TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/30 90/04/0091

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Veröffentlicht am 30.10.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §367 Z26;
VStG §19;
VStG §55;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Juli 1989, Zl. MA 63-P 10/89-Str, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf das hg. aufhebende Vorerkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0172, wird hingewiesen.

Mit Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Juli 1989 wurde ausgesprochen, daß der gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 23. Oktober 1987 hinsichtlich des Strafausmaßes erhobenen Berufung stattgegeben, die Strafe in Anwendung des § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen) herabgesetzt und gemäß § 64 VStG 1950 der erstinstanzliche Kostenbeitrag auf S 1.000,-- ermäßigt werde, und daß die Zitierung des § 370 Abs. 2 GewO 1973 im Strafausspruch zu entfallen habe.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nunmehr mit Schreiben seines Rechtsanwaltes vom 23. Juni 1989 mitgeteilt, daß er monatlich netto S 9.206,70 verdiene, daß er monatlich S 3.000,-- Unterhalt für eine minderjährige Tochter zu leisten habe und Schulden in nicht näher bezeichneter Höhe habe. Seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien somit nach Auffassung der Behörde als ungünstig zu werten. Im übrigen seien jedoch die bereits im Berufungsbescheid vom 15. April 1988 getroffenen Feststellungen aufrecht zu halten, daß der Beschwerdeführer durch das unsachgemäße Deponieren von 40 mit gebrauchtem Speiseöl gefüllten Kannen zu je 10 l in einem Bauschuttcontainer das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an einer ordnungsgemäßen Entsorgung des Altöls schwerstens gefährdet habe, und daß den Beschwerdeführer kein nur geringes Verschulden an der Übertretung treffe, weil er bei einiger Aufmerksamkeit leicht habe damit rechnen können, daß der jugoslawische Arbeiter, den er angeblich beauftragt habe, die Ölkannen neben den Container und nicht hinein zu stellen, diesen Auftrag mißverstehen könne, weshalb er sich umgehend von der richtigen Ausführung dieses Auftrages hätte überzeugen müssen, und schließlich, daß zwei hohe einschlägige Verwaltungsvorstrafen des Beschwerdeführers als erschwerend zu werten seien. Wegen dieser überwiegenden Erschwerungsgründe sei lediglich eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafe von S 15.000,--, die drei Viertel der im § 367 GewO 1973 in der hier noch anzuwendenden ursprünglichen Fassung vorgesehenen Strafobergrenze von S 20.000,-- ausmache, auf S 10.000,-- und eine dementsprechende Ermäßigung der Ersatzfreiheitsstrafe von drei Wochen auf zwei Wochen vertretbar. Die Zitierung des § 370 Abs. 2 GewO 1973 im Strafausspruch habe zu entfallen gehabt, weil diese Bestimmung nichts über Strafart und Strafsatz aussage.

Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 13. März 1990 abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde, soweit sie die Schuldfrage betrifft, zurückzuweisen und im übrigen als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht, "entgegen den Bestimmungen des §§ 367 Z. 26 GewO in Verbindung mit dem Bescheid vom 1.10.1986 .... nicht bestraft zu werden" und in dem Recht "auf fehlerfreie Handhabung des bei der Strafe auszuübenden Ermessens gemäß § 19 VStG" verletzt.

Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde berufe sich darauf, daß die Zitierung des § 370 Abs. 2 GewO 1973 im Spruch zu unterbleiben hätte. Dies sei jedoch unzutreffend, da im Spruch ausdrücklich auf die Geschäftsführerhaftung verwiesen werde und nach der Bestimmung des § 370 Abs. 2 GewO 1973 Geld- und Arreststrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen seien, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt worden sei. In den Spruch des Bescheides der Erstbehörde sei daher richtigerweise § 370 Abs. 2 GewO 1973 aufgenommen worden, die belangte Behörde habe allerdings zu Unrecht diesen wieder fallen gelassen. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde nach richtiger rechtlicher Beurteilung den gesamten Sachverhalt nach dem Sonderabfallgesetz beurteilen und insbesondere nach den Strafbestimmungen des § 22 SAG vorgehen müssen. Das Sonderabfallgesetz regle nämlich Maßnahmen zur Beseitigung oder Erfassung von Sonderabfällen bei Betrieben, die einer Betriebsanlagengenehmigung unterliegen. Anderseits sei aber auch zu berücksichtigen, daß A, der handelsrechtliche Geschäftsführer, die Weisung erteilt habe, das Öl entgegen einschlägiger Bestimmungen zu entsorgen. Ein Verschulden des Beschwerdeführers sei nicht im geringsten erkennbar. Der Beschwerdeführer könne nicht für alles haftbar gemacht werden, sondern nur für die Verletzung einer Unterlassungspflicht. Der Vorwurf könnte ihn nämlich nur dann treffen, wenn er es unterlassen hätte, A darüber aufzuklären. Es dürfe die Haftung gerade bei Vorsatzdelikten Dritter nicht übergebührlich überspannt werden, sofern § 370 Abs. 2 GewO 1973 noch sinnvoll und judizierbar bleiben solle.

Ein Zurückweisungsgrund, wie er in der Gegenschrift der belangten Behörde geltend gemacht wird, liegt nicht vor. Das in der Beschwerde enthaltene bestimmte Begehren (§ 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG) ist auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gerichtet. Der Behandlung der Beschwerde im Umfang dieses Beschwerdeantrages steht kein Zurückweisungsgrund im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG entgegen.

Was die geltend gemachten Beschwerdegründe anlangt, ist der Beschwerdeführer allerdings neuerlich, wie bereits im Vorerkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0172, darauf hinzuweisen, daß die gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erhobene Berufung ausdrücklich nur gegen das Ausmaß der auferlegten Strafe erhoben wurde. Weiters ist festzuhalten, daß mit dem angefochtenen Bescheid nur über das Strafausmaß abgesprochen wurde. Die in der Beschwerde enthaltenen, gegen den Schuldspruch gerichteten Ausführungen gehen somit an der Sache, die den Gegenstand des mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Abspruches bildet, vorbei. Der Verwaltungsgerichtshof hatte auf die betreffenden Ausführungen daher nicht einzugehen.

Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen über die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sind nicht als rechtswidrig zu erkennen. Mit diesen Ausführungen wurde der der belangten Behörde durch das aufhebende Vorerkenntnis nach § 63 Abs. 1 VwGG erwachsenen Verpflichtung entsprochen.

Die mündliche, aus der Niederschrift vom 10. November 1987 ersichtliche Berufung des Beschwerdeführers enthält folgende Ausführungen:

"Ich berufe gegen das Ausmaß der auferlegten Strafe. Der Tatbestand wird nicht bestritten. Ich habe lediglich dem jugoslawischen Arbeiter angeschafft, die Ölkannen zwecks ordnungsgemäßer Entsorgung neben die Container zu stellen, und nicht hinein. Er dürfte mich jedoch mißverstanden haben." (Es folgt ein inzwischen überholter Satz über die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse.)

Der Beschwerdeführer beruft sich in der vorliegenden Beschwerde auf ein Verhalten des handelsrechtlichen Geschäftsführers, ohne daß der Verwaltungsgerichtshof diesen Ausführungen zu entnehmen vermag, inwiefern der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid angeführten Ausführungen über den Unrechts- und Schuldgehalt der als erwiesen angenommenen Tat - bezogen auf die Aufhebungsgründe des § 42 Abs. 2 VwGG - für rechtswidrig hält. Darüber hinaus vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang einen Milderungsgrund (§ 19 Abs. 2 VStG 1950 in Verbindung mit der domonstrativen Aufzählung in § 34 StGB) vernachlässigt hätte, den sie dem Beschwerdeführer zugute hätte halten müssen.

Gleichwohl ist der vorliegenden Beschwerde Erfolg beschieden.

Ein wegen einer Verwaltungsübertretung verhängtes Straferkenntnis gilt nach § 55 Abs. 1 VStG 1950 nach Ablauf von fünf Jahren nach Fällung des Straferkenntnisses als getilgt. Im Grunde des § 55 Abs. 2 VStG 1950 dürfen getilgte Verwaltungsstrafen bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren nicht berücksichtigt werden.

Im angefochtenen Bescheid beruft sich die belangte Behörde auf "zwei hohe einschlägige Verwaltungsvorstrafen".

In den Akten des Verwaltungsstrafverfahrens findet sich eine Auskunft des Zentralgewerberegisters der Erstbehörde vom 12. Oktober 1987, in welcher - abgesehen von drei Fällen einer Sperrstundenüberschreitung und einem Fall eines unbefugten Ausschankes von Alkohol an Jugendliche - folgende Vorstrafen des Beschwerdeführers verzeichnet sind:

Tatbestand: Nichteinhaltung von Bescheidauflagen, Strafbescheid vom 13. August 1984 mit S 9.000,--;

Tatbestand: Nichteinhaltung von Bescheidauflagen, Strafbescheid vom 5. Juli 1985 mit S 12.000,--.

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 31. Oktober 1989 zugestellt. Im Hinblick auf diesen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob es im Hinblick auf § 55 Abs. 2 VStG 1950 noch zulässig war, die Vorstrafe vom 13. August 1984 als Erschwerungsgrund heranzuziehen. Den Akten des Verwaltungsstrafverfahrens läßt sich nicht entnehmen, daß die belangte Behörde eine solche Prüfung vorgenommen hätte. Der Sachverhalt bedarf somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040091.X00

Im RIS seit

30.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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