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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Der Gesetzgeber kann das Inkrafttreten einer (neuen) gesetzlichen Regelung an die Erlassung einer ausreichend determinierten, das Gesetz näher konkretisierenden Verordnung knüpfen - kein Widerspruch zum Prinzip der Gewaltentrennung; eine als Übergangsregelung tolerierbare Rechtslage wird mit dem Verstreichen der höchst zulässigen Übergangsfrist verfassungswidrig LebensmittelG; Nichterlassung der nach §12 Abs1 vorgesehenen Verordnung verhindert Eintritt einer für Dauer geeigneten Rechtslage - Unsachlichkeit des vom Gesetzgeber gewählten Systems der verwaltungsbehördlichen Prüfung der Gefährlichkeit von Süßstoffen als Zusatzstoffe; Verfassungswidrigkeit jener Vorschriften, die das Inkrafttreten der §§11 und 12 Abs2 und 3 für künstliche Süßstoffe hemmenSpruch
Im Lebensmittelgesetz 1975, BGBl. Nr. 86, werden als verfassungswidrig aufgehoben:
a)
in §76 litb Z2 die Wortfolge "§§3 und 6, und bezüglich 'Dulcin' der §5 der";
b)
in §78 litb die Wortfolge "V über den Verkehr
mit Süßstoff vom 27. Februar 1939, DRGBl. I., S. 336, unbeschadet des §76 litb Z. 2 und",
c) in §81 Abs3 lita die Worte "künstlicher Süßstoffe,".
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1989 in Kraft.
Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Im übrigen werden die Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Zulassung künstlicher Süßstoffe als Zusatzstoffe.
1. Bis zum Inkrafttreten des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86 (LMG), war der Verkehr mit (künstlich gewonnenen) Süßstoffen durch das Süßstoffgesetz vom 1. Feber 1939, DRGBl. I.
S 111 (GBlÖ 188/1939), geregelt. Danach konnte die Reichsregierung den Absatz, den Vertrieb und die Verwendung von Süßstoff Beschränkungen unterwerfen und gegen Zuwiderhandlungen Strafen androhen (§13). Die auf diese Gesetzesstelle gestützte
V des Reichsministers des Inneren und des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft vom 27. Feber 1939, DRGBl. I S 336 (GBlÖ 298/1939), über den Verkehr mit Süßstoff, enthält Beschränkungen für den Verkehr mit Benzoesäuresulfinid (Saccharin, §2) und Dulcin (§3), verbietet in §4,
Lebensmitteln und Arzneimitteln bei ihrer gewerblichen Herstellung Süßstoff zuzusetzen (Nr. 1) und süßstoffhaltige Lebensmittel oder Arzneimittel anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen (Nr. 2), erlaubt in §5 jedoch die Verwendung von Benzoesäuresulfinid und Dulcin zu gewerblicher Herstellung näher bezeichneter Lebens- und Arzneimittel (darunter auch Kautabak und Kaugummi; Nr. 5), beschränkt die zulässige Menge (§6) und schreibt die Anbringung von Hinweisen vor (§7); §8 enthält eine Strafbestimmung.
Soweit sie noch in Geltung standen, wurden sowohl die Bestimmungen des Süßstoffgesetzes wie auch die §§3 und 6 und bezüglich "Dulcin" der §5 der Süßstoffverordnung mit Inkrafttreten des LMG 1975 aufgehoben (§76 litb Z1 und 2). Im übrigen soll die Süßstoffverordnung nach §78 litb LMG 1975 mit dem Inkrafttreten einer ihren Gegenstand regelnden V aufgrund dieses Gesetzes außer Kraft treten.
Das LMG 1975 verbietet in §11
"a) nicht zugelassene oder den Zulassungsbedingungen nicht entsprechende Zusatzstoffe für die Verwendung bei Lebensmitteln oder Verzehrprodukten in Verkehr zu bringen;
b) Lebensmittel oder Verzehrprodukte mit nicht zugelassenen, den Zulassungsbedingungen nicht entsprechenden oder mit unerlaubten Mengen von Zusatzstoffen in Verkehr zu bringen."
§12 LMG 1975 sieht jedoch folgende Ausnahmen vor:
"(1) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat, wenn das mit der Sicherung einer einwandfreien Nahrung und mit dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung und Täuschung vereinbar ist, unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Technologie nach Anhören der Codexkomission mit Verordnung
a) Zusatzstoffe allgemein, für Gruppen von Lebensmitteln oder Verzehrprodukten oder für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte zuzulassen, Bedingungen für ihre Verwendung anzugeben und die Reinheitsanforderungen für solche Zusatzstoffe festzulegen;
b) Höchstmengen oder Restmengen zugelassener Zusatzstoffe für Lebensmittel oder Verzehrprodukte festzulegen;
c) zu bestimmen, daß bestimmte Zusatzstoffe den Vorschriften für Lebensmittel unterliegen.
(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat, wenn das mit der Sicherung einer einwandfreien Nahrung und mit dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung und Täuschung vereinbar ist, unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technologie auf Antrag nicht zugelassene Zusatzstoffe mit Bescheid zuzulassen, Bedingungen für ihre Verwendung anzugeben, den erforderlichen Reinheitsgrad vorzuschreiben und die erlaubten Höchstmengen oder Restmengen in Lebensmitteln oder Verzehrprodukten festzulegen und gleichtzeitig zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Verwendung dieser Zusatzstoffe zu deklarieren ist.
(3) Der Bescheid ist zu befristen, wobei die Befristung drei Jahre, im Falle der Zulassung einer Vitaminisierung oder einer sonstigen Anreicherung mit Wirkstoffen jedoch fünf Jahre, nicht übersteigen darf. Er ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Zulassung nicht mehr gegeben sind. Mit dem Antrag auf Zulassung hat der Antragsteller alle Unterlagen vorzulegen,die eine Beurteilung des Zusatzstoffes ermöglichen."
Für künstliche Süßstoffe enthält das Gesetz besondere Übergangs- und Schlußbestimmungen (in Prüfung gezogene Teile hervorgehoben):
"§76. Mit dem Inkrafttreten dieses BG treten außer Kraft:
. . .
b) Nachstehende Vorschriften, soweit sie noch in Geltung stehen:
2. die §§3 und 6, und bezüglich 'Dulcin' der §5 der V
über den Verkehr mit Süßstoff vom 27. Februar 1939,
DRGBl. I, S. 336;
. . .";
"§78. Folgende
Vorschriften treten mit dem Inkrafttreten von ihren Gegenstand regelnden Verordnungen auf Grund dieses BG außer Kraft:
b) Verordnungen über den Verkehr mit Süßstoff vom
27. Februar 1939, DRGBl. I, S. 336, unbeschadet des §76
litb Z. 2, und die V vom 8. Feber 1939,
RMBl. S. 139.";
"§81. . . .
(3) Nachstehende
Vorschriften dieses BG treten erst mit dem Wirksamwerden der angeführten Verordnungen, die spätestens bis 30. Juni 1978 zu erlassen sind, in Kraft:
a)
Die Bestimmungen der §§11 und 12 Abs2 und 3 hinsichtlich Konservantien, Farbstoffe, Antioxydantien, Geruchs- und Geschmacksstoffe einschließlich der Lösungsmittel, hinsichtlich der Emulgatoren, Stabilisatoren und Verdickungsmittel, künstlicher Süßstoffe, Vitamine, Enzym-Präparate, hinsichtlich der allgemein (§12 Abs1 lita) als zulässig geltenden Zusatzstoffe sowie der sonstigen Zusatzstoffe durch Katalogisierung der Stoffe in einer der angeführten Gruppen sowie Aufzählung der Lebensmittel, bei denen
sie
verwendet werden dürfen und der hiefür maßgebenden Bedingungen, mit V nach §12 Abs1;
. . .".
Eine solche V hinsichtlich künstlicher Süßstoffe ist bisher nicht ergangen.
2. Beim VfGH sind zu B617/85 sowie zu B 657, 812-816, 828/85 und B615/87 Beschwerden gegen Bescheide des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers anhängig, die Anträge auf Zulassung des Süßstoffes Aspartame zu einem Kaugummi-Produkt und der Süßstoffe Aspartame und Cyklamat für alkoholfreie Erfrischungsgetränke als unzulässig zurückweisen. Dies wird damit begründet, daß die für die Erledigung dieser Anträge maßgeblichen Bestimmungen des LMG (§§11 und 12 Abs2 und 3) aufgrund der Übergangsbestimmungen für Süßstoffe erst mit dem Wirksamwerden einer
V nach §12 Abs1 dieses Gesetzes in Kraft treten; eine solche V sei aber noch nicht erlassen worden.
II. Aus Anlaß dieser Beschwerdeverfahren hat der VfGH von Amts wegen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der oben hervorgehobenen Teile der Übergangs- und Schlußbestimmungen beschlossen.
1. Er hat seine Bedenken wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz wie folgt dargelegt:
"Da eine den Gegenstand der SüßstoffVO 1939 regelnde V aufgrund des LMG 1975 bisher nicht ergangen ist, scheint die SüßstoffVO 1939 mit Ausnahme hier nicht in Betracht kommender Teile (§76 litb Z2 LMG 1975) in Kraft geblieben zu sein (§78 litb), und zwar wegen der weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des SüßstoffG als Monopol- und Steuergesetz inhaltlich bestimmbaren Ermächtigung des §13 SüßstoffG auf der Stufe eines BG. Das darin enthaltene Verbot des Zusetzens von Süßstoff und des Verkehrs mit süßstoffhaltigen Lebensmitteln (§4 - Ausnahmen nur für Sacharin -) scheint also aufrecht zu sein. Mangels Erlassung einer V nach dem LMG 1975 dürften aber auch die §§11 und 12 Abs2 und 3 'hinsichtlich künstlicher Süßstoffe' noch nicht wirksam geworden sein (§81 Abs3 lita). Der Gerichtshof nimmt daher vorläufig an, daß nach der gegenwärtigen Rechtslage künstlicher Süßstoff Lebensmitten nur zugesetzt und süßstoffhaltige Lebensmittel nur angeboten, zum Verkauf vorrätig gehalten, feilgehalten, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht werden dürfen, soweit es sich um die Verwendung von Sacharin bei Herstellung der in §5 der V genannten Erzeugnisse handelt, daß aber das Verbot der Verwendung sonstiger künstlicher Süßstoffe (einschließlich des Dulcin, dessen Ausnahme durch §76 litb Z2 aufgehoben wurde) auch durch bescheidmäßige Ausnahmebewilligung nicht durchbrochen werden kann.
Gegen eine derart rigorose Beschränkung der Verwendung künstlicher Süßstoffe hat der VfGH das Bedenken, daß sie insbesondere im Verhältnis zu anderen, nicht weniger gefährlichen Zusatzstoffen (§4 LMG 1975) sachlich nicht gerechtfertigt ist:
a) Daß Vorschriften eines neuen Gesetzes erst dann wirksam werden sollen, wenn die zu dessen unmittelbarer Anwendung als nötig angesehenen Verordnungen erlassen worden sind, hat der VfGH in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht bedenklich gefunden. Von dieser Auffassung geht der VfGH auch hier aus. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Technik schließt allerdings nicht aus, daß sie im Einzelfall mit ihren Voraussetzungen oder Folgen im Widerspruch zur Verfassung gerät. So wurde etwa in VfSlg. 6421/1971 eine gesetzliche Bestimmung aufgehoben, weil die einschlägige Verordnungsermächtigung nicht ausreichend bestimmt war. Ebenso kann - wie hier - die sachliche Rechtfertigung einer solchen Regelung zweifelhaft sein.
Das System der §§11 und 12 LMG 1975 zeigt nämlich, daß es mit der Sicherung einer einwandfreien Nahrung und dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung und Täuschung ganz allgemein vereinbar ist (§12 Abs1), Zusatzstoffe zuzulassen und Bedingungen für ihre Verwendung anzugeben oder die Reinheitsanforderungen festzulegen (lita) oder Höchstmengen oder Restmengen festzulegen (litb), wobei diese Zulassung nicht nur generell durch V, sondern auch im Einzelfall durch Bescheid ausgesprochen werden kann (§12 Abs2 und 3). §81 Abs3 lita LMG 1975 sieht zwar für die dort genannten Zusatzstoffe die Möglichkeit einer bescheidmäßigen Zulassung im Einzelfall erst dann vor, wenn generelle Zulassungsbedingungen ausformuliert sind. Angesichts der raschen Veränderungen, denen sowohl die Möglichkeiten der Herstellung von Zusatzstoffen als auch die Erkenntnisse über die Auswirkungen ihrer Verwendung unterliegen, und mit Rücksicht auf die möglicherweise schwerwiegenden Folgen einer Zulassung hält der Gerichtshof es aber für unbedenklich, wenn der Verwaltung ein gewisser Zeitraum eingeräumt wird, innerhalb dessen noch keine Entscheidung im Einzelfall getroffen werden muß.
b) Nach fruchtlosem Ablauf der angemessenen Frist scheint das durch §81 Abs3 lita LMG 1975 für die dort genannten Zusatzstoffe geschaffene System aber zu einem verfassungsrechtlich nicht mehr haltbaren Zustand zu führen. Der Umgang mit künstlichen Süßstoffen scheint dann nämlich wegen des Fehlens jeglicher Möglichkeit einer - auch nur im Einzelfall durch Bescheid auszusprechenden - Zulassung von Zusatzstoffen (neben Sacharin) stärker beschränkt zu sein, als dies sachlicherweise vertretbar ist. Zumindest kann der VfGH vorläufig keinen Grund dafür erkennen, daß die Überprüfung eines Zusatzstoffes auf seine Zulassungsfähigkeit von vornherein verweigert wird.
Es scheint, daß der Eintritt dieses Zustandes nicht nur dem säumigen Verordnungsgeber, sondern auch dem Gesetz selbst zur Last fällt, das diesen Zustand herbeiführt. Indem es das Inkrafttreten der für seine Verfassungsmäßigkeit wesentlichen Vorschriften an die Schaffung bestimmter Voraussetzungen durch den Verordnungsgeber knüpft, dürfte es auch seine Verfassungsmäßigkeit von der rechtzeitigen Schaffung dieser Voraussetzungen abhängig gemacht haben. Der Gerichtshof nimmt vorläufig nicht an, daß die Überschreitung der im Gesetz selbst vorgesehenen Frist (von drei Jahren) zur Erlassung der Verordnungen als solche Auswirkungen auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hat. Es scheint vielmehr die überlange Dauer einer verfassungsrechtlich nur als Übergang tolerierbaren Rechtslage mit der Verfassung in Widerspruch zu stehen. Daß im Jahre 1985 die einem berechtigten Anliegen des Gesetzgebers von 1975 entsprechende Frist längst überschritten ist, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner näheren Begründung."
Die Verantwortung der Gegenschrift, das Fehlen der V in Ansehung künstlicher Süßstoffe habe
"... seine Ursache in der allgemein bekannten, noch nicht abgeschlossenen und weltweit geführten Fachdiskussion über die künstlichen Süßstoffe im allgemeinen und deren bekannteste Vertreter im besondern (Verdacht auf Cancerogenität) und der Minister dürfe daher nach seinem derzeitigen Wissensstand aus fachlichen Erwägungen eine V gar nicht erlassen,"
scheine schon daran zu scheitern, daß auch das geltende Recht in §5 SüßstoffVO eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung künstlicher Süßstoffe (nämlich Saccharin) kennt. Eben diese Ausnahme käme offenbar selbst dann als Inhalt einer - die Anwendbarkeit der §§11 und 12 Abs2 (und 3) auslösenden - V im Sinne des §12 Abs1 LMG 1975 in Betracht, wenn nach derzeitigem Kenntnisstand sonst kein Süßstoff generell zugelassen werden könnte. Es scheine daher, daß der Erlassung einer V nichts im Wege steht.
Die Unanwendbarkeit des §12 Abs2 und 3 LMG 1975 scheine folglich dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes zu widersprechen.
Sitz dieser Verfassungswidrigkeit seien die Übergangsund Schlußbestimmungen:
"Diese Unanwendbarkeit scheint die Folge des §81 Abs3 lita LMG 1975 zu sein, dessen Worte 'künstlicher Süßstoffe,' im vorliegenden Beschwerdefall als präjudiziell in Betracht kommen, gleichzeitig aber die allfällige Verfassungswidrigkeit aus seinem Blickwinkel zu erschöpfen scheinen. Es sind daher diese Worte in Prüfung zu ziehen.
Mit §81 Abs3 lita steht jedoch auch §78 litb LMG 1975 in engem Zusammenhang. Unabhängig vom Inkrafttreten der §§11 und 12 Abs2 (und 3) tritt nach dieser Bestimmung die SüßstoffVO 1939 - und damit das kategorische Verbot der Verwendung künstlicher Zusatzstoffe auf Gesetzesstufe gleichfalls erst mit Inkrafttreten von ihren Gegenstand regelnden Verordnungen außer Kraft. Die Aufhebung der einschlägigen Worte in §81 Abs3 lita allein scheint daher ungeachtet der daraus folgenden Anwendbarkeit der §§11 und 12 Abs2 (und 3) am Fortbestand der gesetzlichen Schranke gegen jegliche Zulassung von künstlichem Süßstoff neben Sacharin nichts zu ändern. Es sind daher auch der Eingangssatz und die Worte 'V über den Verkehr mit Süßstoff vom 27. Februar 1939, DRGBl. I, S. 336, unbeschadet des §76 litb Z. 2' in §78 litb LMG 1975 in Prüfung zu ziehen.
§78 litb steht schließlich mit §76 litb Z2 derart in Verbindung, daß bei seinem Wegfall zweifelhaft würde, ob aus dessen Bestimmung nicht (e contrario) die Weitergeltung der von der Aufhebung ausgenommenen Teile der SüßstoffVO 1939 geschlossen werden müßte. Die Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage scheint daher auch eine Beseitigung der in der Wortfolge '§§3 und 6, und bezüglich 'Dulcin' der §5 der' liegenden Einschränkung des Außerkrafttretens zu fordern. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist folglich auch darauf zu erstrecken.
Die möglicherweise gleichfalls präjudizielle und verfassungsrechtlich bedenkliche Verbotsnorm des §4 SüßstoffVO 1939 zu prüfen zieht der Gerichtshof im Hinblick darauf nicht in Erwägung, daß ihre Beseitigung ohne gleichzeitiges Inkrafttreten des entsprechenden Regelungskomplexes des LMG 1975 offenkundig ein wesentlich stärkerer Eingriff in die Rechtslage wäre als der Wegfall der einschlägigen Übergangsvorschriften des LMG 1975."
2. Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der Rechtslage durch den VfGH, verteidigt jedoch die Sachlichkeit des Ergebnisses:
"Künstliche Süßstoffe lassen sich nämlich fachlich mit keiner anderen Zusatzstoffgruppe - Konservantien, Farbstoffe, Antioxidantien, Geruchs- und Geschmackstoffe einschließlich der Lösungsmittel, Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungsmittel, Vitamine und Enzym-Präparate - vergleichen, weil die 'Gefährlichkeit' der künstlichen Süßstoffe weit höher einzustufen ist. Daraus folgt jedoch, daß im Hinblick auf die mögliche besondere Gesundheitsschädlichkeit künstlicher Süßstoffe eine vom VfGH offenkundig geforderte, auf §12 Abs1 zu stützende und damit die Rechtslage im Sinne der §§78 litb und 81 Abs3 lit. a LMG 1975 bereinigende 'Süßstoffverordnung' nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft aus fachlichen Erwägungen gar nicht erlassen werden dürfte! Dies deshalb, weil die Verordnungsermächtigung des §12 Abs1 LMG 1975 ausdrücklich bestimmt, daß eine Zusatzstoffverordnung über künstliche Süßstoffe für Lebensmittel oder Verzehrprodukte 'unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Technologie' nur dann zu erlassen ist, 'wenn das mit der Sicherung einer einwandfreien Nahrung und mit dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung und Täuschung vereinbar ist'. An dem in Fachkreisen unbestrittenen Umstand, daß die von §12 Abs1 LMG 1975 geforderten Voraussetzungen für die Erlassung einer 'Süßstoffverordnung' im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfüllt sind, vermag auch die in §81 Abs3 LMG 1975 enthaltene, in erster Linie wohl legistisch motivierte Fristsetzung nichts zu ändern. Diese Fristsetzung kann nämlich keinesfalls jene fachlichen Gründe - Verdacht der Cancerogenität der künstlichen Süßstoffe im allgemeinen -, die der Erlassung einer 'Süßstoffverordnung' gemäß §12 Abs1 LMG 1975 entgegenstehen, entkräften."
Ein allfälliger Mangel falle nicht dem Gesetzgeber zur Last:
"Die Annahme, daß die überlange Dauer einer verfassungsrechtlich nur als Übergang tolerierbaren Rechtslage mit der Verfassung in Widerspruch zu stehen scheine, beinhaltet nämlich zugleich den Vorwurf an den Gesetzgeber, er hätte verfassungswidriger Weise eine bestimmte, zunächst als Übergangsregelung geplante Rechtslage zu lange toleriert. Ein solcher Vorwurf bedeutet aber im Ergebnis, daß dem Gesetzgeber ein bestimmtes Unterlassen, nämlich das Nichterlassen einer anstelle einer V tretenden gesetzlichen Regelung vorgeworfen wird. In diesem Zusammenhang erachtet es die Bundesregierung lediglich für erforderlich, auf die vom VfGH in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung hinzuweisen, daß ein Unterlassen des Gesetzgebers nicht Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung sein könne (vgl. etwa VfSlg. 3744/1960, 4213/1962, 5169/1965, 7407/1974).
Im übrigen scheint die Annahme, die überlange Dauer einer verfassungsrechtlich nur als Übergang tolerierbaren Rechtslage könne zur Verfassungswidrigkeit des betreffenden Gesetzes führen, doch darauf hinauszulaufen, daß die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes unter bestimmten, im vorliegenden Zusammenhang zutreffenden Voraussetzungen von der Erlassung einer V abhängt. Dies ist allein daraus ersichtlich, daß im Falle der Erlassung einer V selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen und damit der verfassungswidrige Zustand an sich, und zwar offenbar rückwirkend, behoben wäre. Hängt aber die Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung davon ab, ob eine V erlassen oder nicht erlassen wurde bzw. wird, so gerät diese Auffassung in offenen Widerspruch zu der vom VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 8444/1978 getroffenen Feststellung, wonach 'aus der Nichterlassung einer V niemals die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes folgen kann'."
III. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden und an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Übergangs- und Schlußbestimmungen zweifeln ließe.
IV. Die Bedenken des Gerichtshofs sind begründet. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen verstoßen gegen den Gleichheitssatz.
1. Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von der seiner bisherigen Rechtsprechung zugrundeliegenden Auffassung abzugehen, daß das Außerkrafttreten eines Gesetzes vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses abhängig gemacht werden darf (VfSlg. 2705/1954 zu §22 GelegenheitsverkehrsG), und daß dieses Ereignis auch die Erlassung einer bestimmten V durch die dazu berufene Behörde sein kann (vgl. zB VfSlg. 8860/1980 iVm 8695/1979 zu §33 ArbeitnehmerschutzG). Wohl hat der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 9419/1982 (zu §90 AbgabenEO) betont, daß der Gesetzgeber die Anordnung des Inkrafttretens eines Gesetzes nicht einfach undeterminiert einem Verwaltungsorgan überlassen darf. Er sieht aber kein Hindernis dagegen, daß das Inkrafttreten - wie dies hier offenkundig der Fall ist - an die gesetzlich angeordnete Erlassung einer ausreichend determinierten, das Gesetz näher konkretisierenden
V geknüpft wird. Den in der Literatur geäußerten Bedenken (vgl. jüngst Kriegner, Kann die Verwaltungsbehörde Gesetze aufheben? ÖJZ 1987, 481 ff) schließt sich der Gerichtshof insoweit nicht an. Sie vernachlässigen die Tatsache, daß die Schaffung einer vom Gesetz geforderten Voraussetzung für sein Inkrafttreten als Vollziehung dieses Gesetzes Pflicht der Verwaltung ist. Das Prinzip der Gewaltentrennung darf nicht derart verstanden werden, daß das Bestreben des Gesetzgebers, ein Gesetz nur gemeinsam mit der zu erlassenden Durchführungsverordnung in Kraft treten zu lassen, erst durch umständliche Verfahren verwirklicht werden könnte.
2. Die Meinung der Bundesregierung, der Vorwurf einer überlangen Dauer einer verfassungsrechtlich nur als Übergangsregelung tolerierbaren Rechtslage richte sich gegen ein bloßes Unterlassen des Gesetzgebers und könne daher nicht aufgegriffen werden, teilt der VfGH nicht. Ist eine Regelung nur als vorübergehende hinzunehmen, so wird sie eben mit dem Verstreichen der höchstzulässigen Übergangsfrist verfassungswidrig. Auch die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes wegen Änderung der Umstände ist nicht die Auswirkung eines Untätigbleibens des Gesetzgebers, sondern die Folge des unveränderten Fortbestandes des Gesetzes (einer Rechtslage, die der Gesetzgeber freilich wie jede Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung oder entsprechende Abänderung der Norm beseitigen könnte). Den im Prüfungsbeschluß dargelegten Bedenken kann daher nicht schon mit dem Hinweis darauf der Boden entzogen werden, daß es dem VfGH verwehrt sei, gegen die Untätigkeit des Gesetzgebers einzuschreiten.
Soweit die Bundesregierung dem Prüfungsbeschluß die aus dem Erkenntnis VfSlg. 8444/1978 entnommene Aussage entgegenhält, daß "aus der Nichterlassung einer V niemals eine Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes folgen kann", reißt sie die Formulierung des Gerichtshofs aus dem Zusammenhang, denn sie war nur die Antwort auf den gegen die Straßenverkehrsordnung erhobenen Vorwurf, es sei in gesetzwidriger Weise auf der Autobahn keine höhere Höchstgeschwindigkeit (durch Verordnung) zugelassen worden. Im übrigen hat der VfGH in dem dieses Verfahren einleitenden Beschluß ausdrücklich betont, daß nicht die Säumigkeit des Verordnungsgebers das Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich macht, sondern nur der - wodurch immer bedingte - überlange Fortbestand des nur für eine Übergangszeit tolerierbaren Effektes einer gesetzlichen Regelung.
3. Es bleibt die These der Bundesregierung, die Verwendung künstlicher Süßstoffe als Zusatzstoffe sei wegen deren Gefährlichkeit nicht zulässig. Ob diese These richtig ist, muß ebenso dahingestellt bleiben wie die Stichhältigkeit der im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken, ob künstliche Süßstoffe insoweit anders behandelt werden dürfen als andere Zusatzstoffe. Denn offenkundig ist der Gesetzgeber selbst gar nicht davon ausgegangen, daß (gerade) künstliche Süßstoffe ohne weitere Prüfung ihrer Gefährlichkeit jedenfalls von der Verwendung als Zusatzstoffe ausgeschlossen sein sollen. Er läßt nicht nur durch die Übernahme des §2 SüßstoffVO im Gesetzesrang die Verwendung von Saccharin zu, sondern bringt in §12 LMG (in Verbindung mit den Schluß- und Übergangsbestimmungen) unmißverständlich zum Ausdruck, daß er sich über die Gefährlichkeit auch von künstlichen Süßstoffen insgesamt noch kein zureichendes Bild gemacht hat und diese Frage wie bei allen Zusatzstoffen von der Verwaltungsbehörde geprüft haben will. Unter diesen Umständen hat der VfGH gleichfalls nicht zu prüfen, ob alle in Betracht kommenden künstlichen Süßstoffe (außer Saccharin) unter dem Blickwinkel der Sicherung einer einwandfreien Nahrung und des Schutzes der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung bedenklich sind. Er hat sich vielmehr auf die Frage zu beschränken, ob das vom Gesetzgeber gewählte System der verwaltungsbehördlichen Prüfung der Gefährlichkeit von Zusatzstoffen deshalb unsachlich ist, weil es trotz der generellen Zulassung zumindest eines künstlichen Süßstoffs die Möglichkeit, auf Antrag über die Zulassung anderer künstlicher Süßstoffe - positiv oder negativ mit Bescheid zu entscheiden, im praktischen Ergebnis ausschließt.
Ein allgemeines Verbot der Verwendung schlechthin jedes nicht ausdrücklich zugelassenen Zusatzstoffes, wie es dem Lebensmittelrecht insgesamt zugrunde liegt (§11 LMG), kann allein auf dem Verdacht der Gefährlichkeit von Zusatzstoffen beruhen und ist angesichts der Vielzahl unbedenklicher Zusatzstoffe nur sachlich, wenn es jene Fälle ausnimmt, in denen der Nachweis der Ungefährlichkeit erbracht werden kann. Es begegnet also keinen Bedenken, wenn die Möglichkeit der Überprüfung der Gefährlichkeit im Einzelfall wahrgenommen werden kann. Aus diesem Blickwinkel wäre das System der §§11, 12 LMG nicht zu beanstanden, weil es die Zulassung eines nicht schon nach Abs1 generell zugelassenen Zusatzstoffes auf Antrag nach Abs2 jederzeit ermöglicht, wenn die im Gesetz genannten ihrerseits zweifellos sachlichen - Kriterien das erlauben. Für die in §81 Abs3 lita genannten, aufgrund weitergeltender Vorschriften verbotenen Zusatzstoffe einschließlich der künstlichen Süßstoffe (außer Saccharin) wird nun aber diese Möglichkeit erst durch die Erlassung einer V nach §12 Abs1 LMG eröffnet. Der bloße Umstand, daß für einen solchen Zusatzstoff keine Zulassungsverordnung ergeht, schließt also auch die Möglichkeit der Zulassung in einem individuellen Verfahren aus, ohne daß die Gefährlichkeit dieses Stoffes oder bestimmter Verwendungsarten überhaupt geprüft werden müßte.
Der einzige erkennbare Zweck, der das zusätzliche Erfordernis der Erlassung einer V rechtfertigen könnte, ist das Bestreben, über individuelle Zulassungsanträge erst dann entscheiden zu müssen, wenn die bisher geltende generelle Regelung durch eine V aufgrund des neuen Gesetzes ersetzt ist. Damit wird nämlich eine Häufung von Verwaltungsverfahren in Fällen vermieden, die durch generelle Zulassung erledigt werden können. Eine solche Beschränkung der Möglichkeit einer Antragstellung ist für eine Übergangszeit nicht unsachlich. Sie dient der Verwaltungsvereinfachung und ist für die Zeit, die zur Vorbereitung einer allgemeinen Richtlinie erforderlich ist, den Interessenten auch zumutbar.
Die dauernde Verweigerung eines individuellen Zulassungsverfahrens für Zusatzstoffe, deren Gefährlichkeit der Gesetzgeber selbst noch nicht abschließend beurteilt hat, bedürfte hingegen einer anderen Rechtfertigung. Die mögliche Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit käme als solche nicht in Betracht, weil sie ja erst Gegenstand des ausgeschlossenen Prüfungsverfahrens wäre. Allenfalls könnte die besondere Schwierigkeit einer Entscheidung Grund für ein ausnahmsloses Verbot sein. Das Verfahren hat aber keinen Anhaltspunkt für solche Gründe gegeben. Der Gesetzgeber ist selbst davon ausgegangen, daß bis zum 30. Juni 1978 für die in §81 Abs3 lita genannten Zusatzstoffe Verordnungen nach §12 Abs1 LMG erlassen werden können, welche die Anwendbarkeit der Abs2 und 3 des §12 herbeiführen und so individuelle Zulassungsverfahren ermöglichen. Da sich die Erwartung des Gesetzgebers, nach Ablauf der Übergangsfrist werde das System der §§11, 12 LMG wirksam werden, nicht erfüllt hat, führt die Gesetzeslage zu dem unsachlichen Ergebnis, daß das generelle Verbot des Zusatzstoffes nicht durch den Nachweis der Ungefährlichkeit im Einzelfall durchbrochen werden kann.
Die These der Bundesregierung, die Verwendung künstlicher Süßstoffe als Zusatzstoffe sei wegen ihrer Gefährlichkeit nicht zulässig, greift aber auch deshalb nicht durch, weil die Zulassung von Saccharin durch V (nach §12 Abs1 LMG) insbesondere angesichts der Möglichkeit, die Verwendungsbeschränkungen gegenüber dem geltenden Recht noch zu verschärfen, nicht gefährlicher ist als die erst dann endende Zulassung von Saccharin durch den Gesetzgeber (§2 der in Gesetzesrang stehenden SüßstoffVO). Dem Inkrafttreten des §12 Abs2 (durch Erfüllung der Voraussetzungen des §81 Abs3 lita) stünde auch dann nichts entgegen, wenn man die Meinung des zuständigen Bundesministers (und der Bundesregierung) teilte, auch Saccharin sei nicht ohne Einschränkung zuzulassen. Nicht nur der Wortlaut, auch der Zweck des Gesetzes hätte dann die Erlassung einer die Verwendung von Saccharin nur mehr eingeschränkt zulassenden V geboten. Die rechtzeitige Erlassung einer V, die das derzeit auf Gesetzesstufe ohnedies erlaubte Saccharin auf Verordnungsstufe (und sei es auch nur eingeschränkt) erlaubt, hätte den unsachlichen Rechtszustand vermieden. Gleichwohl hat den verfassungsrechtlichen Mangel nicht allein der säumige Bundesminister zu vertreten, sondern ebenso der Gesetzgeber, der den Eintritt einer für die Dauer geeigneten Rechtslage an ein künftiges Ereignis - die Erlassung einer V nach §12 Abs1 LMG - geknüpft hat, das ausgeblieben ist und daher das nach Ablauf einer angemessenen Übergangsfrist eintretende unsachliche Ergebnis nicht vermeiden kann. Im Ergebnis trifft der Vorwurf daher (auch) das Gesetz selbst.
4. Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes liegt jenen Vorschriften zur Last, die das Inkrafttreten der §§11 und 12 Abs2 und 3 LMG für künstliche Süßstoffe hemmen. Das sind zum einen die Wortfolge "mit dem Inkrafttreten von ihren Gegenstand regelnden Verordnungen aufgrund dieses Bundesgesetzes" im Eingangssatz des das Außerkrafttreten der SüßstoffVO hinausschiebenden §78 und wegen des möglichen Gegenschlusses auch die das sofortige Außerkrafttreten der SüßstoffVO einschränkende Wortfolge in §76 litb Z2, zum andern die das Inkrafttreten der §§11 und 12 Abs2 und 3 LMG mit dem Außerkrafttreten der alten Vorschriften verknüpfende lita des §81 Abs3, soweit sie sich auf künstliche Süßstoffe bezieht. Da sich aber eine Bereinigung des Eingangssatzes des §78 nicht nur auf künstliche Süßstoffe, sondern auf alle in §78 genannten Vorschriften erstrecken würde, stellt die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolge in der litb dieser Bestimmung einen geringeren Eingriff in den Normenbestand dar; in Verbindung mit dem die Süßstoffverordnung dann uneingeschränkt aufhebenden §76 litb Z2 reicht dieser Eingriff - was die SüßstoffVO betrifft auch aus.
Da die Aufhebung all dieser Bestimmungen nicht die Zulassung künstlicher Süßstoffe als Zusatzstoffe zur Folge hat, sondern nur das System der §§11 ff LMG wirksam macht, wäre zum Schutz der Verbraucher die Setzung einer Frist nicht erforderlich. Da aber das gleichzeitige Außerkrafttreten der Süßstoffverordnung im Ergebnis die Ausnahme für Saccharin beseitigt (weil §11 lita LMG die Zusatzstoffe ausnahmslos verbietet und eine das Saccharin ausnehmende V nach §12 Abs1 noch nicht erlassen wurde), wäre die Verwendung eines künstlichen Süßstoffes als Zusatzstoff plötzlich verboten, der bisher ohne weiteres verwendet werden durfte und dessen bescheidmäßige Zulassung nach §12 Abs2 von den Interessenten erst erwirkt werden müßte. Daher scheint dem VfGH doch eine Befristung der Aufhebung nach Art140 Abs5 B-VG angebracht. Sie hindert den zuständigen Bundesminister nicht an der sofortigen Erlassung einer
V.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung stützt sich gleichfalls auf §140 Abs5 B-VG, der Ausspruch über das Nichtinkrafttreten früherer Bestimmungen auf Art140 Abs6 B-VG.
Schlagworte
Gesetz, Gewaltentrennung, Invalidation, Geltung Wirksamkeit / Übergangsbestimmung, Lebensmittelrecht, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G82.1987Dokumentnummer
JFT_10119696_87G00082_00