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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1022;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-GesmbH gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. März 1990, Zl. 311.597/6-III-3/89, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 5. März 1990 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. März 1989 gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 als verspätet zurück. Zur Begründung führte der Bundesminister im wesentlichen aus, mit erstbehördlichem Bescheid vom 13. Jänner 1988 sei der Beschwerdeführerin gemäß § 83 GewO 1973 die Einhaltung bestimmter Vorkehrungen aufgetragen und gleichzeitig gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen worden. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A, Berufung erhoben. Am 9. November 1988 sei ein mit 8. November 1988 datierter Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B, beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten eingelangt.
Erst am 24. November 1988 sei der Beschwerdeführerin zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters der Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Oktober 1988 zugestellt worden. Da zu diesem Zeitpunkt der Landeshauptmann zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz nicht mehr zuständig gewesen sei, sei mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 2. März 1989 der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Oktober 1988 gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 behoben und gleichzeitig das Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG 1950 abgewiesen worden. Damit sei die Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Entscheidung über die Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid wiederum gegeben gewesen. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. März 1989 sei neuerlich die Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit einer Maßgabe bestätigt worden. Die Behörde habe eine Zustellung dieses Bescheides zu Handen "des in diesem Verfahren als ausgewiesener Vertreter der Berufungswerberin handelnden Rechtsanwalt Dr. A" veranlaßt. Die Zustellung sei, da Rechtsanwalt Dr. A zu diesem Zeitpunkt die Rechtsanwaltschaft nicht mehr ausgeübt habe, am 19. Mai 1989 zu Handen seines mittlerweiligen Stellvertreters Rechtsanwalt Dr. C erfolgt. In dessen Namen habe eine Kanzleimitarbeiterin auf dem Rückschein die Übernahme bestätigt. Am 14. Juni 1989 habe die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D, Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien erhoben, welche am 16. Juni 1989 zur Post gebracht und am 19. Juni 1989 beim Magistratischen Bezirksamt für den
15. Bezirk eingelangt sei. In der Verfügung der Zustellung des Berufungsbescheides "zu Handen des in diesem Verfahren ausgewiesenen Vertreters der Berufungswerberin Rechtsanwalt Dr. A" könne kein rechtswidriges Verhalten abgeleitet werden, denn es stehe der Beschwerdeführerin frei, sich eines oder mehrerer Rechtsanwälte zu bedienen und sie habe Rechtsanwalt Dr. B in Zusammenhang mit dem Devolutionsantrag beim Bundesministerium und Rechtsanwalt Dr. D im Zusammenhang mit einer Amtshaftungsklage beauftragt. Daraus habe jedenfalls nicht entnommen werden können, daß Zustellungen im gegenständlichen Verfahren nicht mehr zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. A zu erfolgen hätten. Für letzteren sei zwischenzeitig Rechtsanwalt Dr. C zum mittlerweiligen Stellvertreter bestellt worden. Gemäß § 144 Postordnung seien, wenn der Empfänger ein Rechtsanwalt sei, dessen Kanzlei von einem Stellvertreter geführt werde, die für den Empfänger einlangenden Postsendungen an den Stellvertreter abzugeben, soweit nicht auf der Postsendung eine von der Kanzlei verschiedene Abgabestelle angegeben oder aus anderen Umständen zu entnehmen sei, daß sich der Inhalt der Postsendung nicht auf die Berufstätigkeit des Rechtsanwaltes beziehe. Diese beiden Fälle könnten im vorliegenden Verfahren jedenfalls ausgeschlossen werden. Die Rechtsanwaltsordnung verweise ausdrücklich auf die Zustellung von Poststücken zu Handen des mittlerweiligen Stellvertreters. Es sei somit festzustellen, daß Zustellungen rechtswirksam an den mittlerweiligen Stellvertreter eines Rechtsanwaltes erfolgen könnten und als Zustellung an den Mandanten des vertretenen Rechtsanwaltes gelten. Es habe daher im vorliegenden Fall die zweiwöchige Berufungsfrist mit der am 19. Mai 1989 erfolgten Zustellung des Berufungsbescheides zu laufen begonnen und am 2. Juni 1989 geendet. Daß die Beschwerdeführerin den Auftrag zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes in der Folge an einen anderen Rechtsanwalt weitergegeben habe, hindere jedenfalls nicht das Ablaufen der Berufungsfrist, da eine gültige Zustellung am 19. Mai 1989 erfolgt sei. Die vorliegende Berufung sei jedoch erst am 16. Juni 1989 zur Post gebracht worden und sei daher als verspätet anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, eine meritorische Entscheidung über die von ihr eingebrachte Berufung zu erlangen. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin zusammengefaßt vor, die einem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht erlösche gemäß § 1022 ABGB durch den Tod des Gewalthabers. Daran vermöge das Institut des mittlerweiligen Stellvertreters nichts zu ändern, weil dieser nicht in das Vollmachtsverhältnis zu der vom verstorbenen Rechtsanwalt vertretenen Partei eintrete, sondern lediglich die Vertretung des verhinderten Rechtsanwaltes hinsichtlich der Rechte und Verbindlichkeiten gegenüber dem Klienten wahrzunehmen habe. Eine Zustellung an einen mittlerweiligen Stellvertreter sei daher nicht gesetzmäßig, da ein solcher mangels Vollmacht nicht gesetzmäßiger Vertreter der Partei sei. Auch der Hinweis auf § 147 der Postordnung gehe ins Leere, weil durch diese, eine Verordnung, bürgerliches Recht (§ 1022 ABGB) nicht abgeändert werden könne. Außerdem setze § 147 der Postordnung ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis zum durch den mittlerweiligen Stellvertreter vertretenen Rechtsanwalt voraus, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Im vorliegenden Fall sei das Ableben des früheren Rechtsfreundes der Beschwerdeführerin schriftlich bekanntgegeben und ein neuer Bevollmächtigter benannt worden. Hiebei sei das Wort "nunmehr" verwendet worden, was eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, daß eben dieser nunmehr bestellte Rechtsanwalt alleiniger Vertreter und damit auch Zustellbevollmächtiger im Sinne des § 9 ZustellG sei. Auch seien an den letzteren in der Zwischenzeit auch Zustellungen seitens der Behörde in diesem Verfahren vorgenommen worden.
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesBichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Zufolge Absatz 2 richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bügerlichen Rechtes zu beurteilen.
Zufolge Absatz 5 können sich die Beteiligten eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor Amt erscheinen.
Nach § 9 Abs. 1 ZustellG hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesBich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß § 1022 ABGB wird in der Regel die Vollmacht sowohl durch den Tod des Gewaltgebers als des Gewalthabers aufgehoben.
Wie sich aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt, teilte im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin der Behörde in ihrem Devolutionsantrag vom 8. November 1988 mit, ihr bisher im Verfahren ausgewiesener Vertreter Dr. A sei am 14. September 1988 verstorben. Sie habe "nunmehr Dr. B, RA in 1010 Wien, Vollmacht erteilt" und schließe diese Vollmachtsurkunde bei.
Diese Erklärung kann - wie auch in der Beschwerde zutreffend hervorgehoben wird - insbesondere im Lichte der Bestimmung des § 1022 ABGB nicht anders verstanden werden, als daß die Beschwerdeführerin der Behörde mitzuteilen beabsichtige, daß ihr Vertretungsverhältnis zu Rechtsanwalt Dr. A infolge dessen Todes mit 14. September 1988 erloschen sei und sie nunmehr alleine durch Dr. B vertreten werde.
Im Hinblick auf diese Sach- und Rechtslage ist der belangten Behörde eine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgeht, im Zeitpunkt der in Rede stehenden Zustellung des zweitbehördlichen Berufungsbescheides am 19. Mai 1988 habe auch ein Vertretungsverhältnis der Beschwerdeführerin zu Rechtsanwalt Dr. A bestanden. Bestand aber ein derartiges Vertretungsverhältnis in diesem Zeitpunkt nicht, so konnte die Übergabe des in Rede stehenden zweitbehördlichen Berufungsbescheides an die Kanzlei des mittlerweiligen Stellvertreters des verstorbenen Rechtsanwaltes Dr. A schon aus diesem Grund eine für die Beschwerdeführerin rechtswirksame Zustellung dieses Bescheides nicht begründen und damit auch den Lauf der Berufungsfrist nicht auslösen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206 /1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da der angefochtene nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.
Schlagworte
Ende Vertretungsbefugnis Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung nachträgliche VollmachtserteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990040137.X00Im RIS seit
30.10.1990