TE Vfgh Erkenntnis 1988/3/7 B532/87

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Veröffentlicht am 07.03.1988
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Nö GVG 1973 §8 Abs1
Nö GVG 1973 §8 Abs2 lita und litd
Nö GVG 1973 §8 Abs6

Leitsatz

Keine Bedenken gegen §§8 Abs1, 8 Abs2 lita und litd GVG Nö 1973; denkmögliche Heranziehung des Untersagungsgrundes nach §8 Abs2 litd; keine Willkür

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.       1. Der Bf. erwarb mit Kaufvertrag vom 22. bzw.

29. Oktober 1982 von der (beschränkt entmündigten, durch ihren

Beistand vertretenen) Eigentümerin die Grundstücke ... Wiese und

... Obstgarten, KG ..., im Ausmaß von 13.473 m2 um den

Kaufpreis von S 200.000,--.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirks-Bauernkammer Mödling am Sitz der Bezirkshauptmannschaft Mödling versagte dem Rechtsgeschäft unter Berufung auf §8 Abs2 lita des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1973, (im folgenden: NÖ GVG 1973), die Zustimmung mit der Begründung, daß der Erwerber kein Landwirt sei, ein Landwirt (Interessent) aber bereit und in der Lage sei, die Grundstücke zu erwerben.

Die dagegen erhobene Berufung des Bf. wurde von der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung unter Berufung auf §66 Abs4 AVG 1950 iVm §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs2 lita NÖ GVG 1973 abgewiesen.

Der VfGH hat auf Grund einer vom Bf. erhobenen, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde mit dem Erkenntnis vom 5. Juni 1986, B228/84 = VfSlg. 10846/1986, diesen Bescheid aufgehoben, weil der Bf. durch ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden war. Die Verletzung dieses Rechtes sah der VfGH darin, daß die bel. Beh. in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit insofern unterlassen hatte, als sie sich nicht mit der Frage auseinandersetzte, ob der Bf. als Nebenerwerbslandwirt anzusehen sei und daher der Erwerb der Grundstücke durch ihn in Betracht kommen könnte. Bei diesem Ergebnis war, wie der VfGH hervorhob, nicht zu untersuchen, welche Bedeutung dem Umstand zukam, daß die bel. Beh. nicht geprüft hatte, ob beim Interessenten nicht nur die Bereitschaft zur Bezahlung des Kaufpreises, sondern auch zur Übernahme der Grundstücke um den ortsüblichen Verkehrswert bestanden hätte.

2.a) Die bel. Beh. führte in der Folge ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, wies mit Bescheid vom 31. März 1987 die Berufung ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid, wobei sie ihren Bescheid auf §66 Abs4 AVG 1950 iVm §§1 Abs1, 6 Abs3 sowie 8 Abs1 und 2 lita und d NÖ GVG 1973 stützte.

b) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

c) Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10516/1985) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2. Die bel. Beh. hat den angefochtenen Bescheid insbesondere auf die Vorschriften des §8 Abs1 sowie des §8 Abs2 lita und d NÖ GVG 1973 gestützt. Diese Vorschriften lauten:

"§8. (1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

a)

der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt

ist

und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein

oder

mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

. . .

d)

das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung auf Grund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;"

3. Angesichts der verfassungsrechtlichen

Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (vgl. dazu etwa VfSlg. 7775/1976, 8177/1977, 9004/1981, 9128/1981, 9131/1981, 10687/1985), gegen die auch unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden sind, konnte der Bf. - da sich im vorliegenden Fall das Problem einer gleichheitswidrigen Gesetzesanwendung nicht stellt - in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte. Ob die Behörde willkürlich vorgegangen ist, kann nur aus dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall beurteilt werden (siehe etwa VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).

4. Die bel. Beh. hat nach der Aufhebung ihres Bescheides vom 8. Februar 1984 durch das Erkenntnis VfSlg. 10846/1986, das Verfahren durch Einholung eines weiteren Gutachtens des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen, durch Ermittlungen über die Bereitschaft und Fähigkeit des Interessenten zur Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes der kaufgegenständlichen Grundstücke und durch Einholung von Äußerungen des Bf. ergänzt.

Während sie mit dem Bescheid vom 8. Februar 1984 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung insbesondere unter Berufung auf §8 Abs2 lita NÖ GVG 1973 versagt hatte, stützte sie den angefochtenen Bescheid unter anderem auf §8 Abs2 lita und überdies auf §8 Abs2 litd dieses Gesetzes.

Wie der VfGH in seinen Erkenntnissen VfSlg. 9004/1981, 9128/1981, 9131/1981, 10687/1985 und 10846/1986 ausgesprochen hat, kommen bei verfassungskonformer Interpretation §8 Abs1 und §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 dann nicht zum Tragen, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich dabei um einen Voll- oder um einen Nebenerwerbslandwirt handelt. Dasselbe gilt für den Versagungstatbestand nach §8 Abs2 lita NÖ GVG 1973 (VfSlg. 10846/1986).

         5. Die bel. Beh. kam auch unter ergänzender

Heranziehung des von ihr eingeholten weiteren Gutachtens des

landwirtschaftlichen Amtssachverständigen und der weiteren

Äußerungen des Bf. zur Auffassung, daß der Bf., der

unbestrittenermaßen kein Vollerwerbslandwirt ist, auch nicht als

Nebenerwerbslandwirt angesehen werden könne. Sie stützte sich

dabei im wesentlichen auf folgende Umstände: Der Bf. ist

Versicherungsangestellter und in Wien wohnhaft. Er ist Eigentümer

der an die kaufgegenständlichen Grundstücke auf einer Strecke von

etwa 220 m angrenzenden Liegenschaft EZ ... KG H, bestehend aus

dem Grundstück ..., Baufläche, im Ausmaß von 511 m2 und den

Grundstücken ... und ..., je Wiese, und ... Garten (in der Natur

Wiese mit altem Obstbaumbestand) im Ausmaß von 4,1910 ha. Auf der Baufläche befindet sich ein Wohnhaus samt Wirtschaftsgebäude. Die Wiesenflächen werden Landwirten zur Gewinnung von Futter (Heu und Grummet) überlassen. Der Bf. erwirbt - das Gegenteil wurde von ihm nicht konkret dargetan - seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus nichtlandwirtschaftlicher Tätigkeit. Er hat zwar an den Gebäuden Adaptierungsarbeiten durchgeführt und seinen eigenen Angaben zufolge auf der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft Rodungen und Säuberungen von Windbruch vorgenommen sowie entlang der Straße eine Einfriedung errichtet. Er hat aber entgegen seiner bereits im ersten Rechtsgang gegenüber dem landwirtschaftlichen Amtssachverständigen für das Jahr 1984 bekundeten Absicht weder seinen Wohnsitz auf diese Liegenschaft verlegt noch mit der Schafhaltung begonnen, obwohl nach dem Gutachten des Amtssachverständigen auf der verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche mit mehr als 4 ha eine erfolgreiche Schafhaltung möglich wäre. Der Bf. hat die Liegenschaft auch sonst nicht "auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Art genutzt" (VfSlg. 9063/1981).

Wenn bei der gegebenen Sachlage die bel. Beh. davon ausging, daß der Bf. kein (Voll- oder Nebenerwerbs-)Landwirt ist und wenn sie ferner keinen hinreichenden Grund für die Annahme sah, daß der Bf. nach dem Erwerb der kaufgegenständlichen Grundstücke die in seinem Eigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen selbst bewirtschaften und daraus zu seinem Lebensunterhalt beitragen werde, kann ihr nicht der Vorwurf gemacht werden, daß sie zu diesem Ergebnis in denkunmöglicher - Willkür indizierender - Weise gekommen ist.

Durfte die bel. Beh. aber davon ausgehen, daß der Bf. (auch) kein (Nebenerwerbs-)Landwirt sei und auch nach dem Erwerb der in Rede stehenden Grundstücke kein solcher werden würde, so konnte sie in denkmöglicher Anwendung des Gesetzes eine Interessenabwägung nach §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 vornehmen.

Die auf das ergänzende Gutachten des Amtssachverständigen gestützte Schlußfolgerung der bel. Beh., daß der Interessent Inhaber eines aufstockungsbedürftigen landwirtschaftlichen Betriebes ist, wurde im Verfahren nicht widerlegt.

Das von der bel. Beh. ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, daß der Interessent bereit und in der Lage ist, den vom Amtssachverständigen ermittelten ortsüblichen Verkehrswert zu bezahlen. Um dies glaubhaft zu machen (§8 Abs9 NÖ GVG 1973), ist es nicht erforderlich, daß der Interessent Kaufverhandlungen mit dem Veräußerer aufnimmt.

Es ergibt sich somit, daß die bel. Beh. nicht durch denkunmögliche Anwendung des §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 Willkür geübt und dadurch den Bf. in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt hat.

6. Bei diesem Ergebnis kommt der Aussage der bel. Beh., daß der Bf. auch unter der Annahme der künftigen Bewirtschaftung der Fläche bestenfalls Nebenerwerbslandwirt im Sinne des §8 Abs6 NÖ GVG 1973 wäre, keine den angefochtenen Bescheid tragende Bedeutung zu. Es kann daher schon aus diesem Grund nicht gesagt werden, die bel. Beh. habe dem §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 einen Inhalt unterstellt, der diese Bestimmung - wegen der Bevorzugung von Vollerwerbslandwirten gegenüber Nebenerwerbslandwirten - als mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Erwerbes von Liegenschaften (Art6 StGG) in Widerspruch stehend erscheinen ließe.

Da die bel. Beh. ihre Entscheidung denkmöglich auf die Vorschrift des §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 gestützt hat, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch der Versagungsgrund nach §8 Abs2 lita dieses Gesetzes in denkmöglicher Weise herangezogen wurde.

Der Bf. ist mithin in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Erwerbes von Liegenschaften nicht verletzt worden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Ob das Gesetz auch richtig angewendet wurde, hat der VfGH nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des VwGH nicht zulässig ist (§7 Abs8 NÖ GVG 1973; VfSlg. 6877/1972, 8317/1978).

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (vgl. hinsichtlich des §8 Abs2 litd NÖ GVG 1973 auch das auf eine frühere Fassung dieser Vorschrift Bezug nehmende Erkenntnis VfSlg. 6331/1970) ist es auch ausgeschlossen, daß der Bf. in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Auslegung verfassungskonforme, Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B532.1987

Dokumentnummer

JFT_10119693_87B00532_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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