TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/30 90/04/0065

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Veröffentlicht am 30.10.1990
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Index

L71098 Automatenverkauf Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AutomatenverkaufsV Mellau 1985 Z1;
GewO 1973 §367 Z15;
GewO 1973 §52 Abs4;
VStG §29a;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 27. November 1989, Zl. VIb-205/48-1983, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 1988 erstattete der Bürgermeister der Gemeinde Mellau an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen verbotswidriger Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz trat daraufhin mit Verfügung vom 2. Februar 1988 das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 29a VStG 1950 an die Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pg. ab. Diese stellte mit Schreiben vom 6. April 1988 "die gegenständliche Strafanzeige unter Hinweis auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes" an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz zurück, "da im Gegenstand durch die Übertragung der Durchführung des Strafverfahrens gemäß § 29a VStG an die ho. Wohnsitzbehörde das Verfahren nicht wesentlich vereinfacht und beschleunigt wird".

Nach Durchführung weiterer Erhebungen erkannte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 23. Jänner 1989 schuldig, er habe ein Gewerbe mittels Automaten entgegen den Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 52 Abs. 4 GewO 1973 ausgeübt, indem am 22. Juni 1988 um 11.30 Uhr, 7. Juli 1988 um 9.30 Uhr und am 8. Juli 1988 um 11.00 Uhr insgesamt sechs Schüler im Alter von sechs bis acht Jahren gegen Geldeinwurf von seinen in einer Entfernung von 80 m von der Volksschule und vom Kindergarten Mellau am Gasthaus "B" angebrachten Süßwarenautomaten Waren entnommen hätten, obwohl auf Grund der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Mellau vom 16. Dezember 1985 die Ausübung von gewerblichen Tätigkeiten mittel Süßwaren-, Kaugummi-, Spielwaren- und sonstigen Automaten im Umkreis vom 200 m von der Volksschule-Kindergarten entfernt, untersagt sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates Mellau vom 16. Dezember 1985 begangen, weshalb gemäß § 367 GewO 1973 über ihn eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage) verhängt wurde.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 27. November 1989 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels eines in Mellau, am Gasthaus "B" angebrachten Kaugummiautomaten mit neun Entnahmestellen erfolge und daß sich die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auf § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit Z. 1 der Verordnung der Gemeinde Mellau vom 16. Dezember 1985 stütze. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, der Tatort sei im Spruch des Straferkenntnisses der Erstbehörde ausreichend konkretisiert. Nach den Feststellungen der Berufungsbehörde sei der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt persönlich Inhaber der Gewerbeberechtigungen seines Einzelunternehmens gewesen, weshalb er in dieser Eigenschaft als unmittelbarer Täter bestraft worden sei. Auf Grund der Aktenlage sei erwiesen, daß es sich bei dem in Rede stehenden Automaten um einen vom Beschwerdeführer betriebenen Automaten handle. Der Beschwerdeführer habe in seiner schriftlichen Rechtfertigung vom 13. Dezember 1988 gegenüber der Erstbehörde selbst zugegeben, daß dieser Automat von seinem Unternehmen ordnungsgemäß aufgestellt und angemeldet worden sei. Ob tatsächlich zum fraglichen Zeitpunkt gewerbliche Tätigkeiten mittels Automaten ausgeübt wurden, sei in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich, da gemäß "§ 1 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973" (richtig wohl: § 1 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1973) das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten werden. Daß die Aufstellung der Automaten vor Inkrafttreten der Verordnung der Gemeinde Mellau der Gewerbebehörde ordnungsgemäß angezeigt und von dieser die Anzeige weder abgelehnt noch als verboten zurückgewiesen worden sei, vermöge an der Strafbarkeit des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer könne sich im vorliegenden Fall auch nicht auf einen Rechtsirrtum berufen, weil er vor Einleitung des vorliegenden Strafverfahrens bereits wegen einer Übertretung der gleichen Art bestraft worden sei, sodaß anzunehmen sei, er habe trotz Kenntnis dieser Rechtslage bewußt die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen und somit nicht unverschuldet gehandelt. Die Besitzverhältnisse an der Liegenschaft, auf welcher die in Rede stehenden Automaten aufgestellt seien, seien für die Tatbildmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht entscheidend. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß der in Rede stehende Kaugummiautomat in Betrieb gewesen sei. Mit Schreiben vom 15. Juni 1988 habe nämlich die Erstbehörde den Gendarmerieposten Bezau beauftragt, an verschiedenen Tagen die Automaten des Beschwerdeführers zu überwachen, um festzustellen, von wievielen Kindern aus diesen Automaten Waren entnommen worden seien. Aus dem diesbezüglichen Erhebungsbericht sei eindeutig zu entnehmen, daß der in Rede stehende Kaugummiautomat zu den Tatzeitpunkten in Betrieb gewesen sei. Da der Beschwerdeführer auch das Strafausmaß bekämpft habe, habe die Berufungsbehörde entsprechende Ermittlungen durchgeführt, die ergeben hätten, daß der Beschwerdeführer für eine Gattin und einen minderjährigen Sohn zu sorgen habe. Nach dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes St. Johann/Pg. vom 11. November 1987 habe er im Jahre 1986 nach Abzug der Einkommensteuer ein Nettoeinkommen in der Höhe von ca. S 290.000,-- erzielt. Darüber hinaus sei durch Erhebungen festgestellt worden, der Beschwerdeführer sei zur Hälfte Besitzer seines Geschäftsgrundstückes. Der ihm zustehende Anteil davon stelle laut Einheitswertsbescheid vom 30. April 1985 einen Einheitswert in der Höhe von

S 2,073.000,-- dar. Weiters sei der Beschwerdeführer Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einem Einheitswert von

S 427.000,--. Bei der Strafbemessung sei auch zu berücksichtigen gewesen, daß die vom Beschwerdeführer übertretene Norm den Schutz unmündiger Minderjährigen vor dem durch Automaten besonders gefährdeten unüberlegten und übermäßigen Eingehen von Kaufgeschäften sowie die Erziehung von Jugendlichen zur Sparsamkeit zum Ziel habe. Durch das Verhalten des Beschwerdeführers seien diese Schutzinteressen erheblich beeinträchtigt worden. Demgemäß gehe die Berufungsbehörde auch von einem erheblichen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung aus. Überdies gelte es zu bedenken, daß der nach § 367 GewO 1973 Einleitungssatz anzuwendende Strafrahmen die Möglichkeit vorsehe, Geldstrafen bis S 20.000,-- für Delikte der vom Beschwerdeführer begangenen Art zu verhängen. Milderungsgründe seien weder vom Beschwerdeführer vorgebracht worden, noch seien solche im Verfahren hervorgekommen. Erschwerend sei eine einschlägige Vorstrafe gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 7. März 1990 abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer geltend, es sei Verjährung eingetreten, weil das Verfahren mit der Anzeige der Gemeinde Mellau vom 13. Jänner 1988 eingeleitet worden sei und im Zeitpunkt der an ihn ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung die Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Der Tatzeitpunkt sei nicht ausreichend klargestellt und entsprechend konkretisiert. Auch seien die Umstände bezüglich der gewerberechtlichen Haftung des Beschwerdeführers nicht ausreichend abgeklärt und richtig bewertet. In der Anzeige sei die Rede von der "Firma" des Beschwerdeführers; im Straferkenntnis selbst werde lediglich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ein Gewerbe mittels Automaten entgegen einer Verordnung gemäß § 52 Abs. 4 GewO 1973 ausgeübt, und zwar indem Automaten von sechs Schulkindern bedient worden seien. Dieser Tatvorwurf sei unpräzise und es sei unzulässig, daß seitens der Erstbehörde diese Mangelhaftigkeit durch eine Berichtigung abgeändert worden sei. Die von der belangten Behörde vorgenommene Änderung stelle jedenfalls keine Berichtigung dar, sondern einen vollständig neuen Tatvorwurf. Auch sei seitens der belangten Behörde der Tatvorwurf "im Bezug auf die Bestimmungen" unzulässigerweise ergänzt worden. Das Erhebungsergebnis habe weiters auch nicht ausdrücklich festgestellt, daß es sich beim fraglichen Automaten um den Automaten beim Gasthaus "B" gehandelt habe. Weiters habe im gegenständlichen Fall die unzuständige Behörde entschieden, weil aus den Aktenunterlagen eindeutig zu entnehmen sei, daß das Verfahren an die Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pg. abgetreten worden sei und von dieser auch eine Verfolgungshandlung insoweit gesetzt worden sei, "als Veranlassung für entsprechende Erhebungen angeordnet wurden". Es könne auch nicht übersehen werden, daß bei der Strafbemessung die maßgebenden Gründe nicht beachtet worden seien.

Was den Vorwurf der Unzuständigkeit der Erstbehörde betrifft, so übersieht der Beschwerdeführer, daß Gegenstand der Abtretungsverfügung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 2. Februar 1988 die am 13. Jänner 1988 erstattete Anzeige der Gemeinde Mellau war. Mit dem angefochtenen Bescheid (und dem diesem zu Grunde liegenden erstbehördlichen Straferkenntnis) wurde der Beschwerdeführer jedoch nicht einer dieser Anzeige zu Grunde liegenden Tathandlung schuldig erkannt, sondern es werden ihm darin Tathandlungen zur Last gelegt, die er nach dem Ergehen der Abtretungsverfügung vom 2. Februar 1988 setzte und die mit Bericht des Gendarmeriepostens Bezau vom 2. August 1988 der Bezirkshauptmannschaft Bregenz zur Kenntnis gebracht wurden. Eine Abtretung des diese Tathandlungen betreffenden Verwaltungsstrafverfahrens ist somit nicht erfolgt, weshalb in der Erlassung des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Tatortbehörde im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG 1950 eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden kann.

Da, wie bereits ausgeführt, Gegenstand des angefochtenen Bescheides nicht die der Anzeige der Gemeinde Mellau vom 13. Jänner 1988 zu Grunde gelegenen Tathandlungen, sondern erst später vom Beschwerdeführer gesetzte Tathandlungen sind, geht das Verfolgungsverjährung betreffende diesbezügliche Beschwerdevorbringen schon aus diesem Grunde fehl.

Der Grund, aus welchem der Beschwerdeführer meint, der Tatzeitpunkt sei nicht ausreichend klargestellt und entsprechend präzisiert, ist im Hinblick auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides unerfindlich.

Gleiches gilt für das die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers betreffende Vorbringen, zumal der Beschwerdeführer selbst nicht in Zweifel zieht, Gewerbeinhaber des in Rede stehenden Unternehmens zu sein.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch in der von der belangten Behörde vorgenommenen Präzisierung des Spruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses eine Überschreitung der der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 zukommenden Sachbefugnis nicht zu erblicken, ist die Berufungsbehörde doch nach dieser Bestimmung ausdrücklich berufen, im Rahmen der "Sache" sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Auf das Vorbringen, aus den Erhebungsergebnissen ergebe sich nicht eindeutig, daß es sich "beim fragenlichen Automaten um den Automaten beim Gasthaus B" handle, ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil der Beschwerdeführer weder im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens, noch in der Beschwerde bestreitet, zum Tatzeitpunkt an dem in Rede stehenden Tatort den fraglichen Kaugummiautomaten betrieben zu haben.

Mit dem Vorbringen schließlich, die belangte Behörde habe bei der Strafbemessung die maßgebenden Gründe nicht beachtet, vermag der Beschwerdeführer im Hinblick auf den eingangs wiedergebenen diesbezüglichen Inhalt des angefochtenen Bescheides ebenfalls eine Rechtswidrigkeit nicht darzutun.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen der gestellten Anträge auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040065.X00

Im RIS seit

30.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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