TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/7 90/01/0117

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Veröffentlicht am 07.11.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §2;
AsylG 1968 §7 Abs1;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AVG §56;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. April 1990, Zl. 4 239.472/3-III/13/89, betreffend Feststellung der Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Februar 1989 wurde zunächst ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist. In einem zweiten Satz des Spruches dieses Bescheides wurde folgendes ausgesprochen:

"Gemäß § 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7.3.1968, BGBl. Nr. 126, sind Sie jedoch zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigt, weshalb sich Ihr weiterer Aufenthalt in Österreich nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes richtet."

Allein gegen den zuletzt zitierten Teil des Spruches erhob die Beschwerdeführerin Berufung und stellte den Berufungsantrag, die belangte Behörde möge in Stattgebung dieser Berufung den zweiten Teil des Spruches des bekämpften Bescheides aufheben und feststellen, daß die Beschwerdeführerin "zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich berechtigt" ist.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. April 1990 wurde in Erledigung der Berufung folgendes ausgesprochen:

"Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der Ausspruch über die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1950), BGBl. Nr. 172/1950 ersatzlos aufgehoben wird."

In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der Rechtslage zusammenfassend ausgeführt, die Aufenthaltsberechtigung des anerkannten Flüchtlings (§ 7 Abs. 1) ergebe sich als Tatbestandswirkung des Anerkennungsbescheides (hiezu: Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage 1987, Rz 474 ff). Das Vorliegen eines Anerkennungsbescheides sei notwendige, jedoch für sich allein nicht hinreichende Bedingung für die Aufenthaltsberechtigung, denn § 7 Abs. 2 nehme bestimmte (anerkannte) Flüchtlinge von der Aufenthaltsberechtigung aus und schränke so den persönlichen Geltungsbereich des § 7 Abs. 1 ein (bzw. präzisiere ihn). Ob einem anerkannten Flüchtling die Aufenthaltsberechtigung zukomme, sei erst im Zusammenhang mit einer Entscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu prüfen. Nur die zur Vollziehung des Fremdenpolizeigesetzes berufenen Behörden hätten zu beurteilen, ob ein Flüchtling gemäß § 7 Abs. 1 zum Aufenthalt berechtigt sei oder sich seine Aufenthaltsberechtigung ausschließlich nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes richte (wenn er entweder nie zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei; § 7 Abs. 2) oder die Aufenthaltsberechtigung nachträglich erloschen sei (§ 8). Die Aufnahme eines Ausspruches über die Aufenthaltsberechtigung in den Anerkennungsbescheid sei mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig (Art. 18 Abs. 1 B-VG). Da bereits die generelle Norm eine vollständige Regelung der Aufenthaltsberechtigung anerkannter Flüchtlinge enthalte, bleibe für eine bescheidmäßige Konkretisierung kein Raum. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner bisherigen Rechtsprechung die Zulässigkeit eines solchen Anspruchs nur implizit bejaht (zuletzt im Erkenntnis vom 15. April 1988, Zl. 87/01/0307), sodaß eine Rechtsprechung zu der zu lösenden Rechtsfrage im Sinne des § 13 Abs. 3 VwGG fehle.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat mit Beschluß vom 27. Juni 1990, B 752/90, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten insofern verletzt, "als auf Grund der Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Asylgesetz festzustellen gewesen wäre, daß auf Grund der Anerkennung des Beschwerdeführers als Konventionsflüchtling festzustellen gewesen wäre, daß er zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist". In Ausführung der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, in den Vorschriften des § 7 Asylgesetz sei generell für Konventionsflüchtlinge geregelt, daß sie zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt seien (Abs. 1). Im Abs. 2 werde insofern differenziert, daß es selbst bei Anerkennung als Konventionsflüchtling die Möglichkeit gebe, derzufolge der Flüchtling bei Vorliegen bestimmter Prämissen nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Wenn nun die belangte Behörde den Standpunkt vertrete, daß jegliche Entscheidung gemäß § 7 im positiven Anerkennungsbescheid zu entfallen habe, so sei dies insofern unrichtig, als im gegenständlichen Fall ja auch ein Verfahren nach dem Fremdenpolizeigesetz anhängig sei, welches zwar noch nicht rechtskräftig entschieden sei, in dem aber vorerst unterinstanzliche Entscheidungen getroffen worden seien, die im wesentlichen davon ausgegangen seien, daß der Beschwerdeführerin "Konventionsflüchtlingseigenschaft" nicht zukomme. Letztlich könne davon ausgegangen werden, daß das Asylgesetz die lex specialis und das Fremdenpolizeigesetz die lex generalis darstelle. Da aber die Asylwerber und insbesondere die anerkannten Konventionsflüchtlinge nur einen Teil des Personenkreises darstellten, auf die auch fremdenpolizeiliche Bestimmungen anzuwenden seien, habe daher hinsichtlich des Ausspruchs ihrer Aufenthaltsberechtigung der Gesetzgeber den § 7 des Asylgesetzes geschaffen und wäre daher die belangte Behörde verpflichtet gewesen, auf Grund des positiven Anerkennungsbescheides gemäß § 7 Abs. 1 festzustellen, daß die Beschwerdeführerin zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Fremder, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, in diesem Bundesgesetz kurz als "Konvention" bezeichnet, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt.

Gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. ist der Flüchtling zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kommt einem Flüchtling, der bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Konvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat oder gegen den ein Aufenthaltsverbot besteht, die Aufenthaltsberechtigung nach Abs. 1 nicht zu; seine Aufenthaltsberechtigung richtet sich in diesen Fällen ausschließlich nach dem Fremdenpolizeigesetz.

§ 7 Abs. 1 Asylgesetz ist eine Rechtsvorschrift, die unmittelbar an einen Bescheid nach § 1 leg. cit. die Rechtswirkung knüpft, daß der (anerkannte) Flüchtling zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Bei einer solchen Tatbestandswirkung eines Bescheides nach § 1 leg. cit. - die belangte Behörde hat zu Recht auf Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 4. Auflage, Rz 474 hingewiesen - bedarf es keiner weiteren bescheidmäßigen Feststellung und auch nicht eines materiell-rechtlichen Abspruches über die Aufenthaltsberechtigung des Flüchtlings, wenn nicht im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides über die Anerkennung als Flüchtling bereits eine der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 leg. cit. vorliegt; eine Entscheidung über das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die nach § 2 in Verbindung mit Art. II leg. cit. zuständige Behörde zu treffen. Bei einer Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 leg. cit. bedarf es keiner weiteren fremdenpolizeilichen Behandlung des anerkannten Flüchtlings; vielmehr sind dem Flüchtling die entsprechenden Dokumente im Sinne des § 10 Abs. 1 leg. cit. auszuhändigen.

Liegt eine Entscheidung nach § 7 Abs. 2 leg. cit. vor, hat die Fremdenpolizeibehörde über die weitere Aufenthaltsberechtigung des anerkannten Flüchtlings nach dem Fremdenpolizeigesetz zu entscheiden. Der Umstand, daß, wie die Beschwerdeführerin behauptet, ein Verfahren nach dem Fremdenpolizeigesetz gegen sie anhängig ist, vermag ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin für einen Feststellungsbescheid nach § 7 Abs. 1 Asylgesetz nicht darzutun, zumal die Fremdenpolizeibehörde weder über die Flüchtlingseigenschaft noch über die Aufenthaltsberechtigung des anerkannten Flüchtlings nach § 7 Abs. 1 leg. cit. zu befinden hat. Sollte über die Beschwerdeführerin, die derzeit nach der Aktenlage als Flüchtling anerkannt und nach § 7 Abs. 1 leg. cit. zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, ein Aufenthaltsverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz erlassen werden, dann erlischt ex lege gemäß § 8 lit. c Asylgesetz die Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 leg. cit.; selbst ein ausdrücklicher bescheidmäßiger Abspruch über die bisherige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 leg. cit. stünde der Anwendbarkeit des § 8 lit. c leg. cit. nicht entgegen.

Unzutreffend ist die Behauptung der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 15. April 1988, Zl. 87/01/0307, implizit die Zulässigkeit eines Abspruches nach § 7 Abs. 1 Asylgesetz bejaht. Denn in dem damals vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde war ein Ausspruch gemäß § 7 Abs. 2 Asylgesetz enthalten, der angefochten worden ist. In der Folge hat dieselbe belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt, weshalb der Verwaltungsgerichtshof genötigt war, gemäß § 38 Abs. 2 VwGG auf Grund der Beschwerdebehauptungen zu entscheiden. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof aber auch nur die Entscheidung gemäß § 7 Abs. 2 Asylgesetz aufgehoben.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010117.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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