TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/7 90/01/0070

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Veröffentlicht am 07.11.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/01/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorssitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerden

1. des RN, und 2. der FN gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 14. Dezember 1989, Zl. 4.237.999/2-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 460,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar jugoslawischer Staatsangehörigkeit und albanischer Nationalität, reisten am 20. März 1988 in das Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag Anträge auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 24. März 1988 gab der Erstbeschwerdeführer an er sei in seiner Heimat wegen des Singens albanischer Lieder einmal beanstandet und bei einem weiteren Mal verhaftet und in der Folge am 30. November 1986 vom Gemeindegericht in Pec (Peja) zu sechs Monaten Haft verurteilt worden, die er bis 28. Mai 1987 verbüßt habe. Die deutsche Übersetzung der im Besitz des Erstbeschwerdeführers befindlichen Fotokopie des Urteiles werde er der Behörde vorlegen. Über seine Entlassung aus der Haft habe der Erstbeschwerdeführer keine Bestätigung erhalten. Nach seiner Entlassung sei der Erstbeschwerdeführer von der Miliz überwacht worden, wobei bei ihm auch eine Hausdurchsuchung vorgenommen, belastendes Material aber nicht gefunden worden sei. Da der Erstbeschwerdeführer unter diesen Umständen nicht mehr in seiner Heimt habe leben wollen, habe er sich gemeinsam mit seiner Familie zur Flucht entschlossen.

Die Zweitbeschwerdeführerin führte bei ihrer am selben Tag vorgenommenen Einvernahme aus, sie habe ihre Heimat wegen des seitens der Miliz auf den Erstbeschwerdeführer ausgeübten Drucks wegen der wiederholt vorgenommenen Hausdurchsuchungen verlassen. Die Zweitbeschwerdeführerin selbst sei aber keinen direkt gegen sie gerichteten Beanstandungen durch die Miliz ausgesetzt gewesen.

Mit Bescheiden vom 21. bzw. 25. April 1988 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinn des Asylgesetzes sind.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen brachten die Beschwerdeführer ergänzend vor, ihre wirtschaftliche Situation in Jugoslawien sei gut gewesen, doch seien sie wegen der gegen das kommunistische System gerichteten politischen Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers gezwungen gewesen, ihr Heimatland zu verlassen. Die Zweitbeschwerdeführerin machte darüber hinaus geltend, die Polizei sei zu wiederholten Malen bei ihr zu Hause erschienen, um sie nach dem Aufenthaltsort des Zweitbeschwerdeführers zu befragen. Sie sei auch zur Polizeistation abgeführt, dort festgehalten, bedroht und nach dem Verbleib des Erstbeschwerdeführers befragt worden. Als sie vom Erstbeschwerdeführer Nachricht über dessen Aufenthalt in Österreich erhalten habe, sei sie sofort mit ihren Kindern von zu Hause geflüchtet und nach Österreich gereist.

Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge und bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide. In den Bescheidbegründungen wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben der Beschwerdeführer zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bei den Beschwerdeführern nicht vorlägen. Die Angaben des Erstbeschwerdeführers seien unglaubwürdig, weil er in der Berufung von seinen Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren abweichende Angaben über Festnahmen durch die Polizei gemacht und eine Überprüfung der von ihm vorgelegten Urteilsablichtung durch einen Vertrauensanwalt der österreichischen Botschaft in Belgrad die Unechtheit dieses Dokuments insbesondere deshalb ergeben habe, weil darin unterschiedliche Bezeichnungen des erkennenden Gerichtes enthalten seien und der unterfertigende Richter dem obersten Gericht von Kosovo angehört habe. Die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin seien nicht glaubhaft, weil auch ihr Berufungsvorbringen von ihren Angaben vor der Behörde erster Instanz abweiche, Asylwerber aber erfahrungsgemäß gerade bei ihrer ersten Befragung der Wahrheit am nächsten kommende Angaben machten. Ihrem erstinstanzlichen Vorbringen seien aber Verfolgungshandlungen nicht zu entnehmen, vielmehr habe die Zweitbeschwerdeführerin ausdrücklich erklärt, persönlich von der Miliz nie beanstandet worden zu sein. Insbesondere könne aber dem Berufungsvorbringen der Zweitbeschwerdeführerin deshalb kein Glauben geschenkt werden, weil sie entgegen ihren eigenen, mit den Angaben des Erstbeschwerdeführers übereinstimmenden erstinstanzlichen Angaben, denenzufolge sie gemeinsam mit diesem am 20. März 1988 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei, nunmehr behaupte, nach intensiven "Belästigungen durch die Polizei" ihrem Gatten nach Österreich nachgereist zu sein.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, vom Vertrauensanwalt aufgezeigte Widersprüchlichkeiten des vom Erstbeschwerdeführer beigebrachten Urteils wie auch Widersprüchlichkeiten dieses Berichtes selbst durch geeignete Nachforschungen aufzuklären. die Zweitbeschwerdeführerin machte geltend, die rechtswidrige Verweigerung der Anerkennung des Erstbeschwerdeführers als Flüchtling habe bewirkt, daß auch ihr Vorbringen als unglaubwürdig angesehen worden sei. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, die vermeintlichen Widersprüche zwischen den erstinstanzlichen Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Berufungsvorbringen aufzuklären.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung

BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zur Rüge des Erstbeschwerdeführers, die belangte Behörde habe keine weiteren Ermittlungen zur Aufklärung der vom Vertrauensanwalt aufgezeigten Widersprüchlichkeiten in der vorgelegten Urteilsablichtung aber auch nicht zur Aufklärung der im Bericht des Vertrauensanwaltes selbst enthaltenen Widersprüche angestellt, ist ihm entgegenzuhalten, daß der Erstbeschwerdeführer im Verwaltungsverfahren wegen des ihm mitgeteilten Berichtes des Vertrauensanwaltes keinerlei weitere behördliche Ermittlungen beantragt und auch keinerlei Widersprüchlichkeiten in diesem Bericht aufgezeigt, sondern lediglich darauf beharrt hat, die Urteilsablichtung sei ihm anläßlich seiner Haftentlassung übergeben worden. Mit dem nunmehr in der Beschwerde erstmals geltend gemachten Vorbringen über Widersprüchlichkeiten des Berichtes des Vertrauensanwaltes unterliegt der Erstbeschwerdeführer ebenso dem gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot wie mit der Behauptung, die belangte Behörde hätte klären müssen, ob der in der Urteilsablichtung unterfertigende Richter, der zufolge dem Bericht des Vertrauensanwaltes beim obersten Gericht von Kosovo tätig gewesen sei, im Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht doch dem Gemeindegericht von Peja angehört habe. Abgesehen vom Neuerungsverbot kann der beglaubigten Übersetzung der Urteilsablichtung tatsächlich entnommen werden, daß darin einmal vom Gemeindegericht für Übertretungen in Peja, dann vom Kreisgericht in Peja und schließlich vom Gemeindegericht in Peja als erkennendem Gericht die Rede ist. Bei diesem Sachverhalt konnte aber die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, daß der Erstbeschwerdeführer versucht hatte, seine Behauptungen durch ein gefälschtes Dokument zu untermauern, und daß daher sein gesamtes Vorbringen schon aus diesem Grunde unglaubwürdig ist.

Die von der Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Berufung geltend gemachten Fluchtgründe und insbesondere auch die in der Berufung enthaltene Darstellung der Umstände des Verlassens ihres Heimatlandes stehen in völligem Widerspruch zu ihren vor der Behörde erster Instanz gemachten Angaben. Soweit die belangte Behörde die Abweisung der Berufung damit begründet hat, daß erfahrungsgemäß die von Asylwerbern bei ihrer ersten Befragung gemachten Angaben am ehesten der Wahrheit entsprechen und daß daher die über das im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Vorbringung hinausgehenden Ausführungen als nicht glaubwürdig anzusehen sind, kann der belangten Behörde nicht der Vorwurf rechtswidrigen Vorgehens gemacht werden, weil der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen erkannt hat, daß eine derartige Würdigung eines sich im Lauf des Instanzenzuges steigernden und insbesondere widersprüchlichen Vorbringens von Asylwerbern nicht unschlüssig ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1987, Zl. 85/01/0299, vom 7. Dezember 1988, Zlen. 88/01/0276, 0284, und viele andere).

Die sich sohin als unbegründet erweisenden Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010070.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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