TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/31 90/02/0119

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Veröffentlicht am 31.10.1990
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Mai 1990, Zl. Ib-182-168/89, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 2. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er nach einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden, an dem er am 1. Jänner 1988 gegen 15.40 Uhr mit seinem dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw auf dem Parkplatz des Postamtes in X ursächlich beteiligt gewesen sei, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt habe, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Eine rechtmäßige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 hatte zur Voraussetzung, daß an dem Fahrzeug, an das der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen anläßlich eines Ausparkmanövers gestoßen ist, (nur) ein Sachschaden entstanden ist. Die belangte Behörde hat dazu lediglich festgestellt, daß "dadurch zumindest dessen Kennzeichentafel verbogen wurde". In rechtlicher Hinsicht führte sie diesbezüglich aus, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch verhältnismäßig geringfügige Beschädigungen die Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1950 auslösten. Sie nahm dabei Bezug auf das Erkenntnis vom 24. April 1986, Zl. 85/02/0283, wonach das Abschürfen der Rinde, das Verbiegen oder das Schiefstellen von Bäumen jedenfalls Sachschäden sind, gleichgültig ob sich diese Unfallfolgen im Laufe der Zeit durch Regenerierung oder durch menschlichen Zugriff, also durch eine "Reparatur", wieder beheben lassen, und sie vertrat die Ansicht, daß analog dazu auch das Verbiegen einer Kennzeichentafel, wobei diese im wesentlichen - ganz geringfügige Spuren würden vermutlich zurückbleiben - durch bloßes Zurückbiegen wieder in den vorigen Stand versetzt werden könne, als Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 anzusehen sei. Der Beschwerdeführer hat sich demgegenüber schon im Verwaltungsstrafverfahren damit verantwortet, daß die gegenständiche Kennzeichentafel nur leicht verbogen gewesen sei, "diese Veränderung durch einfaches Zurückbiegen" wieder habe "beseitigt" werden können und daher kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 vorgelegen sei.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht, kann dann von einem Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 nicht gesprochen werden, wenn der frühere Zustand ohne nennenswerten Aufwand wieder hergestellt werden kann. Dies trifft daher in Ansehung von Fahrzeugen - anders als bei einem Lackschaden, einer bleibenden Verformung eines seiner Teile oder einer Abschürfung an einem Gummigriff, mögen diese Schäden auch nur geringfügig sein - bei bloßer Beschmutzung, einer wegwischbaren Kontaktspur oder einem herausgerissenen Gummiwulst aus einer Stoßstange, falls der Gummi keine dauernde Beschädigung erlitten hat, zu (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 20. Jänner 1984, Slg. Nr. 11296/A, vom 21. September 1984, Zl. 83/02/0009, und vom 20. April 1989, Zl. 85/18/0146). Nach Ansicht des Gerichtshofes ist eine verbogene Kennzeichentafel damit vergleichbar, sofern sie ohne nennenswerten Aufwand in ihre ursprüngliche Lage zurückgebogen werden kann. Es kann unerörtert bleiben, ob im gegebenen Zusammenhang - im Hinblick auf die sich aus den Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 ergebende, im Falle der Veräußerung des Fahrzeuges maßgebliche Rechtsnatur der Kennzeichentafeln (siehe insbesondere die §§ 49 Abs. 1, 43 Abs. 1 und Abs. 4 lit. c, 44 Abs. 2 lit. g und Abs. 4) - ein Vermögensschaden überhaupt nur eintreten könnte, wenn die Lesbarkeit des Kennzeichens auf diese Weise beeinträchtigt ist, sondern es hiefür entweder einer Reparatur der betreffenden Kennzeichentafel bedarf oder ein Austausch gegen eine neue Kennzeichentafel gemäß § 50 Abs. 2 KFG 1967 erforderlich ist; das "vermutliche Zurückbleiben ganz geringfügiger Spuren" beim Zurückbiegen der Kennzeichentafel fällt unter diesem Gesichtspunkt jedenfalls nicht ins Gewicht. Der Hinweis der belangten Behörde auf das Erkenntnis vom 24. April 1986, Zl. 85/02/0283, ist verfehlt, weil ihm insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, als (im Gegensatz zum vorliegenden Beschwerdefall) eine Wiederherstellung des früheren Zustandes ohne nennenswerten Aufwand nicht denkbar gewesen wäre. In ihrer Gegenschrift geht die belangte Behörde auf diese rechtliche Problematik - trotz des Umstandes, daß sie ausdrücklich von den Beschwerdegründen erfaßt ist - nicht mehr ein, sondern hält dem Beschwerdeführer auf Grund der Angaben des anderen Fahrzeugbesitzers entgegen, daß der Beschwerdeführer bei dem gegenständlichen Vorfall verschiedene, näher genannte Schäden herbeigeführt habe. Darauf kann aber nicht Bedacht genommen werden, weil dahingehende Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides unterblieben sind, wobei diesbezüglich auch eine entsprechende Beweiswürdigung durch die belangte Behörde vorzunehmen gewesen wäre.

Da somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid lediglich in einer einzigen Ausfertigung (mit den darauf entfallenden Stempelgebühren) vorzulegen war.

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990020119.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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