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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. April 1990, Zl. I/7-St-B-90101, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. November 1989 um 13.00 Uhr in X, A-Straße Richtung Landeshauptstraße n, einen dem Kennzeichen nach bestimmten VW-Bus ohne die erforderliche Lenkerberechtigung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1, § 134 Abs. 1 KFG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer behauptet, er habe lediglich seiner Bekannten, die mit ihrem Kraftfahrzeug infolge der winterlichen Fahrverhältnisse auf der steil ansteigenden B-Straße "hängengeblieben" sei, Notstandshilfe geleistet, indem er den querstehenden Bus, für den die Gefahr des Abrutschens, Umkippens und der Beschädigung bestanden habe, aus dieser Gefahrenlage gebracht habe. Weil von diesem Standort aus ein weiteres Bergauffahren nicht möglich gewesen sei, habe er das Kraftfahrzeug durch die B-Straße und die A-Straße bis zur C-Straße lenken müssen.
Schon dieses Vorbringen zeigt, daß im Beschwerdefall von einem Notstand im Sinne des § 6 VStG keine Rede sein kann. Hierunter wäre nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Es muß sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1990, Zl. 89/03/0293).
Der Gefahr einer Körperverletzung konnte die Bekannte des Beschwerdeführers durch Aussteigen begegnen, was sie ihrer Aussage vom 27. November 1989 nach auch getan hat. Selbst wenn der Beschwerdeführer den Bus in der B-Straße aus einer gefährlichen Querlage befreit haben sollte, wäre damit eine allfällige Notstandsituation beendet gewesen. Eine solche lag während der folgenden Fahrstrecke von ca. 600 m weg vom Wohnhaus seiner Bekannten durch die A-Straße bis zur C-Straße keineswegs mehr vor. Wenn diese Fahrt - trotz Querung der Landeshauptstraße - dazu gedient haben sollte, um eine Anlaufstrecke für eine neuerliche Bergauffahrt zu gewinnen, so wäre damit nicht einer unmittelbar drohenden Gefahr begegnet worden. Hiezu ist noch anzumerken, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 7. Dezember 1989 von einer Gefahrensituation nichts berichtete, sondern lediglich erwähnte, weil seine Bekannte nicht mehr habe weiterfahren wollen, habe sie ihn ersucht, das Fahrzeug zu lenken; "da wir im VW-Bus diverse Waren hatten, mußten wir das Fahrzeug unbedingt zu dem Wohnhaus von Frau D. lenken".
Der Verwaltungsgerichtshof vermag es unter diesen Umständen sowie angesichts der sich aus dem im Verwaltungsakt befindlichen Lageplan ergebenden Fahrstrecke - der Beschwerdeführer wurde von der Gendarmerie erst nach Übersetzen der Kreuzung mit der Landeshauptstraße in der C-Straße angehalten - im Rahmen der ihm zustehenden beschränkten Beweiswürdigungskontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers keinen Glauben geschenkt hat.
Bei dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei von der Gendarmerie als Fußgänger angehalten worden, nachdem er das Fahrzeug abgestellt hatte, handelt es sich um eine (aktenwidrige) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung, die im übrigen an der vorangegangenen Fahrt ohne Lenkerberechtigung nichts ändern würde.
Aktenwidrig ist auch die Behauptung, der Beschwerdeführer habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ausführungen der Gendarmerie gehabt, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beschuldigtenvernehmung. Vielmehr wurde der Beschwerdeführer am 1. März 1990 im Rechtshilfeweg durch die Marktgemeinde X niederschriftlich als Beschuldigter vernommen, wobei er mit dem Akteninhalt vertraut gemacht wurde. Er wurde daher in seinem Parteigehör nicht verletzt; seine Verfahrensrüge muß erfolglos bleiben.
Was die Straffrage anlangt, so war unter den gegebenen Umständen das Verschulden des Beschwerdeführers keineswegs so geringfügig, daß gemäß § 21 VStG von einer Strafe hätte abgesehen werden können. Die Anwendung des § 20 VStG kam nicht in Betracht, da die Strafdrohung des § 134 Abs. 1 KFG keine Untergrenze kennt, die unterschritten werden konnte. Im übrigen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der Behörde bei der Bemessung der im unteren Bereich der Strafdrohung liegenden Geldstrafe ein Ermessensfehler unterlaufen wäre, zumal der einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer zuletzt durch eine niedrigere Geldstrafe von der neuerlichen Begehung einer gleichartigen Verwaltungsübertretung nicht abgehalten werden konnte.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Ermessen besondere Rechtsgebiete Erschwerende und mildernde Umstände VorstrafenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990020118.X00Im RIS seit
19.03.2001