet.

Betrachtet man die Bestimmung des § 14 Abs. 3 DSG in ihrem systematischen Zusammenhang, so ergibt sich, daß die §§ 6 bis 16 DSG den zweiten Abschnitt des Gesetzes bilden, der mit "öffentlicher Bereich" überschrieben ist. Darunter ist der staatliche Bereich im weiteren Sinn, d.h. der Bereich der Rechtsträger im Sinne der §§ 4 und 5 DSG zu verstehen (Dohr-Pollirer-Weiss a.a.O. § 6 Anm. 1). Gemäß § 4 Abs. 1 DSG sind die Bestimmungen des zweiten Abschnittes auf den Datenverkehr von oder im Auftrag von Rechtsträgern anzuwenden, die durch Gesetz eingerichtet sind, soweit es sich nicht um Rechtsträger nach § 5 (Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände) handelt. § 4 Abs. 3 DSG enthält Ausnahmen für die Informationsverarbeitung der Sicherheitsverwaltung und der Landesverteidigung, nicht jedoch für die Finanzverwaltung. Den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 1975, 72 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates

14. Gesetzgebungsperiode, zur Z. 8 (nun § 4) ist zu entnehmen, daß das Datenschutzgesetz auf alle Datenbanken des öffentlichen Bereiches anwendbar sein soll. Zu den (in § 4) genannten Rechtsträgern gehöre jedenfalls der Bund mit allen seinen Ausgliederungen. Auch in den Materialien findet sich kein Hinweis darauf, daß die Finanzverwaltung von der Anwendung des DSG, im besonderen seines zweiten Abschnittes, ausgenommen wäre. Zu keinem anderen Ergebnis führen die eben erwähnten Gesetzesmaterialien zu § 14 DSG (in der Regierungsvorlage 1975 § 20), die die Verpflichtung zur Aussetzung und zur Antragstellung bei der Datenschutzkommission mit deren spezieller Sachkenntnis und der Notwendigkeit einer Entscheidungskonzentration begründen. Diese ratio legis trifft auch für den Bereich der Finanzverwaltung zu.

Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 14 Abs. 3 DSG somit (trotz der Zitierung des § 38 AVG) auch im Abgabenverfahren anzuwenden.

Damit ist der Beschwerdefall aber noch nicht zugunsten der Beschwerdeführer entschieden: Tatbestandselement der in Rede stehenden Bestimmung ist nicht allein die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens; in diesem müssen überdies verarbeitete Daten benützt werden; hiezu treten muß die Behauptung der Verletzung von Bestimmungen des DSG.

Während das Grundrecht gemäß § 1 Abs. 1 DSG sich auch auf nicht automationsunterstützt verarbeitete Daten bezieht (vgl. Dohr-Pollirer-Weiss a.a.O. § 1 Anm. 9), sind unter verarbeiteten Daten im Sinne des § 14 Abs. 3 DSG gemäß § 3 Z. 5 und 7 DSG automationsunterstützt verarbeitete Daten zu verstehen. Im Beschwerdefall hat sich nun nach der Aktenlage kein Hinweis darauf ergeben, daß die in den streitgegenständlichen handgeschriebenen "Listen" enthaltenen Patientennamen und Honorarangaben in einem Zusammenhang mit einer automationsunterstützten Datenverarbeitung gestanden wären. Die Beschwerdeführer konnten hiezu bloß Vermutungen äußern, was für die Verwirklichung dieses Tatbestandselementes nicht ausreicht.

Die Voraussetzungen für eine Vorgangsweise der Finanzbehörden gemäß § 14 Abs. 3 DSG waren im Beschwerdefall daher nicht gegeben. Das im Beschwerdepunkt genannte Recht auf Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses war nicht Gegenstand des behördlichen Abspruches.

Da die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren subjektiven Rechten nicht verletzt wurden, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989140301.X00

Im RIS seit

23.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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