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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. Juli 1987, Zl. Ve-551-437/3, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 23. Juli 1985 wurde dem Unternehmen (Lebensmittelhandel; in der Folge kurz Z-KG genannt), dessen Verantwortlicher (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der Beschwerdeführer ist, die Baubewilligung zur Errichtung eines ebenerdigen Gebäudes in Innsbruck auf den Grundstücken Nr. 689/4 und 689/5, KG F, erteilt. Es sollten zwei Geschäftslokale von je knapp unter 800 m2, die keine bauliche und betriebsorganisatorische Einheit darstellen, errichtet werden. Am 30. Oktober 1986 wurde festgestellt, daß die zwischen den beiden Geschäftseinheiten vorgesehene Trennwand nicht errichtet wurde, der Bau aber praktisch fertiggestellt (nämlich schon eingerichtet) sei und in den nächsten Tagen die Eröffnung stattfinde. Es liege nunmehr ein Einkaufszentrum im Sinne des § 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (ROG) mit rund 1500 m2 Verkaufsfläche, für welches aber keine Baubewilligung bestehe, vor. Daraufhin wurde am 5. November 1986 der Z-KG ein Abbruchauftrag angedroht.
Im Rechtshilfeweg (über die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn) erging von der Behörde erster Instanz am 27. November 1986 an den Beschwerdeführer eine Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter, zu der er aber kein sachliches Vorbringen erstattete.
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 27. Jänner 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 satzungsgemäß zur Vertretung der Z-KG nach außen berufenes Organ zu verantworten, daß durch das Unternehmen als Bauherr in der Zeit vom 1. August 1986 bis 31. Oktober 1986 in Innsbruck am genannten Ort ein Einkaufszentrum im Sinne des § 16b ROG errichtet worden sei, indem während der genannten Zeit ein ebenerdiges Gebäude mit Verkaufsräumen im Ausmaß von 1500 m2 Nutzfläche hergestellt worden sei, wobei die Nutzfläche dazu bestimmt sei, Waren des täglichen Bedarfes, vor allem Lebensmittel, zum Kauf anzubieten, ohne daß dem Unternehmen eine nach § 25 lit. a der Tiroler Bauordnung (BO) erforderliche Bewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums erteilt worden sei. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 25 lit. a BO (LGBl. Nr. 43/1978) begangen. Gemäß § 53 Abs. 2 BO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 60.000,-- (Ersatzarrest von drei Monaten) verhängt. Entgegen der Baubewilligung sei ein Einkaufszentrum im Sinne des § 16b Abs. 1 ROG errichtet und mittlerweile als solches bereits in Betrieb genommen worden. Gemäß § 16b Abs. 2 ROG dürfe die Baubewilligung für ein Einkaufszentrum (in der vorliegenden Größe) nur auf einer als Sonderfläche für Einkaufszentren gewidmeten Fläche erteilt werden. Da eine solche nicht vorgelegen sei, sei auch mit der Baubewilligung vom 23. Juli 1985 nur ein normales Geschäftshaus (mit zwei getrennten Geschäften) bewilligt worden. Durch die Unterlassung der Errichtung der Trennwand seien nicht die bescheidmäßig vorgesehenen zwei Geschäfte, sondern eine zusammenhängende Fläche von ca. 1500 m2 geschaffen worden, weshalb das Bauwerk als Einkaufszentrum im Sinne des § 16b Abs. 1 ROG zu qualifizieren sei. Eine Baubewilligung liege bloß für die Errichtung eines gewöhnlichen Geschäftshauses vor. Infolge der Änderung des Objektes sei dieses insgesamt im Sinne der Bauordnung als konsenslos errichtet zu betrachten. Als Schuldform werde in Anbetracht dessen, daß durch den Beschwerdeführer bzw. sein Unternehmen vor einiger Zeit im Zuge der Errichtung eines Einkaufszentrums in einer anderen Stadt die ganz gleiche Vorgangsweise mit dem Ziel der Umgehung der einschlägigen Vorschriften gewählt worden sei, Vorsatz als gegeben angesehen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung. In der nach Akteneinsicht zugesagten schriftlichen Stellungnahme vom 11. Mai 1987 unterließ der Beschwerdeführer Ausführungen zum Sachverhalt und beschränkte sich auf die Behauptung formeller Mängel.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Juli 1987 wurde die Berufung gegen den Schuldspruch mit einer für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht bedeutsamen Konkretisierung als unbegründet abgewiesen, jedoch die Geldstrafe auf S 40.000,-- (Ersatzarrest von acht Wochen) herabgesetzt. Der vom Beschwerdeführer behauptete innere Widerspruch im Straferkenntnis, daß einerseits dargelegt werde, das Objekt sei ohne Baubewilligung errichtet worden, andererseits, daß die strafbare Handlung in der Unterlassung des Einziehens einer Trennwand bestehe, liege nicht vor. Der Beschwerdeführer verkenne, daß durch die konsenswidrige Nichterrichtung der im genehmigten Bauplan eingezeichneten Trennwand zwischen den beiden Geschäften eine auf Grund der Bestimmungen des § 16b ROG derart schwerwiegende Abweichung von der Baubewilligung gegeben sei, daß das gesamte Gebäude als ein anderes, nämlich als konsensloses Einkaufszentrum, anzusehen sei. Dem Vorbringen, Parteiengehör sei nicht ausreichend gewährt worden, sei entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer nicht nur im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch in der Berufung und im Berufungsverfahren genügend Gelegenheit hatte, die seiner Verteidigung dienlichen Umstände geltend zu machen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte jedoch unter Hinweis auf seine Vorjudikatur deren Behandlung mit Beschluß vom 14. März 1988, B 961/87-8, ab und trat die Beschwerde mit Beschluß vom 27. Juni 1988, B 961/87-10, dem Verwaltungsgerichtshof ab.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde werden vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 lit. a der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978, in der Fassung LGBl. Nr. 19/1984, bedarf eine Bewilligung der Behörde der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden.
Nach § 53 Abs. 1 lit. a BO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Bewilligung ausführt oder mit der Ausführung vor dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung beginnt.
Nach § 16b Abs. 1 ROG sind Einkaufszentren im Sinne dieses Gesetzes Gebäude mit Verkaufsräumen von insgesamt mehr als 400 m2 Nutzfläche, in Gemeinden, die nach dem Ergebnis der jeweils letzten Volkszählung mehr als 10.000 Einwohner haben, von insgesamt mehr als 800 m2 Nutzfläche, in denen insbesondere auch Waren des täglichen Bedarfes, jedenfalls Lebensmittel, angeboten werden. Nach § 16b Abs. 2 leg. cit. darf die Baubewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums nur erteilt werden, wenn dieses Gebäude auf einer Grundfläche, die als Sonderfläche für Einkaufszentren gewidmet ist, errichtet wird und die Nutzfläche der in dem Gebäude vorgesehenen Verkaufsräume insgesamt das im Flächenwidmungsplan festgesetzte Höchstmaß nicht übersteigt. Nach Abs. 3 dürfen Sonderflächen für Einkaufszentren nur im Bauland und nur insoweit gewidmet werden, als in einem Entwicklungsprogramm bestimmt ist, daß eine dieser Widmung entsprechende Verwendung von Grundflächen in der betreffenden Gemeinde zulässig ist. Nach Abs. 4 ist im Flächenwidmungsplan bei der Widmung von Sonderflächen für Einkaufszentren für die einzelnen Sonderflächen das Höchstausmaß der zulässigen Nutzfläche der Verkaufsräume in den darauf zu errichtenden Einkaufszentren festzusetzen.
Unbestritten ist, daß mit Bescheid vom 23. Juli 1985 lediglich die Baubewilligung für die Errichtung eines Gebäudes mit zwei getrennten Geschäften (jeweils unter 800 m2 Nutzfläche) erteilt wurde, nicht aber für ein Einkaufszentrum, zumal die hiefür erforderliche Sonderwidmung der Baugrundstücke nach § 16b ROG nicht besteht. Zu seinen weitwendigen Ausführungen über die Verletzung der Erwerbsfreiheit durch § 16b ROG ist der Beschwerdeführer auf die Darlegungen des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere in dem auch gegenüber seiner Gesellschaft ergangenen Erkenntnis vom 2. März 1988, B 816/86, zu den Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, B 287/86, zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in den schon angeführten Erkenntnissen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 16b ROG und sieht daher keinen Anlaß, von sich aus (neuerlich) mit einem Anfechtungsantrag an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. November 1989, Zl. 89/06/0134). Der Beschwerdeführer vermochte auch keine neuen überzeugenden Gründe für einen derartigen Schritt darzutun. Auch der Verfassungsgerichtshof hat die Ausführungen des Beschwerdeführers als nicht durchschlagend erachtet und die Behandlung der vorliegenden Beschwerde unter Hinweis auf seine Vorjudikatur abgelehnt.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, man hätte ihm nicht die konsenslose Errichtung des Gebäudes anlasten dürfen, da ja die Baubewilligung für zwei getrennte Geschäfte vorhanden und lediglich eine Wand nicht eingezogen worden sei, verkennt er die Sach- und Rechtslage. Durch die Nichterrichtung der Trennwand zwischen den beiden selbständigen Geschäften entstand ein ganz anderes Gebäude als mit dem seinerzeitigen Bescheid bewilligt worden ist, nämlich ein Einkaufszentrum im Sinne des § 16b ROG, sodaß die belangte Behörde mit Recht davon ausgegangen ist, das ganze Gebäude sei als konsenslos zu betrachten. Zutreffend wurde daher der Sachverhalt dem Tatbestand des § 53 Abs. 1 lit. a BO unterstellt. Damit gehen alle jene Ausführungen des Beschwerdeführers, wessen er sich schuldig gemacht haben könnte, wenn eine Unterstellung des Sachverhaltes unter § 53 Abs. 1 lit. a BO nicht zutreffen sollte, ins Leere. Wenn der Beschwerdeführer ins Treffen führt, es hätte ja die Möglichkeit bestanden, die Trennwand zu errichten, so ist ihm entgegenzuhalten, daß dies eben nicht geschehen ist, vielmehr die Errichtung ohne diese Trennwand erfolgte und auch der Betrieb des Einkaufszentrums aufgenommen wurde. Es handelt sich im übrigen um eine Vorgangsweise, die das Unternehmen, wie dem Verwaltungsgerichtshof auch aus anderen Verfahren bekannt ist, mehrmals übte, allerdings in der irrigen Meinung, damit zwingendes Recht umgehen zu können.
Im Hinblick auf die Errichtung eines anderen als des bewilligten Gebäudes kann auch in dem Umstand, daß die belangte Behörde die ganze Errichtungszeit als Tatzeit angenommen hat, keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, sodaß den damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen des Beschwerdeführers keine entscheidungswesentliche Bedeutung beizumessen ist.
Mit dem Vorbringen, da der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen des OÖ. und des Stmk. Raumordnungsgesetzes betreffend Sonderflächen für Einkaufszentren im wesentlichen aufgehoben hätte, habe er darauf vertrauen können, daß dies auch in Ansehung des Tiroler Raumordnungsgesetzes der Fall sein würde, vermag der Beschwerdeführer nicht das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums darzutun. Stimmen doch die Regelungen der einzelnen Raumordnungsgesetze nicht überein und wäre es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, die Angelegenheit im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens, und zwar noch vor Beginn einer Bautätigkeit, der von ihm gewünschten Überprüfung zuzuführen.
An der Rechtslage vorbei gehen, wie die Aktenlage zeigt, die Ausführungen des Beschwerdeführers, in der er eine Verletzung des Parteiengehörs rügt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1979, Zl. 3175/79) wird selbst eine in erster Instanz tatsächlich unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs durch die Gewährung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren geheilt, was im Beschwerdefall auch geschehen ist. Auch hatte der Beschwerdeführer in der Berufung die Möglichkeit, alles zu seiner Verteidigung vorzubringen.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Parteiengehör RechtsmittelverfahrenParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelHeilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1988060127.X00Im RIS seit
25.10.1990Zuletzt aktualisiert am
10.05.2012