TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/6 90/14/0143

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Veröffentlicht am 06.11.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs2;
BAO §131 Abs1;
BAO §169;
BAO §183 Abs3;
BAO §184 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat II) vom 15. Mai 1990, Zl. 31.078-3/88, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1980 bis 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren in einem Fremdenverkehrsort in den Alpen zwei Hotels. Der abgabenbehördliche Prüfer stellte für die Streitjahre schwerwiegende Buchführungsmängel, Abweichungen bei den verprobten Erlösen sowie für 1982 bis 1984 eine Verkürzung des Wareneinsatzes der Küche fest. Der Prüfer nahm daher eine Nachkalkulation und aus dieser sich ergebende Zuschätzungen zu den Pensionserlösen, Küchenerlösen (1980, 1981), zu den Beförderungserlösen und Rodelerlösen vor. Die Schätzung beim Getränkeverkauf stützte er auf die Ergebnisse einer Getränkesteuerprüfung der Gemeinde. Das Finanzamt erließ entsprechende Sachbescheide, die der Beschwerdeführer - ausgenommen zu den Kalkulationsdifferenzen Getränke - mit Berufung bekämpfte. Darin behauptete er, eine Nachrechnung bei Rodelverleih, Taxi und Linienverkehr wäre auf Grund der ausgegebenen numerierten Bons jederzeit möglich gewesen. Wenn die Erlöse erst am Monatsende gesammelt in das Kassabuch nachgetragen worden seien, erkläre sich dies daraus, daß im Kassabuch dann Eintragungen erfolgt seien, wenn die Abrechnung mit der jeweils zuständigen Person durchgeführt worden sei. Die Vollauslastung der Hotels habe nicht 200 bzw. 100 Tage jährlich betragen, es könne lediglich mit 160 bis 180 bzw. 80 Vollbelagstagen gerechnet werden. Hinsichtlich der Küchenerlöse legte der Beschwerdeführer eine Kalkulation für 1980 und 1981 vor, aus der sich ein buchmäßiger Rohaufschlag von 178 und 179 Prozent ergab. Er verwies auf die erheblichen Kalkulationsschwankungen bei der Küche, die von der Arbeitsweise des jeweiligen Küchenchefs abhingen, und reklamierte einen Schwundansatz von 5 Prozent. Bei den Beförderungserlösen seien die Zusatzlinie mit 3.780 km jährlich und die Benzinaufwendungen für Stehzeiten (umgerechnet ca. 18.000 km jährlich) sowie die freie An- und Abfahrt der Gäste des zweiten Hotels nicht berücksichtigt worden. Wegen des unwegsamen Geländes gleiche der vom Prüfer angenommene Treibstoffverbrauch von 30 l pro 100 km die Stehzeiten und Leerläufe nicht aus. Der Sicherheitszuschlag wegen der Zusatzlinie sei nicht berechtigt. Es müßten daher auch die Rodelerlöse (Anzahl der beförderten Personen) reduziert werden. Mindestens zwei Drittel der Rodeln seien doppelt besetzt gewesen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und setzte die Bemessungsgrundlagen sowie die Gewerbesteuermeßbeträge neu fest.

Die Schätzungsberechtigung begründete die belangte Behörde damit, daß die Grundaufzeichnungen für die Erlösgruppen Telefon, Zigaretten, Rodeln, Taxi Inland, Taxi Ausland, Linienverkehr, Automaten und Handelswaren zur Gänze gefehlt hätten. Bei den Beförderungserlösen seien die Beträge erst am Monatesende aus dem (nicht mehr vorhandenen) Hilfsbuch in einer Summe in das Kassabuch übertragen worden. Schließlich seien anerkannte Erlösdifferenzen bei den Getränken von über 1,8 Mio Schilling sowie erhebliche Abweichungen bei allen verprobten Erlösen festgestellt worden.

Die belangte Behörde ging von der Schätzungsmethode des Finanzamtes bei den Küchen- und Pensionserlösen mit folgender Begründung ab:

"Die Ergebnisse der Verprobung zeigen einerseits, daß die von den Prüfern gewählten Rohaufschläge (178 Prozent) nicht zu hoch bzw. die Werte für den Wareneinsatz Pension (45 S bzw. 50 S) nicht zu niedrig sein können, weil andernfalls die negativen Abweichungen in den Jahren 1982 und 1983 noch größer wären; andererseits muß als erwiesen angenommen werden, daß 1982 und 1983 neben den Erlösen auch der Wareneinsatz verkürzt wurde, weil sonst nicht erklärbar wäre, wie beispielsweise 1983 ca.

4.700 Pensionsgäste (Differenz der erklärten zu den kalkulatorisch ermittelten Nächtigungen) verpflegt worden sein sollen, zumal sonstige Gründe für die erheblichen Schwankungen (z.B. Inventurfehler) im bisherigen Verfahren nicht hervorgekommen sind und auch vom Berufungswerber nicht behauptet wurden. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß in den Berufungsjahren sowohl Pensions- und Küchenerlöse als auch der Wareneinsatz Küche (1982 und 1983) verkürzt worden sind; die unterschiedliche Verwertung der eingesetzten Waren durch die Küchenchefs allein vermag diese erheblichen innerbetrieblichen Schwankungen jedenfalls nicht zu erklären. Wie hoch die Erlösverkürzungen 1982 und 1983 waren und ob auch 1980 und 1981 der Wareneinsatz neben den Erlösen verkürzt wurde, läßt sich aber nicht genau feststellen."

Sie hielt einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent der erklärten Küchen- und Pensionserlöse für sachgerechter, um den festgestellten Erlösverkürzungen samt den damit zusammenhängenden Unsicherheiten Rechnung zu tragen.

Auf das Berufungsvorbringen zu den Beförderungserlösen erwiderte die belangte Behörde folgendes:

"Dem Berufungswerber ist insoweit zuzustimmen, als bei Bergfahrten in unwegsamem Gelände mit Schneeketten und Anhänger der Benzinverbrauch bei den verwendeten Fahrzeugmarken sogar 30 l/100 km übersteigen kann. Andererseits ist jedoch zu bedenken, daß sich der Benzinverbrauch bei Talfahrten auf 15 bis 10 l/100 km vermindert, sodaß bei gleich langen Berg- und Talfahrten (je 7 km) der durchschnittliche Treibstoffverbrauch auf 100 km 25 l kaum übersteigen wird. Wenn die Prüfer daher von einem Verbrauch von 30 l/100 km ausgegangen sind, so sind damit nach Ansicht des Senates die Zusatzlinie sowie Stehzeiten in ausreichendem Maße berücksichtigt; dabei sei jedoch angemerkt, daß ein Benzinverbrauch für Stehzeiten von umgerechnet 18.000 km - wie dies der Berufungswerber angibt - bei insgesamt ca. 50.000 gefahrenen Kilometern nicht sehr wahrscheinlich ist.

Der verhängte Sicherheitszuschlag von 30 Prozent erscheint deshalb dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, weil die Kalkulation, bei der die Abweichungen festgestellt wurden, nur für die Monate Jänner bis März durchgeführt wurde und angenommen werden muß, daß in den Monaten Dezember bzw. April und Mai, in denen Beförderungserlöse in ungefähr der gleichen Höhe erzielt worden sind, es ebenfalls zu Erlösverkürzungen gekommen ist."

Zu den Rodelerlösen führte die belangte Behörde aus:

"Aus der Richtigkeit der Anzahl der beförderten Personen, wie sie die Prüfer ermittelt haben, ergibt sich auch die Zurechnung beim Rodelverleih. Der Einwand des Berufungswerbers, daß erfahrungsgemäß nicht jeder beförderten Person eine Rodel zuzuordnen sei, geht insofern ins Leere, als nach den Grundaufzeichnungen sehr wohl jeder beförderten Person eine Rodel berechnet wurde. Für den Monat Jänner 1983 werden die Erlöse Hüttenabende beispielsweise wie folgt aufgegliedert:

                               Taxi   Rodeln Wein  Spirit.

Erl.Rodelverl   175x30   5.250        5.250

Erl.Hüttenabend 217x210 45.570 17.360 6.510  5.425 2.170

Erl.Hüttenabend 285x145 41.325 22.800 8.550  7.125 2.850

Erl.Hüttenabend 269x120 32.280 21.520 8.070        2.690

Es zeigt sich somit, daß von jedem Teilnehmer an den Hüttenabenden für eine Rodel 30 S (= 6.510 S : 217) und für den Transport 80 S (= 17.360 S : 217) verlangt wurden. Es kann ausgeschlossen werden, daß an alle jene Personen, deren Beförderungsentgelte nicht erklärt worden sind, keine Rodeln verliehen worden sind. Vielmehr wären den aufgrund der beförderten Anzahl von Personen ermittelten Erlösen aus dem Rodelverleih lt. Betriebsprüfung noch jene Erlöse hinzuzurechnen, die außerhalb der Hüttenabende aus dem bloßen Rodelverleih ohne Nebenleistungen erzielt worden sind (im Jänner beispielsweise 5.250 S). Wenn die Prüfer auf die Hinzurechnung dieser Erlöse verzichtet haben, so scheint damit auch die Möglichkeit, daß in Einzelfällen tatsächlich zwei Personen nur eine Rodel verwendet haben, hinreichend berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß die Abgaben und die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge erklärungsgemäß festgesetzt werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet die Schätzungsbefugnis mit der Begründung, daß den Telefonkosten eine untergeordnete Bedeutung am Gesamtumsatz zukomme. Gleiches treffe auf die Erlöse aus dem Zigarettenverkauf zu. Für Rodel, Taxi und Linienverkehr bestünde durch numerierte Bons ein ständiger Nachweis, der jederzeit nachvollziehbar sei.

In diesen Überlegungen verschweigt der Beschwerdeführer, daß die Grundaufzeichnungen für die Erlösgruppen Rodelverleih, Taxi, Linienverkehr und Handelswaren zur Gänze fehlten und nicht durch die erwähnten Bons ersetzbar sind, daß erhebliche Abweichungen bei den verprobten Erlösen festgestellt wurden, die Kassaführung nicht laufend erfolgte (Sammeleintragung am Monatesende) und anerkannte Erlösdifferenzen bei der Getränkesteuerprüfung in Höhe von 1,8 Mio Schilling zutage getreten waren.

Auf Grund dieser Tatsachen kann an der Schätzungsbefugnis im gesamten Umfang kein Zweifel bestehen.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Parteiengehörs zwar ohne Anführung von Gründen, nach der Aktenlage aber im Ergebnis insofern zu Recht, als ihm vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die neue Schätzungsmethode bei den Pensions- und Küchenerlösen nicht vorgehalten worden war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1985, 85/14/0037, ÖStZB 1986, 159).

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt jedoch nur im Falle ihrer Wesentlichkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Diese Wesentlichkeit hat der Beschwerdeführer darzutun (vgl. die in Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., Seite 610, zitierte Judikatur).

Der Beschwerdeführer hat die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels in der Beschwerde nicht dargelegt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auf Grund der Aktenlage eine solche Wesentlichkeit nicht zu erkennen. Die Änderung der Schätzungsmethode durch Anwendung eines 10 prozentigen Sicherheitszuschlages wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid hinsichtlich ihrer Sachgerechtigkeit und Angemessenheit dargestellt. Die Anwendung dieser Methode führte zu einer Reduzierung der noch vom Finanzamt angenommenen Erlöse und Ergebnisse. Vom Beschwerdeführer wird weder gegen die Zulässigkeit der Änderung der Schätzungsmethode aus den von der belangten Behörde angeführten Gründen noch gegen ihre Sachgerechtigkeit Überzeugendes nachvollziehbar ins Treffen geführt. Für seine Behauptung, diese Schätzungsmethode führe "zu einer Auslastung von mehr als 365 Tagen" verweist er auf den Inhalt seiner Berufung, die sich jedoch nicht mit einem 10 prozentigen Sicherheitszuschlag befassen konnte, weil dieser vom Finanzamt gar nicht angewendet worden war. Das Vorbringen ist daher nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Schätzung durch Anwendung des erwähnten Sicherheitszuschlages nachzuweisen. Es ist unmöglich, daß ein 10 prozentiger Zuschlag zu den erklärten Erlösen in den erwähnten beiden Gruppen einer Auslastung von mehr als 365 Tagen entsprechen müßte, wenn der Erklärung die vom Beschwerdeführer in der Berufung behaupteten Maximalauslastungen zu Grunde lagen. Im übrigen befaßt sich, was die Pensions- und Küchenerlöse anlangt, die Beschwerde nur mit der Höhe der Rohaufschlagssätze, die aber nur das Finanzamt, nicht mehr jedoch die belangte Behörde angewendet hat, sodaß die betreffenden Ausführungen ins Leere gehen.

Hinsichtlich der übrigen Erlösgruppen führt die Beschwerde zur Begründung des Vorwurfes der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nur aus:

"Das gleiche betrifft auch die Erlöse betreffend Rodelverleih und Transporte Inland, sowie die Linienfahrten. Die erklärten Linienerlöse spiegeln eine Auslastung wieder, wie sie bei keinen öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden, trotzdem werden durch Umschichtungen für die Transporterlöse 30 Prozent Sicherheitszuschlag angesetzt."

Eine Auseinandersetzung mit der betreffenden Begründung des angefochtenen Bescheides ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen. Auch mit ihm ist daher nicht nachgewiesen, daß die Schätzung den tatsächlichen Verhältnissen nicht so weit als möglich nahekommt.

Was den Vorwurf betrifft, die belangte Behörde habe es unterlassen, "Küchenchef, Fahrer etc." als Zeugen zu vernehmen, ist darauf hinzuweisen, daß derartige Beweisanbote zu einem konkreten und entscheidungswesentlichen Beweisthema der Aktenlage nicht zu entnehmen sind. Die belangte Behörde hat daher auch nicht durch Mißachtung derartiger Beweisanträge Verfahrensvorschriften verletzt. Ein amtswegiges Vorgehen durch Zeugenvernehmung war der Sachlage nach nicht geboten.

Daß dem Beschwerdeführer durch Verletzung des Parteiengehörs die Möglichkeit genommen worden wäre, derartige Beweisanträge zu stellen, läßt sich aus der Beschwerde ebenfalls nicht erkennen.

Dem angefochtenen Bescheid haftet daher keine Rechtswidrigkeit an, die den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzte, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990140143.X00

Im RIS seit

06.11.1990

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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