TE Vfgh Erkenntnis 1988/3/3 B617/87

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Veröffentlicht am 03.03.1988
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Index

L1 Gemeinderecht
L1030 Gemeindestruktur

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
Nö KStrVG 1971 §3 Abs10 Z3

Leitsatz

Verfügung der Vereinigung von Gemeinden einmalige Maßnahme - für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Prognoseentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Erlassung des Gesetzes abzustellen; keine Bedenken gegen §3 Abs10 Z3 Nö KStVG 1971 - Zusammenlegung der Gemeinden Großheinrichschlag und Weinzierl nicht unsachlich

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) §3 Abs10 Z3 des Nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, Nö. LGBl. 264 (im folgenden kurz: KStrVG), verfügt die Vereinigung der im politischen Bezirk Krems an der Donau gelegenen Gemeinden Großheinrichschlag und Weinzierl am Walde zur Gemeinde Weinzierl am Walde. Die von der Vereinigung betroffenen Gemeinden haben gemäß §5 Abs1 KStrVG mit dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes - das ist seinem §9 zufolge der 1. Jänner 1972 - als eigene Gemeinde zu bestehen aufgehört.

b) Unter dem Datum 14. Dezember 1971 hat die Nö. Landesregierung den Bescheid, Zl. II/1-576/4-1971, erlassen, dessen Spruch lautet:

"Gemäß §3 Abs10 Ziffer 3 des Kommunalstrukturverbesserungsgesetzes 1971, LGBl. Nr. 264, wurden die Gemeinden Großheinrichschlag und Weinzierl am Walde zur Gemeinde Weinzierl am Walde vereinigt.

Gemäß §6 Abs2 leg.cit. werden bis zur Angelobung des neu gewählten Bürgermeisters zur Besorgung der unaufschiebbaren

Geschäfte dieser Gemeinde bestellt:

Zum Regierungskommissär: .....

         Zu Beiräten: ..... ( es folgen sechs Namen)

         Das Beiratsmitglied .... wird zum Stellvertreter des

Regierungskommissärs bestimmt.

         Die von der Gemeinde zu tragende Entschädigung des

Regierungskommissärs wird mit ...... festgesetzt."

Keiner der Bf. wurde mit dem erwähnten Bescheid zum Regierungskommissär oder zum Beirat bestellt.

Wohl aber waren sie seinerzeit Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Großheinrichschlag.

2.a) Gegen diesen Bescheid der Nö. Landesregierung vom 14. Dezember 1971 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

b) Die Bf. begründen ihre Behauptung, im Gleichheitsrecht verletzt zu sein, ausschließlich damit, daß ihrer Meinung nach die im angefochtenen Bescheid angewendeten Bestimmungen des KStrVG gleichheitswidrig seien.

Sie regen an, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des den angefochtenen Bescheid materiell tragenden §3 Abs10 Z3 KStrVG sowie des §1 des Gesetzes über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden, LGBl. 1030-9, einzuleiten; die zuletzt genannte Gesetzesbestimmung habe den (durch die erstgenannte Vorschrift geschaffenen) - wie die Bf. meinen: verfassungswidrigen - Zustand "perpetuiert".

Unter Hinweis auf Vorjudikatur des VfGH bringen die Bf. vor, daß keine sachlichen Gründe für die verfügte Vereinigung von Großheinrichschlag und Weinzierl vorgelegen seien. Wohl hätten beide Gemeinden vor ihrer Zusammenlegung jeweils unter 1.000 Einwohner gehabt. Dennoch sei die Vereinigung nicht erforderlich gewesen. Andere ebenso kleine Gemeinden seien selbständig gelassen worden. Die Zusammenlegung habe für die Großheinrichschlager keinerlei Vorteile, sondern nur Nachteile gebracht.

Die Entfernungen zum Gemeindeamt seien vielfach groß, so etwa von Großheinrichschlag 7,5 km. Die Verkehrsverbindungen zwischen den zur neuen Gemeinde Weinzierl zusammengeschlossenen Ortsteilen seien ungünstig. Die Gemeinde Großheinrichschlag sei durchaus lebensfähig gewesen; es habe vor der Zusammenlegung eine überdurchschnittlich gute Infrastruktur bestanden und die Gemeinde sei finanziell leistungsfähig gewesen.

Großheinrichschlag und Weinzierl verfügten derzeit - so wie vor ihrer Vereinigung - über eine eigene Volksschule; höhere Schulen bestünden dort nach wie vor nicht. Großheinrichschlag sei eine eigene Pfarre und habe eine eigene Pfarrkirche und einen eigenen Friedhof. Auch auf dem Gebiet des Gesundheitswesens hätten Großheinrichschlag und Weinzierl keine Berührungspunkte. Vor der Zusammenlegung habe Großheinrichschlag zu den Sprengeln des Bezirksgerichtes und der Bezirksbauernkammer Spitz (Entfernung 9 km) gehört; seither falle Großheinrichschlag in jene von Krems (Entfernung 23 km). Nach der sogenannten "Hauptdorfkarte" hätten seinerzeit keine Beziehungen zwischen Großheinrichschlag und Weinzierl bestanden; daran habe sich seit ihrer Zusammenlegung nichts geändert. Die Vereinigung der Gemeinden sei gegen den Willen des Großteils der Bevölkerung von Großheinrichschlag erfolgt. Der Gemeinderat habe sich seinerzeit mit überwältigender Mehrheit gegen diese Maßnahme ausgesprochen. Die Gemeindeverwaltung sei von Weinzierlern dominiert; sie werde zum Nachteil des Ortsteiles Großheinrichschlag geführt.

3.a) Die NÖ Landesregierung als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der begehrt wird, die Beschwerde - soweit sie nicht zurückgewiesen wird - als unbegründet abzuweisen.

Sie legt - ausführlich begründet - dar, daß im Jahr 1971 auch aufgrund internationaler Erfahrungen allgemein die Meinung vertreten wurde, die Kleingemeinden würden künftig nicht mehr in der Lage sein, den an sie gestellten Anforderungen zu genügen. Die bel. Beh. verweist darauf, daß dieses Thema bei dem im Jahre 1967 in Stockholm abgehaltenen Kongreß des Internationalen Gemeindeverbandes behandelt wurde (vgl. Schütz; Vereinigung oder Zusammenarbeit der Gemeinden; ÖGZ 22/1967, S 525 ff.).

Die bel. Beh. nimmt auch zum Tatsachenvorbringen der Bf. (s.o. I.2.b) Stellung und bestreitet es zum Teil.

b) Zu dieser Gegenschrift erstatteten die Bf. eine Replik.

II. Der VfGH hat zur - zulässigen (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des VfGH, zB VfSlg. 11372/1987 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur) - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid wird vor allem auf die Bestimmung des §3 Abs10 Z3 KStrVG gegründet, von der die Bf. behaupten, sie sei gleichheitswidrig.

Auch der VfGH hat diese Vorschrift bei Beurteilung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden. Daran ändert auch das nach Erlassung des Bescheides mit 1. Dezember 1978 in Kraft getretene Landesgesetz über die Gliederung des Landes NÖ in Gemeinden (Stammfassung: LGBl. 1030-0) nichts, in dem - anknüpfend an die bestehende Gemeindestruktur - festgestellt wird, in welche Gemeinden sich das Land NÖ gliedert. Ebensowenig ändert daran etwas der ArtII Z18 des Nö. Landesgesetzes vom 9. Juli 1981 (ausgegeben am 8. Oktober 1981, Jahrgang 1981, 119. Stück), LGBl. 1030-7, womit das Nö. Kommunalstrukturverbesserungsgesetz 1971, LGBl. Nr. 264, idF LGBl. 1450-2, 1450-3, 1450-4 und 1450-5 aufgehoben wird. Für die Beurteilung des angefochtenen Bescheides ist im gegebenen Zusammenhang nur wesentlich, ob die ihn tragende Bestimmung des KStrVG verfassungsmäßig war, nicht etwa auch (wie die Bf. meinen), ob das zitierte Gliederungsgesetz verfassungsmäßig ist (vgl. zB VfSlg. 10637/1985, S 471). Es kommt nämlich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides an.

2. Bei Untersuchung der Frage, ob das KStrVG 1971 verfassungsmäßig war, ist ausschließlich der Zeitpunkt seiner Erlassung maßgebend, dies deshalb, weil dieses Gesetz eine einmalige Maßnahme zum Inhalt hat, nämlich die Vereinigung von Gemeinden zu verfügen (vgl. zB VfSlg. 8108/1977, S 527; 10637/1985, S 471). Der VfGH hat also auch heute nur zu untersuchen, ob die im Jahre 1971 vom Gesetzgeber angeordnete Gemeindezusammenlegung sachlich gerechtfertigt war. Der Gesetzgeber mußte damals die zukünftige Entwicklung, so insbesondere die Folgen der Gemeindevereinigung abschätzen. Bei Beurteilung durch den VfGH, ob diese Prognoseentscheidung vor dem Gleichheitsgebot bestehen kann, ist also auf das Jahr 1971 zurückzublicken, sohin nur auf jene Auswirkungen der Gemeindevereinigung abzustellen, die seinerzeit vom Gesetzgeber bei Abwägung aller maßgebenden Umstände erwartet werden durften. Die tatsächliche Entwicklung kann allenfalls eines der Hilfskriterien bei Lösung der Frage sein, ob die damals getroffene Prognose vertretbar war oder nicht.

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine gesetzlich angeordnete Änderung der Gemeindestruktur vor dem Gleichheitsgrundsatz bestehen kann, hat der VfGH in der erwähnten bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich ausgeführt, daß die Zusammenlegung einer Kleingemeinde von weniger als 1.000 Einwohnern mit einer anderen Gemeinde in der Regel sachlich ist. Die Prognose, daß durch Schaffung größerer Gemeinden im allgemeinen die Gemeindestruktur in Zukunft verbessert wird, ist jedenfalls im Jahre 1971 begründet gewesen. Ob dies auch heute noch (uneingeschränkt) zutrifft, muß nach dem vorhin Gesagten unerörtert bleiben.

Ausnahmen vom Grundsatz, daß die Auflösung einer Kleingemeinde sachlich begründet war, haben sich in jenen Fällen ergeben, in denen die Zusammenlegung einer Kleingemeinde - mit welcher anderen Gemeinde immer - auf Grund ganz besonderer Umstände vorhersehbarerweise völlig untauglich war, das angestrebte Ziel einer Kommunalstrukturverbesserung zu erreichen (wie etwa im Fall Alberndorf - VfSlg. 8108/1977, S 526 f., im Fall Hirschbach - VfSlg. 9793/1983, S 112 ff., im Fall Raach VfSlg. 9819/1983, S 215 ff. und im Fall Kasten/Stössing - VfSlg. 11372/1987); ferner in einem Fall, in dem eine Gemeinde mit räumlich nicht geschlossenem Gemeindegebiet neu geschaffen wurde, obgleich nicht ganz besondere Umstände dazu zwangen (siehe VfSlg. 9814/1983, S 194; Fall Hollern) und in einem Fall, in dem die Zusammenlegung der Kleingemeinde mit einer bestimmten anderen Gemeinde oder ihre Aufteilung auf mehrere bestimmte andere Gemeinden (siehe VfSlg. 9068/1981, Fall Gerersdorf) beispielsweise aus geographischen Gründen unter Bedachtnahme auf das Bestehen öffentlicher Verkehrsverbindungen voraussehbarerweise extrem unzweckmäßiger war als eine andere denkbare Zusammenlegung oder Aufteilung oder auch das Belassen der Gemeinde.

Die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit von Strukturänderungsmaßnahmen jeder Art ist von einer Vielzahl von Umständen abhängig. So gut wie niemals ist eine Situation so beschaffen, daß ausnahmslos alle in Ansehung einer bestimmten Maßnahme erheblichen Umstände für diese Maßnahme sprechen; immer liegen im Einzelfall auch Umstände vor, an denen gemessen sie nicht erforderlich, ja vielleicht sogar unzweckmäßig ist. Auch jede Änderung der Gemeindestruktur bewirkt deshalb - und zwar besonders für die unmittelbar davon Betroffenen - nicht nur Vorteile; es wird sich manches überhaupt nicht und manches sogar zum Nachteil ändern, dies oft allerdings nur vorübergehend. Das ist unvermeidlich und macht deshalb eine solche Maßnahme an sich noch nicht unsachlich. Strittig kann nur die Frage der (bloßen) Zweckmäßigkeit der getroffenen Regelung sein (vgl. zB VfSlg. 10637/1985; 11372/1987 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

3. Vor dem Hintergrund dieser ständigen Rechtsprechung des VfGH - gegen die die Verfahrensparteien im übrigen nichts einwenden - erweist sich das Vorbringen der Bf. als nicht zielführend:

Die Gemeinde Großheinrichschlag hatte im Jahre 1971 bloß 581, die Gemeinde Weinzierl 891 Einwohner. Großheinrichschlag war daher eine Kleingemeinde, gegen deren Auflösung nach dem Gesagten von Verfassungs wegen grundsätzlich nichts einzuwenden war.

Ganz besondere Umstände, die im Jahre 1971 trotz der geringen Einwohnerzahl für das Bestehenbleiben von Großheinrichschlag sprachen, hat das Verfahren nicht erbracht.

Ebensowenig hat sich ergeben, daß irgendwelche Umstände, mit denen der Gesetzgeber des Jahres 1971 rechnen mußte, dagegen sprachen, Großheinrichschlag gerade mit Weinzierl zu vereinigen. Zwar liegen Großheinrichschlag und Weinzierl etwa 6 bis 8 Straßenkilometer voneinander entfernt. Eine solche Distanz machte aber die Vereinigung noch nicht unsachlich; der Gesetzgeber konnte von der Erfahrung ausgehen, daß auf Grund der technischen Entwicklung (insbesondere wegen der vermehrten Verwendung von Autos oder anderen Verkehrsmitteln und Telephon auch im ländlichen Raum) die Kommunikation in den letzten Jahrzehnten wesentlich verbessert wurde und daher Entfernungen eine bedeutend geringere Rolle als bisher spielten. Jedenfalls damals war es durchaus vernünftig, all diese Entwicklungstendenzen für die absehbare Zukunft fortzuschreiben (vgl. zB VfSlg. 9655/1983).

Die Höhenunterschiede, die überwunden werden müssen, um von einer Stelle des Gebietes der neuen Gemeinde zu einer anderen Stelle (etwa zum Gemeindeamt) zu gelangen, sind mit jenen nicht zu vergleichen, die im Gebirgsdorf Otterthal bestanden (vgl. VfSlg. 9819/1983, S 215 f.).

Wenn sich die öffentlichen Verkehrsverbindungen nicht auf befriedigende Weise entwickelt haben, so ist dies nicht dem Gemeindestruktur-Gesetzgeber des Jahres 1971 anzulasten, sondern liegt im Bereich des Betriebes öffentlicher Verkehrsmittel.

Die Bf. weisen darauf hin, daß die Schulsituation eine von ihnen abgelehnte Entwicklung zu nehmen drohe. Auch wenn diese Bedenken zutreffen sollten, träfen sie nicht den Gesetzgeber des Jahres 1971; die verfügte Gemeindezusammenlegung zwingt zu der von den Bf. befürchteten Entwicklung nicht.

Die sogenannte "Hauptdorfkarte" (die eine Entscheidungshilfe für den Gemeindestruktur-Gesetzgeber 1971 war) weist für Großheinrichschlag überhaupt keine "mäßig starke oder überwiegende Zuordnung" zu einer Gemeinde mit überörtlicher Bedeutung aus. Eine schwache Zuordnung ist zu Weinzierl, zu Mühldorf und zu Spitz zu erkennen; Weinzierl liegt aber beachtlich näher. Wenn der Gesetzgeber 1971 die Gemeinde Großheinrichschlag auflösen wollte, hatte er also kaum eine andere Wahl als sie mit Weinzierl zusammenzulegen.

Der Behauptung der Bf., die von den Organen der neuen Gemeinde Weinzierl verfolgte Politik wirke sich zum Nachteil des Ortsteiles Großheinrichschlag aus, ist entgegenzuhalten, daß ein solches Vorgehen der Gemeindeorgane - selbst wenn die Behauptung der Bf. zuträfe - nicht dem Gemeindestruktur-Gesetzgeber des Jahres 1971 zugeschrieben werden kann; besondere Umstände, die ein derartiges Verhalten der Organe der neuen Gemeinde erwarten ließen, lagen keinesfalls vor.

Es war für den Gesetzgeber des Jahres 1971 nicht vorhersehbar, daß das Gemeindeamt, das sich vor der Gemeindevereinigung in Nöhagen befand, nach dem Zusammenschluß dort (also am Rand des Gemeindegebietes) belassen und nicht in die Mitte des Gemeindegebietes verlegt werden würde.

Wenngleich Großheinrichschlag im Jahre 1971 eine an sich lebensfähige Gemeinde war, konnte der Nö. Landesgesetzgeber im Jahre 1971 begründet annehmen, daß die Vereinigung der Kleingemeinde Großheinrichschlag mit der Gemeinde Weinzierl (die neue, vereinigte Gemeinde zählte dann etwa 1.500 Einwohner) ein (noch) leistungsfähigeres Kommunalwesen als bisher gewährleisten werde. Bei Lösung der hier allein maßgebenden Frage, ob diese Prognose im Jahre 1971 vertretbar war, kommt unter den geschilderten Gegebenheiten dem Umstand, daß ein Großteil der Bevölkerung von Großheinrichschlag im Zeitpunkt der Gemeindevereinigung gegen diese Maßnahme eingestellt war, keine entscheidende Bedeutung zu. Im Jahre 1986 wurde eine Unterschriftenaktion durchgeführt, in deren Verlauf 381 Bewohner von Großheinrichschlag ihr "Einverständnis zur Trennung der Katastralgemeinde Großheinrichschlag, Habruck ....... von der Großgemeinde Weinzierl am Walde und die Wiederherstellung der ehemaligen Großgemeinde Großheinrichschlag bestätigten". Aus dieser Formulierung läßt sich nicht der vehemente Wunsch der überwiegenden Mehrheit der Großheinrichschlager Bevölkerung nach einer Rückgängigmachung der Gemeindevereinigung ableiten. Im übrigen kommt es nur darauf an, daß der Gesetzgeber 1971 erwarten konnte, es würden sich aufgrund der Gemeindezusammenlegung für die Kommunalstruktur als Komplex betrachtet (also nicht bloß auf die Belange von Großheinrichschlag bezogen) Vorteile ergeben (vgl. zB VfSlg. 10637/1985).

Wenn diese Vorteile in der Folge nicht oder nicht im erwarteten Ausmaß eingetreten sein sollten, so könnte dies für den Landesgesetzgeber oder den Verordnungsgeber (§9 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-4) allenfalls Anlaß bieten, die Kommunalstruktur neuerlich zu ändern, würde aber nicht bewirken, daß die Prognoseentscheidung des Jahres 1971 als unsachlich zu bezeichnen wäre.

Zusammenfassend ergibt sich, daß der VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles weder gegen §3 Abs10 Z3 KStrVG noch gegen die anderen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften verfassungsrechtliche Bedenken - etwa im Hinblick auf den Gleichheitssatz - hat.

4. Die Bf. behaupten nicht, daß bei Vollziehung des Gesetzes Fehler unterlaufen wären. Anhaltspunkte dafür hat das Verfahren auch sonst nicht ergeben.

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.

5. Sie sind auch nicht in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

Sie war jedoch antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem VwGH abzutreten.

Schlagworte

Bescheid, VfGH /Prüfungsmaßstab, Gemeinderecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B617.1987

Dokumentnummer

JFT_10119697_87B00617_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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