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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des B gegen den Bescheid der FLD Wien, NÖ und Bgld vom 9. März 1990, Zl. 6/5-1608/1/90, betreffend Einkommensteuervorauszahlung für 1989, und über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der FLD Wien, NÖ und Bgld vom 9. März 1990, Zl. 6/5-1615/1/90, betreffend Einkommensteuervorauszahlung für 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat jedem der beiden Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Brüder, die gemeinsam in Form einer Kommanditgesellschaft ein Elektro-Technik-Unternehmen betreiben. Im Juni 1989 beteiligten sie sich nach ihren Angaben mit einer Einlage von je S 945.000,-- am Unternehmen der A-GmbH als unechte stille Gesellschafter. Im Hinblick auf einen für das Jahr 1989 zu erwartenden Verlustanteil aus dieser Beteiligung in Höhe von je S 2,295.000,-- beantragten sie mit je einem Schreiben vom 10. August 1989, die Vorauszahlung an Einkommensteuer für das Jahr 1989 auf Null zu stellen.
Das Finanzamt erließ an beide Beschwerdeführer einen (von ihnen beantworteten) Vorhalt, traf aber über die Anträge vom 10. August 1989 keine Entscheidungen. Mit je einem Schreiben vom 10. Februar 1990 begehrten die Beschwerdeführer gemäß § 311 BAO die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit den im wesentlichen gleichlautenden angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge, die Vorauszahlung an Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1989 auf Null zu stellen, ab. Die Antragsteller hätten zwar durch die Vorlage einer Quittung - sogenannte Beteiligungserklärung - nachgewiesen, daß sie mit der Bezahlung eines Betrages von je S 945.000,-- an die A-GmbH deren Angebot einer atypischen stillen Beteiligung angenommen hätten. Allerdings sei nicht der Nachweis darüber erbracht worden, daß die A-GmbH den in Rede stehenden Beteiligungsantrag laut Gesellschaftsvertrag angenommen habe.
Zudem sei nicht anzunehmen, daß die Mitunternehmerschaft als Einkunftsquelle in Betracht komme. Vielmehr heiße es in den von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen (Gutachten):
"Die Höhe der Gewinne hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft ab und kann nicht vorhergesagt werden. Im vorliegenden Berechnungsbeispiel werden daher auch keine Gewinnzuweisungen dargestellt."
Auch wenn im nächsten Satz ausgeführt werde, daß die Tätigkeit der A-GmbH auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei, werde hiemit keineswegs das Vorhandensein einer Einkunftsquelle dokumentiert, da bei der Beurteilung der Frage, ob eine Einkunftsquelle vorliege oder nicht, der Absicht nur untergeordnete Bedeutung zukomme. Entscheidend sei in erster Linie die objektive Gewinnerzielungsmöglichkeit, wobei es nicht darauf ankomme, ob aus dem Betrieb theoretisch bei wirtschaftlicher Führung Gewinne erzielt werden könnten, sondern darauf, wie diese Tätigkeit tatsächlich gestaltet sei. Da darüber das beigebrachte Gutachten keine verbindlichen Aussagen treffe und trotz Vorhalt keine Filmverwertungsverträge, aus denen das Vorliegen einer Einkunftsquelle hätte erschlossen werden können, beigebracht worden seien, hätte der Antrag auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlung für 1989 abgewiesen werden müssen.
Die vorliegenden, ebenfalls weitgehend wörtlich übereinstimmenden Beschwerden machen inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide und deren Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbundenen Beschwerden erwogen:
Es trifft zwar zu, daß die Beschwerdeführer dem Finanzamt nur je eine Beteiligungserklärung vom 30. Juni 1989 vorlegten, die lediglich das von der A-GmbH anzunehmende Angebot der Beschwerdeführer enthalten, eine atypische stille Beteiligung zu erwerben, und daß die Annahme des Anbotes durch die A-GmbH den vorgelegten Urkunden nicht zu entnehmen ist. Es ist aber auch in Rechnung zu stellen, daß die Abgabenbehörden gegenüber den Beschwerdeführern nie Zweifel daran äußerten, daß die atypischen stillen Beteiligungen tatsächlich zustande kamen, ja daß die Vorhalte des Finanzamtes vom 13. September 1989 ein solches Zustandekommen geradezu voraussetzen. Die Beschwerdeführer hatten daher von sich aus keinen Anlaß, einen weiteren Nachweis für das Zustandekommen der atypischen stillen Beteiligungen zu erbringen. Wenn die belangte Behörde die bisherigen Beweise nicht als ausreichend ansah, wäre es an ihr gelegen gewesen, den Sachverhalt vollständig aufzuklären und von den Beschwerdeführern oder allenfalls der A-GmbH die nach Auffassung der belangten Behörde fehlenden Beweise nachzufordern. Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführer ist in diesem Punkt berechtigt.
Sie ist auch insoweit berechtigt, als die belangte Behörde den Beschwerdeführern zu Unrecht vorwirft, sie hätten trotz Vorhalt keine Filmverwertungsverträge beigebracht, aus denen das Vorliegen einer Einkunftsquelle erschlossen hätte werden können. Hatten doch die Beschwerdeführer zu diesem Punkt der Vorhalte des Finanzamtes vom 13. September 1989 übereinstimmend ausgeführt, sie hätten als stille Gesellschafter kein Recht auf Ausfolgung von Filmverwertungsverträgen. Diese Verantwortung ist nicht von der Hand zu weisen, vor allem wenn man berücksichtigt, daß die atypischen stillen Beteiligungen im Rahmen einer sogenannten Publikumsgesellschaft bestanden, bei der die Abwicklung der Geschäfte in aller Regel nur durch den Geschäftsherrn (hier die A-GmbH) erfolgen kann. Es hätte daher die belangte Behörde, wenn sie den Filmverwertungsverträgen im Sinne der angefochtenen Bescheide maßgebliche Bedeutung beimaß, entsprechend ihrer Verpflichtung, von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln (§ 115 Abs. 1 BAO), versuchen müssen, die Filmverwertungsverträge von der A-GmbH beizuschaffen.
Unbeschadet der vorstehend aufgezeigten Verfahrensmängel sei zu den Beschwerden folgendes bemerkt:
Die hier in Rede stehende Publikumsgesellschaft bietet nach den von den Beschwerdeführern beigebrachten Unterlagen das Bild einer Gesellschaft, die den atypischen stillen Gesellschaftern in erster Linie Verluste vermitteln soll. Während die Verlustbeteiligungsmöglichkeiten konkret aufgezeigt sind, trifft dies - worin den angefochtenen Bescheiden beizupflichten ist - auf die Gewinnerzielungsmöglichkeiten nicht zu. Die Zweifel der Abgabenbehörde, ob sich der Betrieb der A-GmbH und in der Folge die unechten stillen Beteiligungen als Einkunftsquelle eignen, erscheinen daher berechtigt. Diese Zweifel zu zerstreuen ist Sache der einzelnen Abgabepflichtigen, zumal ihnen - vor allem dem Geschäftsherrn - regelmäßig ein besserer Überblick über die Erfolgsaussichten ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten möglich ist, als der Abgabenbehörde. Gelingt es den Abgabepflichtigen nicht, begründete Zweifel der Abgabenbehörde am Bestand einer Einkunftsquelle zu zerstreuen - und sei es deshalb, weil beispielsweise der Geschäftsherr ihm zur Verfügung stehende Unterlagen nicht herausgibt -, so ist die Abgabenbehörde nicht verhalten, den Verlustanteil eines atypischen stillen Gesellschafters (bei Erlassung eines Vorauszahlungsbescheides) zu berücksichtigen. Zu den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sei bemerkt, daß es den ATYPISCHEN STILLEN GESELLSCHAFTERN auch zukäme, darzutun, warum ihre Beteiligung auch dann eine Einkunftsquelle sein soll, wenn die Erfolgsanteile auf Dauer gesehen kein positives Ergebnis erwarten ließen.
Der Vollständigkeit halber sei auch festgehalten, daß die Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 322/90, auf den Beschwerdefall noch nicht anzuwenden war.
Zusammenfassend erweist sich die Verfahrensrüge der Beschwerdeführer als berechtigt. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Ein Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war (§ 28 Abs. 5 VwGG).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990130089.X00Im RIS seit
24.10.1990