TE Vfgh Erkenntnis 1988/3/3 G226/87, G253/87, G254/87, G255/87, G256/87

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Veröffentlicht am 03.03.1988
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Index

27 Rechtspflege
27/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Rechtspraktikanten-AusbildungsbeitragsG, BGBl 374/1986 §3 Abs1

Leitsatz

Kürzung des Ausbildungsbeitrages nur für den Fall eines neben der Gerichtspraxis bestehenden Dienstverhältnisses zum Bund - Überschreiten der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; Aufhebung des §3 Abs1 als gleichheitswidrig

Spruch

§3 Abs1 des BG vom 2. Juli 1986, BGBl. Nr. 374, über den Ausbildungsbeitrag für Rechtspraktikanten (Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz) und über die Änderung des Gesetzes über die Gerichtspraxis der nicht im richterlichen Vorbereitungsdienste stehenden Rechtspraktikanten war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Beim VfGH sind zu den Zahlen B210/87, B585/87, B586/87, B889/87 und B1171/87 auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerden gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide des Bundesministers für Justiz anhängig, mit denen unter Berufung auf §3 des BG vom 2. Juli 1986, BGBl. Nr. 374, über den Ausbildungsbeitrag für Rechtspraktikanten

(Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz) und über die Änderung des Gesetzes über die Gerichtspraxis der nicht im richterlichen Vorbereitungsdienste stehenden Rechtspraktikanten im folgenden als Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz bezeichnet - der den nunmehrigen Bf. (Beschwerdeführerinnen) als Rechtspraktikanten monatlich gebührende Ausbildungsbeitrag in einer im Sinne dieser Vorschrift gekürzten Höhe festgesetzt wurde.

In den Beschwerden wird ausschließlich die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, insbesondere des §3 Abs1 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt. Die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Gesetzes wird in dessen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, näherhin in einem Verstoß gegen Art2 StGG, Art7 Abs1 B-VG, Art66 Abs1 und 2 sowie Art67 des Staatsvertrages von St. Germain und Art14 MRK gesehen.

b) Der Bundesminister für Justiz erstattete als bel. Beh. Gegenschriften, in denen er die Abweisung der Beschwerden beantragte. Den Sachverhalt stellte er jeweils außer Streit.

2.a) Aus Anlaß der Verfahren über diese Beschwerden hat der VfGH beschlossen, von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes zu prüfen. Der VfGH hat angenommen, daß die Beschwerden zulässig sind und daß er bei der Überprüfung der angefochtenen Bescheide die soeben erwähnte Bestimmung des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes anzuwenden hätte.

b) Die Paragraphen 1 bis 3 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes lauten:

"Ausbildungsbeitrag

§1. (1) Den gemäß §16 Abs1 des Gerichtsorganisationsgesetzes, RGBl. Nr. 217/1896, zur Gerichtspraxis zugelassenen Personen (Rechtspraktikanten) gebührt für die Dauer dieser Ausbildung ein Ausbildungsbeitrag.

(2) Durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und die Auszahlung eines Ausbildungsbeitrages wird kein Dienstverhältnis begründet.

Höhe des Ausbildungsbeitrages

§2. (1) Der Ausbildungsbeitrag beträgt für einen Kalendermonat 70 vH des monatlichen Gehalts eines Richteramtsanwärters einschließlich allfälliger Teuerungszulagen.

(2) Für je drei in der Gerichtspraxis zurückgelegte Kalendermonate gebührt eine Sonderzahlung in Höhe von 50 vH des Ausbildungsbeitrages gemäß Abs1 und der Haushaltszulage gemäß §4.

Kürzung und Entfall des Ausbildungsbeitrages

§3. (1) Einem Rechtspraktikanten, der neben der Gerichtspraxis in einem Dienstverhältnis zum Bund steht, gebührt der Ausbildungsbeitrag nur insoweit, als der Monatsbezug (Monatsentgelt) aus dem Dienstverhältnis und der monatliche Ausbildungsbeitrag zusammen den monatlichen Gehalt eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse III, Verwendungsgruppe A, nicht übersteigen; sinngemäß gilt dies auch für die Sonderzahlungen.

(2) . . ."

c) Der VfGH hat in den Beschlüssen über die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens seine Bedenken folgendermaßen begründet:

"Nach dem Wortlaut des §1 Abs2 RPBG wird durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und die Auszahlung eines Ausbildungsbeitrages - auf den nach dem ersten Absatz dieses Paragraphen ein Rechtsanspruch besteht - kein Dienstverhältnis begründet. Im Rahmen der Ausbildung hat der Rechtspraktikant eine Reihe von Pflichten zu beachten, so insbesondere die Einhaltung der Geschäftsstunden des Gerichts (siehe die Erläuternden Bemerkungen zum RPBG, 992 BlgNR XVI. GP, Seite 4 ff, insbesondere Seite 6 f). Wie immer man diese Situation aus dienstrechtlicher Sicht insgesamt beurteilen mag, gelangt man nach - vorläufiger Auffassung des VfGH zur Unvereinbarkeit der in §3 Abs1 getroffenen Regelung mit dem Sachlichkeitsgebot:

Wenn dem Ausbildungsbeitrag nicht der Charakter eines Entgelts für geleistete Arbeit, sondern der einer Unterstützung zukommen sollte, dann ist nicht einzusehen, warum auf die wirtschaftliche Lage des Rechtspraktikanten nur dann Bedacht genommen wird, wenn er Einkünfte aus einem Dienstverhältnis zum Bund bezieht. Sollte der Ausbildungsbeitrag aber doch ein Entgelt für geleistete Dienste darstellen, dann scheint das Vorhandensein anderer Einkünfte (noch dazu lediglich solcher aus einem Dienstverhältnis zum Bund) kein sachlicher Grund für die Kürzung des Ausbildungsbeitrages zu sein, zumal das RPBG (wie schon oben dargelegt) davon ausgeht, daß der Rechtspraktikant seinen Verpflichtungen aus dem Ausbildungsverhältnis in jedem Fall voll nachzukommen hat.

Der VfGH hegt daher gegen die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle das Bedenken, daß sie dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot des Art7 B-VG bzw. Art2 StGG widerstreitet."

b) Die Bundesregierung hat beschlossen, in den Gesetzesprüfungsverfahren von der Abgabe einer meritorischen Äußerung abzusehen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerden oder an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle entstehen ließe. Die bel. Beh. hat diese Gesetzesstelle angewendet und auch der VfGH hätte sie bei der Beurteilung der angefochtenen Bescheide anzuwenden. Die Prozeßvoraussetzungen sind daher gegeben; das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

2. Das Institut der Gerichtspraxis, die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten der zur Gerichtspraxis zugelassenen Personen (Rechtspraktikanten) und die Befugnisse der Justizbehörden gegenüber den Rechtspraktikanten waren zur Zeit der Erlassung der angefochtenen Bescheide im Gesetz vom 24. Dezember 1910, RGBl. 1/1911, über die Gerichtspraxis der nicht im richterlichen Vorbereitungsdienste stehenden Rechtspraktikanten, in der V des Justizministers vom 8. Jänner 1911, RGBl. 5, zum Vollzuge dieses Gesetzes sowie in den §§16 und 17 des Gesetzes vom 27. November 1896, RGBl. 217, womit Vorschriften über die Besetzung, innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassen werden (Gerichtsorganisationsgesetz - GOG), geregelt. Diese Vorschriften traten gemäß §2 iVm §3 Z1 und §5 Abs3 des Gesetzes vom 3. Juli 1945, StGBl. 47 (GOG 1945) wieder in Kraft. Sie wurden durch das BG vom 15. Dezember 1987, BGBl. 644, über die Gerichtspraxis der Rechtspraktikanten (Rechtspraktikantengesetz RPG) mit Ablauf des 31. Dezember 1987 außer Kraft gesetzt.

Bereits vor dem Inkrafttreten des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes war das Rechtsverhältnis der Rechtspraktikanten zum Bund ein öfffentlich-rechtliches (VfSlg. 10607/1985 und VfSlg. 11205/2987). Die Gewährung von Unterstützungsbeiträgen an Rechtspraktikanten war damals gesetzlich nicht vorgesehen. Unterstützungsbeiträge wurden ausschließlich auf Grund von Erlässen gewährt, zuletzt auf Grund des - wiederholt geänderten Erlasses des Bundesministers für Justiz vom 25. August 1960, JMZ 4260/60. Nachdem dieser Erlaß durch das erstzitierte Erkenntnis des VfGH als Rechtsverordnung gewertet und mit Wirkung vom 30. September 1986 wegen nicht gesetzmäßiger Kundmachung und wegen Fehlens einer gesetzlichen Grundlage als gesetzwidrig aufgehoben worden war, unternahm es der Gesetzgeber, mit dem Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz die nach Art18 B-VG erforderliche gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Unterstützungsbeiträgen an Rechtspraktikanten zu schaffen. Der Gesetzgeber war dabei von der Absicht geleitet, an die durch die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes klargestellte Rechtslage anzuknüpfen (RV 992 BlgNR XVI. GP, S. 6). Der VwGH hatte bereits im Erkenntnis VwSlg. 3530 A/1954 ausgeführt, daß durch die Zulassung zur Gerichtspraxis nicht ein Dienstverhältnis, sondern ein (dem öffentlichen Recht angehörendes) Ausbildungsverhältnis begründet wird. Diese Auffassung gründete sich auf Vorschriften des Gesetzes RGBl. 1/1911 und der V RGBl. 5/1911.

Das Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz - das seinem ArtIII Z2 zufolge mit 1. Oktober 1986 in Kraft getreten war und mit Ablauf des 31. Dezember 1987 außer Kraft getreten ist - gewährte den Rechtspraktikanten einen Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsbeitrag (§1 Abs1). Diese Bezeichnung trat an die Stelle des früher verwendeten Ausdruckes "Unterstützungsbeitrag" (siehe dazu die Erläuterungen zu §2 der RV 992 BlgNR XVI. GP). §1 Abs2 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes bestimmte - im Einklang mit der früheren Rechtslage ausdrücklich, daß durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und die Auszahlung des Ausbildungsbeitrages kein Dienstverhältnis begründet wird. Nach wie vor wurde darin ein Ausbildungsverhältnis gesehen. Dies ungeachtet dessen, daß der Rechtspraktikant im Rahmen seines Ausbildungsverhältnisses eine Reihe von Pflichten zu erfüllen hatte, die sich insbesondere aus §16 GOG und aus der V RGBl. 5/1911 ergaben, insbesondere etwa die Pflicht zur grundsätzlichen Einhaltung der Geschäftsstunden des Gerichtes (§8 erster Satz der eben zitierten Verordnung).

Angesichts des Vorliegens eines Ausbildungsverhältnisses wurde der Ausbildungsbeitrag nicht als ein Entgelt für geleistete Arbeit, sondern als eine Beihilfe für Zwecke der Ausbildung angesehen (so etwa VwSlg. 633 F/1952).

Nur steuerrechtlich wurde der Ausbildungsbeitrag als Arbeitslohn behandelt (§47 Abs3 Einkommensteuergesetz 1972 EStG 1972). So hat der VwGH in seinem Erkenntnis v. 23. März 1983, 82/13/0063, das zwischen dem Bund und einem Rechtspraktikanten bestehende Rechtsverhältnis zwar in steuerrechtlicher Hinsicht als Dienstverhältnis im Sinne des §47 Abs3 EStG 1972 gewertet, gleichzeitig aber den Ausbildungszweck als "unbestritten im Vordergrund stehend" angesehen.

3. Nach §3 Abs1 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes gebührte einem Rechtspraktikanten, der neben der Gerichtspraxis in einem Dienstverhältnis zum Bund stand, der Ausbildungsbeitrag nur insoweit, als der Monatsbezug (das Monatsentgelt) aus dem Dienstverhältnis und der monatliche Ausbildungsbeitrag zusammen das monatliche Gehalt eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse III, Verwendungsgruppe A, nicht überstiegen. Diese Regelung galt sinngemäß auch für Sonderzahlungen.

Mit dieser Regelung wurde eine Differenzierung geschaffen zwischen Rechtspraktikanten, die aus einem Dienstverhältnis zum Bund ein zusätzliches Einkommen bezogen, und Rechtspraktikanten, die über ein solches Einkommen aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu einem anderen Dienstgeber als dem Bund oder überhaupt außerhalb eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses verfügten.

Der Gleichheitsgrundsatz verbietet es dem Gesetzgeber, sachlich nicht begründbare Differenzierungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 10624/1985).

Der VfGH vermag keinen hinreichenden Grund zu erkennen, der die hier in Rede stehende unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen von Rechtspraktikanten durch den Gesetzgeber sachlich hinreichend hätte rechtfertigen können. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Kürzung des Ausbildungsbeitrages wegen geringerer Bedürftigkeit sachlich gerechtfertigt war, kann es nicht darauf ankommen, ob der Rechtspraktikant ein zusätzliches Einkommen aus einem Dienstverhältnis zum Bund oder etwa aus einem sonstigen Dienstoder Arbeitsverhältnis erzielte. Sollte der Rechtspraktikant angesichts seiner gesetzlichen Verpflichtung, die Geschäftsstunden des Gerichtes einzuhalten, außerstande gewesen sein, den ihm aus einem Dienstverhältnis zum Bund erwachsenden dienstlichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen, so durfte dies nur zu einer entsprechenden Kürzung des ihm aus diesem Dienstverhältnis zustehenden Bezuges oder Entgeltes führen, nicht aber zu einer Kürzung des Ausbildungsbeitrages, welche die über ein sonstiges Erwerbseinkommen verfügenden Rechtspraktikanten nicht zu gewärtigen hatten. Es konnte daher die vorgeschriebene Kürzung des Ausbildungsbeitrages nicht, wie die Erläuterungen zu §3 der RV dies versuchen, mit dem Ziel gerechtfertigt werden, dadurch zu bewirken, daß der finanzielle Anreiz, neben der Gerichtspraxis noch ein Einkommen aus einem Dienstverhältnis zu erzielen, nur in einem solchen Ausmaß besteht, als die Erbringung von Dienstleistungen außerhalb der Geschäftsstunden des Gerichtes vertretbar erscheint.

Auch der weitere in den Erläuterungen zu §3 der RV enthaltene Hinweis, anderen Dienstgebern (als dem Bund) bleibe es unbenommen, die Bezüge eines Rechtspraktikanten aus einem allfälligen Dienstverhältnis für die Dauer der Gerichtspraxis entsprechend zu kürzen bzw. einzustellen, vermochte nach dem Dargelegten die in Prüfung gezogene Regelung nicht zu rechtfertigen: Sie sah nämlich nicht eine - einer allfälligen Minderleistung entsprechende - Kürzung der aus dem Dienstverhältnis (zum Bund) gebührenden Bezüge, sondern eine Kürzung des Ausbildungsbeitrages, und diese nur für den Fall vor, daß daneben ein Anspruch auf Dienstbezüge gegenüber dem Bund bestand, die zusammen mit dem Ausbildungsbeitrag eine bestimmte Grenze überstiegen.

Im übrigen konnte die in Prüfung gezogene Regelung auch nicht mit dem Hinweis sachlich gerechtfertigt werden, daß die Ermittlung von Gehältern oder Löhnen, die von anderen Dienstbzw. Arbeitgebern als dem Bund ausbezahlt werden, einen erheblich höheren Verwaltungsaufwand erfordern würde. Verwaltungsökonomische Überlegungen sind zwar bei der Prüfung der Sachlichkeit einer gesetzlichen Regelung mit einzubeziehen, derartige Überlegungen rechtfertigen aber nicht jede Art der Regelung, sondern müssen in einem angemessenen Verhältnis zu der damit in Kauf genommenen differenzierenden Behandlung ihrer Adressaten stehen (vgl. zB VfSlg. 8871/1980). In Fällen der hier in Rede stehenden Art kommt einem allfälligen höheren Verwaltungsaufwand keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Es ist überdies beispielsweise nicht zu erkennen, warum etwa die Ermittlung von Bezügen, die von einem Land oder von einer Gemeinde ausbezahlt werden, einen hier ins Gewicht fallenden höheren Verwaltungsaufwand erfordern sollte als die Ermittlung von Bezügen, die auf Grund eines Dienstverhältnisses zum Bund gebühren.

Es liegt durchaus im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und verstößt daher nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, eine Regelung zu treffen, wonach der dem Rechtspraktikanten zustehende Ausbildungsbeitrag mangels Bedürftigkeit des Empfängers dann entsprechend zu kürzen ist, wenn der Ausbildungsbeitrag und das sonstige Einkommen des Rechtspraktikanten zusammen eine bestimmte - angemessen festgesetzte - Obergrenze übersteigen. Die dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz gezogene Schranke ist jedoch überschritten, wenn eine Kürzung des Ausbildungsbeitrages aus diesem Grund nur für den Fall vorgesehen wird, daß der Rechtspraktikant ein zusätzliches Einkommen aus einem Dienstverhältnis zum Bund bezieht.

Das Ergebnis ist kein anderes, wenn man die Auffassung vertritt, daß durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und die Auszahlung eines Ausbildungsbeitrages nicht ein Ausbildungs-, sondern ein Dienstverhältnis begründet wurde, der Ausbildungsbeitrag daher nicht eine Beihilfe, sondern ein Entgelt für geleistete Arbeit war. Auch unter dieser Annahme gab es aus den dargelegten Erwägungen keinen sachlichen Grund dafür, das Entgelt des Rechtspraktikanten allein deshalb zu kürzen, weil diesem daneben Bezüge aus einem gleichzeitig bestehenden weiteren Dienstverhältnis zum Bund gebührten.

4. Zusammenfassend ergibt sich, daß die in Prüfung gezogene Regelung sachlich nicht gerechtfertigt war. Es war daher, da sie in der Zwischenzeit außer Kraft getreten ist, gemäß Art140 Abs4 B-VG auszusprechen, daß §3 Abs1 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes wegen Verstoßes gegen Art7 Abs1 B-VG verfassungswidrig war.

Die Verpflichtung zur Kundmachung dieses Ausspruches ergibt sich aus Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtspraktikanten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:G226.1987

Dokumentnummer

JFT_10119697_87G00226_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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