TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/31 90/02/0084

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Veröffentlicht am 31.10.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §19 Abs4 idF 1976/412;
StVO 1960 §19 Abs4;
StVO 1960 §52 litc Z24 idF 1976/412;
StVO 1960 §52 litc Z24;
StVO 1960 §9 Abs4 idF 1976/412;
VStG §44a lita;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/02/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung ergangenen Bescheide 1. der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. März 1990, Zl. I/7-St-K-89148, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (hg. Zl. 90/02/0084), 2. des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. März 1990, Zl. I/7-St-K-89148, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (hg. Zl. 90/02/0087), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wird abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.280,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den jeweils im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheiden vom 23. März 1990 wurde der Beschwerdeführer, und zwar von der Niederösterreichischen Landesregierung einer Übertretung nach § 9 Abs. 4 StVO 1960 und vom Landeshauptmann von Niederösterreich einer Übertretung nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 28. November 1988 um 8.24 Uhr im Ortsgebiet von Baden einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw auf der Weinbergstraße aus Richtung Pfaffstätten kommend gelenkt habe, wobei er bei der Kreuzung mit der Wiener Straße beim Vorrangzeichen "Halt" nicht an der auf der Fahrbahn angebrachten Haltelinie angehalten habe, und er, wie anläßlich der unmittelbar im Anschluß erfolgten Anhaltung habe festgestellt werden können, auf der zuvor erwähnten Fahrt kein zur Wundversorgung geeignetes Verbandzeug mitgeführt habe.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

I. ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 9 Abs. 4 StVO 1960:

Der Beschwerdeführer hat schon im Verwaltungsstrafverfahren bestritten, am Tatort "nicht an der auf der Fahrbahn angebrachten Haltelinie angehalten" zu haben. Die belangte Behörde ist aber den gegenteiligen Angaben des Meldungslegers und eines weiteren, ebenfalls als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten gefolgt. Sie hat hiebei in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch ausgeführt, daß die Abhaltung eines (vom Beschwerdeführer beantragten) Lokalaugenscheines angesichts dieser Zeugenaussagen als entbehrlich habe entfallen können, "zumal es auch ...... nicht darum ging, ob die Gendarmeriebeamten in der Lage waren, sollten Sie an einer anderen Stelle als an der Haltelinie angehalten haben, dies zu erkennen, sondern ausschließlich relevant ist, ob Sie Ihr Fahrzeug an der Haltelinie zum Stillstand gebracht haben, was die Gendarmeriebeamten einmütig und unter Angabe entsprechender Gründe negierten". Sie hätte aber - auf Grund des Umstandes, daß sie der Verantwortung des Beschwerdeführers bezüglich seines Anhaltens keinen Glauben geschenkt hat - aus rechtlichen Gründen die Frage zu klären und hinreichende Feststellungen zu treffen gehabt, ob der Beschwerdeführer bei der gegenständlichen Kreuzung an einer anderen Stelle (als an der Haltelinie) angehalten hat oder ob er nach rechts eingebogen ist, ohne überhaupt (auch nicht an einer anderen Stelle als an der Haltelinie) anzuhalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/02/0077, und vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0007) ist es nämlich dann, wenn das Vorschriftszeichen des § 52 (lit. c) Z. 24 StVO 1960 insoweit nicht beachtet wird, als der Fahrzeuglenker überhaupt nicht vor der Kreuzung anhält, unbeachtlich, ob in diesem Bereich eine (sichtbare) Haltelinie existiert, weshalb in einem solchen Falle es nicht der Anführung im Spruch, ob eine Haltelinie vor der Kreuzung vorhanden war, bedarf und die Vorschrift des § 52 (lit. c) Z. 24 StVO 1960 übertreten wird. Zwecks Abgrenzung zur Vorschrift des § 19 Abs. 4 letzter Satz StVO 1960 wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 7. Juni 1990, Zl. 90/18/0101, und vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0025) außerdem betont, daß die Anwendung des § 52 (lit. c) Z. 24 StVO 1960 voraussetzt, daß sich sonst im Kreuzungsbereich kein vorrangberechtigter Lenker eines Kraftfahrzeuges befindet. Daraus ergibt sich zusammenfassend, daß die Vorschrift des § 9 Abs. 4 StVO 1960 dann nicht zum Tragen kommt, wenn der betreffende Fahrzeuglenker trotz des Vorschriftszeichens "Halt" überhaupt nicht anhält. Da die belangte Behörde offensichtlich diese Rechtslage verkannt hat und daher diesbezüglich Feststellungen unterblieben sind, ist dem Verwaltungsgerichtshof die abschließende Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat gemäß § 9 Abs. 4 StVO 1960 begangen hat, rechtlich nicht möglich.

Der angefochtene Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere diesbezüglich erstattete Beschwerdevorbringen einzugehen war.

II. ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 102 Abs. 10 KFG 1967:

Der Beschwerdeführer hat sich schon im Verwaltungsstrafverfahren damit verantwortet, daß er dadurch, daß er (unbestrittenermaßen) eine Mullbinde eines näher bezeichneten Fabrikats, staubdicht verpackt, mitgeführt habe, "den Vorschriften" entsprochen habe; wenn er sich allerdings hiebei (ganz allgemein) auf die KDV 1967 beruft, so muß ihm entgegengehalten werden, daß diese keine Regelung darüber enthält, was im Sinne des § 102 Abs. 10 KFG 1967 als "Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet ist", anzusehen ist. Die belangte Behörde hat diese Frage auf Grund des von ihr eingeholten Gutachtens eines medizinischen Amtssachverständigen vom 8. November 1989 verneint. Dieses Gutachten lautet:

"Eine Mullbinde in der genannten Art ist dazu geeignet, einen keimfreien Verband auf einer Wunde zu fixieren. Da die staubdichte Verpackung keine Sterilität gewährleistet, kann sie nicht einmal allein zur Wundbedeckung herangezogen werden. Vor geraumer Zeit wurde eine ÖNORM (V5101) für PKW-Verbandkästen erlassen. Ohne hier näher auf den Inhalt einzugehen, muß doch festgestellt werden, daß dieser Kasten das Volumen etwa einer Schuhschachtel hat, also wesentlich mehr enthält als eine Mullbinde. Der Inhalt deckt sich etwa mit der entsprechenden DIN, sodaß also zumindest im deutschen Sprachraum zur adäquaten Erste-Hilfe-Leistung mehr Verbandmaterial als eine Mullbinde als notwendig erachtet wird. Die dortige Anfrage muß also mit einem klaren 'Nein' beantwortet werden."

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß er dieses Gutachten "nicht gehört und gesehen" habe. Ob allerdings im Verwaltungsstrafverfahren sein Parteiengehör verletzt worden ist, kann unerörtert bleiben, hätte doch der Beschwerdeführer bejahendenfalls die Wesentlichkeit eines derartigen Verfahrensmangels in der Beschwerde darlegen müssen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde das Gutachten seinem vollen Wortlaut nach wiedergegeben, ohne daß der Beschwerdeführer ihm (zumindest nunmehr) hinreichend entgegengetreten wäre. Dabei ist ohne Belang, daß sich der Beschwerdeführer nicht gegen den im Gutachten enthaltenen Hinweis auf eine bestimmte ÖNORM, die weder zur Gänze noch teilweise im Sinne des § 5 Normengesetz, BGBl. Nr. 240/1971, durch Gesetz oder Verordnung für rechtsverbindlich erklärt wurde, gewandt hat. Es ist nämlich bei Lösung des vorliegenden Beschwerdefalles nicht die Frage zu beantworten, welchen Inhalt ein "Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet ist", aufweisen muß", um dem damit verbundenen Zweck (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 1989, Zl. 85/18/0153) gerecht zu werden, sondern maßgebend ist hiebei einzig und allein die schlüssige Aussage des Sachverständigen, daß lediglich eine "Mullbinde in der genannten Art" mangels Sterilität hiefür nicht ausreicht. Der Beschwerdeführer hat nie vorgebracht, daß diese Mullbinde (nicht nur staubdicht, sondern auch) steril verpackt gewesen sei, wobei auf sich beruhen kann, ob selbst eine steril verpackte Mullbinde für sich allein zur Wundversorgung ausreichend gewesen wäre. Die sich darauf beziehenden Beschwerdeausführungen beschränken sich auf die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, daß "der Kraftfahrer und auch ich mit staubdicht verpackter Mullbinde die Bestimmungen der Durchführungsverordnung des Kraftfahrgesetzes erfüllen", und laufen schließlich darauf hinaus, daß der Beschwerdeführer die Meinung vertritt, daß eine "Wundversorgung ohne Desinfektion vom medizinischen Standpunkt untersagt ist, sodaß die im Kraftfahrgesetz vorgeschriebene Einrichtung untauglich für eine zielführende Wundversorgung ist". Was aber letzteres anlangt, so unterstellt der Beschwerdeführer damit dem Gesetzgeber, ein Gebot erlassen zu haben, das überhaupt nicht befolgt werden kann, weshalb diese Vorschrift als unvollziehbar gelten müßte; für eine solche weitreichende, eher auszuschließende Annahme hätte es aber gleichfalls einer durch ein entsprechendes Sachverständigengutachten untermauerten Rechtfertigung des Beschwerdeführers bedurft.

Da sich somit die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet erweist, war sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Hinsichtlich beider Beschwerdefälle konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG absehen werden.

Die Aussprüche über den Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, dies jedoch in Ansehung des dem Beschwerdeführer zu ersetzenden Aufwandes nur im Rahmen des von ihm gestellten Begehrens. Sein Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz für "Porto" nicht eigens vorgesehen und weiters nicht klar erkennbar ist, warum es sich bei den im Mängelbehebungsschriftsatz zusätzlich begehrten "Barauslagen" handelt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990020084.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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