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35 ZollrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Mangels Festlegung eines Anwesenheitsquorums ist der nach §10 einzurichtende Beirat nur bei Anwesenheit aller Mitglieder beschlußfähig Geschäftsordnung des Beirates; normativer Akt genereller Natur; ausreichende Kundmachung - Bestandteil der Rechtsordnung, Rechtsverordnung; Regelung des Anwesenheitsquorums für die Beschlußfähigkeit in Punkt 4 erster Satz gesetzwidrig ImportausgleichsV - gesetzwidrig; der nach §4 Abs3 GeflügelwirtschaftsG für das Zustandekommen der Verordnung erforderlichen Anhörung lag ein Beschluß des nicht gesetzmäßig zusammengesetzten Kollegiums zugrunde Mit dem Außerkrafttreten der gesetzlichen Grundlage verlieren Durchführungsverordnungen ihre WirksamkeitSpruch
Der ArtI Z2 ex 02.02 B lita der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juli 1984, Zl. 39.011/05-III B9/84, über den Importausgleich für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft (Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 172 vom 26. Juli 1984) war gesetzwidrig.
Der Punkt 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates gemäß §10 des BG über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft, BGBl. Nr. 135/1969, vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft genehmigt unter Zl. 53.384-2a/69 vom 27. Juli 1969, war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH sind zu den Zlen. B938/85, B939/85, B59/86, B406/86 und B512/86 Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft anhängig, mit denen unter Berufung auf §4 des BG über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft, BGBl. Nr. 135/1969 idF BGBl. Nr. 133/1979 in der Folge als Geflügelwirtschaftsgesetz bezeichnet - iVm der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. Dezember 1984 (Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 299 vom 29. Dezember 1984) ein Importausgleich auf Grund der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juli 1984 vorgeschrieben wurde.
2. Bei der Beratung über die Beschwerden sind beim VfGH Bedenken gegen das gesetzmäßige Zustandekommen der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juli 1984 über den Importausgleich für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft (Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 172 vom 26. Juli 1984) - in der Folge als Importausgleichsverordnung 1984 bezeichnet - sowie Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Punktes 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates gemäß §10 des Geflügelwirtschaftsgesetzes entstanden. Der VfGH hat daher beschlossen, von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des ArtI Z2 ex o2.02 B lita der Importausgleichsverordnung 1984 und des Punktes 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates gemäß §10 des Geflügelwirtschaftsgesetzes einzuleiten.
3. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der er die Gesetzmäßigkeit dieser Vorschriften verteidigt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1.a) Das Geflügelwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 135/1969, zuletzt geändert durch das BG BGBl. Nr. 133/1979, bestimmte in seinem §1 Abs1, daß anläßlich der Einfuhr der dort angeführten Waren nach Maßgabe der Bestimmungen dieses BG ein Importausgleich einzuheben ist.
Nach §4 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes hatte der Importeur einer eingeführten, in §1 dieses Gesetzes genannten Ware einen Importausgleich in der Höhe der Differenz zwischen dem Zollwert und dem Schwellenpreis, der nach Maßgabe des §3 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes auf Vorschlag des Beirates gemäß §10 dieses Gesetzes festzusetzen war, zu entrichten, wenn der Zollwert unter dem Schwellenpreis lag.
Nach §4 Abs2 des Geflügelwirtschaftsgesetzes war der Zollwert mindestens in der Höhe des tarifmäßigen Zollsatzes zu entrichten. Dies galt auch für Waren, für die kein Schwellenpreis festgesetzt war.
§4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes lautete:
"(3) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft kann nach Anhörung des Beirates für Waren des §1 den Importausgleich nach Abs2 durch V gegenüber Staaten erhöhen, in denen für die Erzeugung, Herstellung oder Ausfuhr solcher Waren mittelbar oder unmittelbar eine Prämie oder Subvention gewährt wird. Diese Erhöhung kann, soweit es zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen erforderlich ist, bis zur Höhe der Prämie oder Subvention bemessen werden. Die Verordnungen nach dem ersten Satz sind im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' kundzumachen und treten, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt festgesetzt ist, mit dem Beginn des auf den Tag ihres Erscheinens folgenden Tages in Kraft."
§10 des Geflügelwirtschaftsgesetzes lautete:
"§10. (1) Beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft wird ein Beirat errichtet, dessen Mitglieder je drei Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, des Österreichischen Arbeiterkammertages und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs sind.
(2) Für jedes Mitglied des Beirates ist ein Ersatzmann zu bestellen.
(3) Die Mitglieder (Ersatzmänner) des Beirates üben ihre Funktion ehrenamtlich aus.
(4) Gültige Beschlüsse des Beirates bedürfen - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - einer Mehrheit von vier Fünfteln der abgegebenen Stimmen. Im übrigen wird die Tätigkeit des Beirates durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Beirat zu beschließen ist und der Genehmigung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bedarf.
(5) Die Mitglieder des Beirates und deren Ersatzmänner sowie allenfalls herangezogene Sachverständige dürfen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder zugänglich geworden ist, während der Dauer ihrer Bestellung und auch nach Erlöschen ihrer Funktion nicht offenbaren oder verwerten. Sie sind vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten.
(6) . . ."
b) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat mit der auf §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes gestützten Importausgleichsverordnung 1984 für die Einfuhr näher bezeichneter Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft aus Ursprungsländern, die Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind, einen erhöhten Importausgleich festgesetzt. Die hier bedeutsamen Bestimmungen der Importausgleichsverordnung 1984 haben folgenden Wortlaut:
"Artikel I
Für die Einfuhren nachstehend genannter Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft aus Ursprungsländern (§24 Handelsstatistisches Gesetz 1958, BGBl. Nr. 137), die Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind, beträgt der Importausgleich nach §4 Abs2 des Geflügelwirtschaftsgesetzes:
Zolltarif- Warenbezeichnung Importausgleich
nummer S/100 kg
. . . . . . . . .
2.) ex 02.02 B a) Tote Enten, gerupft, unzerteilt,
mit oder ohne Kopf und Füße, ge-
schlossen oder nur entdarmt oder
ausgenommen, mit oder ohne Bei-
fügung von Hals und Innereien,
frisch, gekühlt oder gefroren 475.--"
Der zeitliche Anwendungsbereich der Importausgleichsverordnung 1984 erstreckte sich vom 27. Juli 1984 (Artikel II) bis zum 30. November 1985, weil im Zeitraum ab dem 1. Dezember 1985 der mit V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 28. November 1985 (Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 278 vom 30. November 1985) festgesetzte Importausgleich zu entrichten war.
c) Mit den angefochtenen Bescheiden wurde der Importausgleich - zumindest unter anderem - auf Grund der Importausgleichsverordnung 1984 festgesetzt. ArtI Z2 ex 02.02 B lita dieser V wurde bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet. Diese Bestimmung ist auch vom VfGH bei der Entscheidung über die - zulässigen - Beschwerden gegen diese Bescheide anzuwenden und damit im Sinne des Art139 B-VG präjudiziell. Das Verfahren zur Prüfung der erwähnten Bestimmung der Importausgleichsverordnung 1984 ist zulässig.
2.a) §4 Abs3 erster Satz des Geflügelwirtschaftsgesetzes verpflichtete den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, vor der Erlassung einer V, mit der der Importausgleich erhöht wird, den Beirat gemäß §10 des Geflügelwirtschaftsgesetzes zu hören. Dieser Beirat hatte bei der Abgabe seiner Äußerung im Verfahren zur Erlassung der Importausgleichsverordnung 1984 - der Beschluß des Beirates hierüber wurde am 18. Juli 1984 gefaßt - ua. den Punkt 4 erster Satz seiner Geschäftsordnung anzuwenden, die von ihm gemäß §10 Abs4 zweiter Satz des Geflügelwirtschaftsgesetzes beschlossen und vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft unter Zl. 53.384-2a/69 vom 7. Juli 1969 genehmigt worden war.
Diese Bestimmung der Geschäftsordnung des Beirates hatte folgenden Wortlaut:
"Der Beirat ist - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - beschlußfähig, wenn von jeder der entsendenden Stellen mindestens 2 Mitglieder (Ersatzmänner) anwesend sind."
b) Die Geschäftsordnung des Beirates enthielt verbindliche Anordnungen über dessen Tätigkeit, die nicht nur für einen Einzelfall galten und die sich an einen generell umschriebenen Personenkreis, nämlich jedenfalls an die jeweiligen Mitglieder des Beirates, insbesondere an dessen jeweiligen Vorsitzenden, richteten. Es handelte sich mithin bei der Geschäftsordnung des Beirates auf Grund ihres Inhaltes (vgl. dazu VfSlg. 6422/1971, 8351/1978) um einen normativen Akt, und zwar um einen solchen genereller Natur (vgl. etwa VfSlg. 6291/1970, 8648/1979).
Die Geschäftsordnung des Beirates war nach ihrer Genehmigung durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft von diesem dem Beirat zu Handen seines Vorsitzenden mitgeteilt worden, der sie den Mitgliedern des Beirates bekanntmachte. Diese Form der Kundmachung reichte aus, um die Geschäftsordnung des Beirates zu einem Bestandteil der Rechtsordnung werden zu lassen (vgl. VfSlg. 4341/1962, S. 748; 7086/1973, S. 467f.; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, S.155). Als normativer, genereller Verwaltungsakt besaß die Geschäftsordnung des Beirates die rechtliche Qualität einer V und zwar, da sie eine der Erzeugungsbedingungen der Importausgleichsverordnung 1984 war, einer Rechtsverordnung.
c) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft war durch §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes verpflichtet, vor der Erlassung der Importausgleichsverordnung 1984 den Beirat zu hören.
Auf Grund einer entsprechenden Aufforderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft hatte der Beirat in seiner Sitzung am 18. Juli 1984 beschlossen, dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft "eine Änderung der Mindestimportausgleichssätze für Importe von Geflügelprodukten gegenüber Einfuhren aus EG-Ländern" vorzuschlagen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die - wie dargelegt, vom VfGH anzuwendende - Importausgleichsverordnung 1984 gesetzmäßig zustande gekommen ist, hat der VfGH ua. zu prüfen, ob der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eingeholten Äußerung des Beirates ein der Geschäftsordnung des Beirates und dem Geflügelwirtschaftsgesetz entsprechender Beschluß des Beirates zugrundelag. Bei dieser Prüfung hätte der VfGH insbesondere den Punkt 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates anzuwenden. Auch diese Bestimmung ist somit - und zwar mangels Trennbarkeit zur Gänze - im Sinne des Art139 B-VG präjudiziell (vgl. VfSlg. 3992/1961, S. 326), das sie betreffende Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
Daß der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide die Geschäftsordnung des Beirates nicht anzuwenden hatte, ändert daran nichts (vgl. VfSlg. 8028/1977, 10402/1985; siehe insbesondere auch VfSlg. 10292/1984, S. 764 f.).
3.a) Der VfGH hat im Beschluß über die Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Importausgleichsverordnung 1984 wie folgt begründet:
"1. Die Importausgleichsverordnung 1984, auf deren ArtI Z2 ex 02.02 B lita sich die angefochtenen Bescheide u. a. stützen, hat ihre gesetzliche Grundlage in §4 Abs3 erster Satz des Geflügelwirtschaftsgesetzes idF der Nov. 1978, BGBl. Nr. 340.
. . .
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist die Anhörung des Beirates eine Voraussetzung für das gesetzmäßige Zustandekommen der V. Eine V, die ohne Anhörung des Beirates erlassen wurde, ist mithin gesetzwidrig (VfSlg. 10595/1985; vgl. auch VfSlg. 4088/1961, 5111/1965, 5670/1968, 5784/1968, 7781/1976, 8086/1977, 9818/1983). Das Gesetz schreibt nicht vor, auf welche Weise die Anhörung des Beirates zu geschehen hat. Es macht daher keinen Unterschied, ob die Äußerung des Beirates auf Grund einer Aufforderung des Bundesministers erstattet wird oder ob der Beirat ohne eine solche Aufforderung von sich aus an den Bundesminister herantritt (VfSlg. 10595/1985). Da - zum Unterschied von §3 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes, der das dort vorgesehene Vorschlagsrecht des Beirates eingehend normiert - weder §4 Abs3 noch eine andere Vorschrift des Geflügelwirtschaftsgesetzes eine Regelung darüber enthält, wie die 'Anhörung des Beirates' durchzuführen ist, dürfte der Begriff 'Anhörung' in jener Bedeutung zu verstehen sein, die ihm im gesetzlichen Sprachgebrauch allgemein - also bei Fehlen einer besonderen gesetzlichen Regelung - zukommt:
Da es sich bei der Anhörung nicht um einen Fall der Mitwirkung an der verwaltungsbehördlichen Willensbildung handelt (VfSlg. 4088/1961, 7463/1974), scheint es zu genügen, wenn der anzuhörenden Stelle (ausreichende) Gelegenheit zu einer Äußerung gegeben wird (VfSlg. 5670/1968, S 79; siehe auch VfSlg. 8396/1978, vgl. dazu ferner etwa Korinek, Beiräte in der Verwaltung, FS Antoniolli, S 463 ff, hier S 479; Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, S 335). In einem Fall des §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes scheint mithin das Erfordernis der Anhörung des Beirates nicht nur dann erfüllt zu sein, wenn der Beirat tatsächlich - sei es von sich aus, sei es auf Aufforderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft - eine Äußerung abgegeben hat, sondern auch (schon) dann, wenn dem Beirat Gelegenheit geboten wurde, sich innerhalb einer vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft festgesetzten angemessenen - Frist zu äußern. Das Vorliegen einer Äußerung des Beirates scheint mithin nicht unter allen Umständen zu den Voraussetzungen für die Gesetzmäßigkeit der V zu gehören: Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft dürfte im Einklang mit dem Gesetz handeln, wenn er - das Vorliegen der übrigen Erfordernisse der Gesetzmäßigkeit der V vorausgesetzt - eine V nach §4 Abs3 erster Satz des Geflügelwirtschaftsgesetzes ohne weiteres erläßt, nachdem der Beirat einer an ihn gerichteten Aufforderung zur Erstattung einer Äußerung nicht innerhalb der vom Bundesminister gesetzten - angemessenen - Frist nachgekommen ist. Wenngleich also das Vorliegen einer Äußerung des Beirates nicht in jedem Fall zu den Voraussetzungen für die Erlassung einer V nach §4 Abs3 erster Satz des Geflügelwirtschaftsgesetzes zählen dürfte, scheint es doch so zu sein, daß eine (rechtzeitig erstattete) Äußerung des Beirates den ihr Zustandekommen regelnden gesetzlichen Vorschriften entsprechen muß, soll nicht die - "nach Anhören des Beirates" zu erlassende - V mit Gesetzwidrigkeit belastet sein. Liegt also eine Äußerung des Beirates vor, so scheint es für das gesetzmäßige Zustandekommen der V des Bundesministers für Landund Forstwirtschaft erforderlich zu sein, daß die Äußerung des Beirates in rechtlich einwandfreier Weise zustande gekommen ist. So hat der VfGH in seinem Erkennntis VfSlg. 10595/1985 eine auf §4 Abs3 erster Satz des Geflügelwirtschaftsgesetzes gestützte V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft wegen Fehlens einer dem Gesetz entsprechenden Anhörung des Beirates aufgehoben, weil der Beirat über die in seinem Namen erstattete Äußerung nicht - wie es dem Gesetz entsprochen hätte - in einer Sitzung Beschluß gefaßt hatte, sondern weil seine Mitglieder ihre Auffassung dem Vorsitzenden telefonisch mitgeteilt hatten.
2. Nach §10 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes besteht der - beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eingerichtete - Beirat aus je drei Vertretern der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, des Österreichischen Arbeiterkammertages und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs.
. . .
Das Geflügelwirtschaftsgesetz enthält keine Vorschrift darüber, wie viele Mitglieder des Beirates anwesend sein müssen, damit seine Beschlußfähigkeit gegeben ist. Der Beirat scheint daher nur bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder beschlußfähig zu sein (Erk. des VfGH VfSlg. 10595/1985; vgl. auch VfSlg. 3086/1956, 7837/1976), also nur dann, wenn von jeder entsendenden Stelle alle drei Mitglieder (oder Ersatzmänner) anwesend sind.
. . .
In der Sitzung des Beirates am 18. Juli 1984, in der beschlossen wurde, dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft 'eine Änderung der Mindestimportausgleichssätze für Importe von Geflügelprodukten gegenüber Einfuhren aus EG-Ländern' vorzuschlagen, waren nur zwei (statt drei) Vertreter des Österreichischen Arbeiterkammertages anwesend. Der Beirat scheint mithin zwar seiner Geschäftsordnung entsprechend, aber nicht gesetzmäßig zusammengesetzt gewesen, der von ihm gefaßte Beschluß daher gesetzwidrig zu sein."
b) Seine Bedenken gegen Punkt 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates hat der VfGH im Beschluß über die Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren wie folgt dargelegt:
"Nach §10 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes gehören dem Beirat je drei Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, des Österreichischen Arbeiterkammertages und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs an.
Wie bereits oben . . . ausgeführt, scheint, weil das Geflügelwirtschaftsgesetz für den Beirat kein Anwesenheitsquorum festlegt, die Beschlußfähigkeit des Beirates nur bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder gegeben zu sein. Der Beirat dürfte mithin nach dem Gesetz nur beschlußfähig sein, wenn von jeder entsendenden Stelle alle drei Mitglieder anwesend sind.
Nach dem in Prüfung gezogenen Punkt 4 erster Satz der Geschäftsordnung ist der Beirat - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - beschlußfähig, wenn von jeder der entsendenden Stellen mindestens zwei Mitglieder (Ersatzmitglieder) anwesend sind. Punkt 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates scheint mithin wegen eines inhaltlichen Widerspruches zum Gesetz gesetzwidrig zu sein."
4.a) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat in seiner Äußerung zur Frage des gesetzmäßigen Zustandekommens der Importausgleichsverordnung 1984 folgendes ausgeführt:
"Wie bereits in den Gegenschriften mehrfach ausgeführt, wird dem Erfordernis der Anhörung des Beirates gem. §4 Abs3 Geflügelwirtschaftsgesetz 1969 bereits dadurch entsprochen, wenn dieser anzuhörenden Stelle ausreichende Gelegenheit zu einer Äußerung gegeben wird. Nach Ablauf einer angemessenen Frist kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eine V erlassen, gleichgültig, ob der Beirat von der ihr eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und eine gültigen Beschluß gefaßt hat oder nicht. Im zweiten Fall ist es unerheblich, ob der Beirat das ihm eingeräumte Anhörungsrecht dadurch nicht wahrnimmt, daß er keine Sitzung durchführt oder einen rechtlich in nicht einwandfreier Weise zustande gekommenen Beschluß herbeiführt. Bei einer anderen Auffassung würde nämlich dem Beirat eine 'Verhinderungskompetenz' eingeräumt werden, indem der Beirat entweder durch Unterlassung der Einberufung einer Sitzung oder durch Abgabe einer (zwar rechtzeitig) aber nicht entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zustande gekommenen Äußerung die Erlassung einer V verhindern könnte, da dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ein Weisungsrecht gegenüber dem Beirat nicht zusteht.
Wenn der Beirat nach Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist eine Äußerung abgibt, die auf gesetzmäßig nicht konforme Weise zustande kam, ist nach Auffassung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft davon auszugehen, daß zwar dem gesetzlichen Erfordernis des Anhörungsrechtes des Beirates Rechnung getragen wurde, jedoch eine rechtmäßige Äußerung des Beirates nicht vorliegt; dabei ist es irrelevant, ob nach Auffassung des Beirates ein vermeintlicher Beschluß herbeigeführt wurde. Unzulässig wäre in diesem Falle jedoch, wenn der die V erlassende Bundesminister in der V auf eine Stellungnahme des Beirates als tragendes Element sich stützen würde. Die vom Beirat ge- äußerte 'Stellungnahme' könnte lediglich als Beweismittel dafür herangezogen werden, daß dem Beirat eine Möglichkeit zur Stellungnahme geboten wurde.
Einer Auffassung, daß eine Äußerung des Beirates, die zwar innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt, jedoch in gesetzmäßig nicht konformer Weise zustande gekommen ist, ein gesetzmäßiges Zustandekommen einer V verhindern könnte, kann das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft nicht folgen:
Dies würde nämlich bedeuten, daß ein Sozialpartnerbereich des Beirates durch mangelhafte Beschickung einer Sitzung das Zustandekommen einer V verhindern könnte. Vielmehr ist eine solche Äußerung des Beirates, auch wenn sie als 'Beschluß' bezeichnet wird, unmaßgeblich für die gesetzeskonforme Erlassung einer V, vorausgesetzt der Beirat hatte eine angemessene Frist eine Stellungnahme abzugeben.
Vor Erlassung der 'Importausgleichsverordnung 1984' vom 25. Juli 1984, wurde der Beirat mit Schreiben vom 20. Juni 1984, Zl. 39.011/03-III/B/9/84 aufgefordert, sich zu der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beabsichtigten Senkung der Mindestimportausgleichssätze gem. §4 Abs3 Geflügelwirtschaftsgesetz 1969 zu äußern. Die mit 18. Juli 1984 übermittelte Stellungnahme des Beirates ('einvernehmlicher Beschluß') ist im Sinne des Erkenntnisses des VfGH (VfSlg. 10595/1985) in rechtlich nicht einwandfreier Weise zustande gekommen, d.h. der Beirat hat sich verschwiegen. In der 'Importausgleichsverordnung 1984' wurde ein Hinweis 'nach Anhören des Beirates' nicht aufgenommen."
b) Den inhaltlichen Widerspruch des Punktes 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates zum Geflügelwirtschaftsgesetz hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in seiner Äußerung nicht in Abrede gestellt.
5.a) Der VfGH findet keinen Anlaß, von seiner im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens vertretenen Rechtsauffassung abzugehen. Auf dem Boden der durch das Geflügelwirtschaftsgesetz geschaffenen Rechtslage ergab sich:
Eine auf §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes gestützte V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, mit der ein erhöhter Importausgleich festgesetzt wurde, war gesetzwidrig, wenn sie ohne Anhörung des Beirates erlassen wurde. Das Erfordernis der Anhörung des Beirates war erfüllt, wenn der Beirat entweder von sich aus einen Vorschlag erstattete oder vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Gelegenheit erhalten hatte, sich innerhalb einer angemessenen Frist zu äußern (VfSlg. 5670/1968, S 79; siehe auch VfSlg. 8396/1978). Hatte der Beirat weder von sich aus einen Vorschlag erstattet noch von der ihm gebotenen Gelegenheit zur Abgabe einer Äußerung fristgerecht Gebrauch gemacht, so war der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft dadurch rechtlich nicht gehindert, die V (ohne Vorliegen einer Äußerung des Beirates) zu erlassen. Hatte aber der Beirat - von sich aus oder auf Aufforderung - eine Äußerung abgegeben, so war es für das gesetzmäßige Zustandekommen der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft erforderlich, daß die Äußerung des Beirates entsprechend den hiefür maßgebenden Rechtsvorschriften zustande gekommen war. Dazu gehörte insbesondere, daß der Äußerung des Beirates ein Beschluß zugrunde lag, der den Vorschriften des Geflügelwirtschaftsgesetzes und der auf seiner Grundlage (gesetzmäßigerweise) erlassenen Geschäftsordnung des Beirates entsprach (in diesem Sinne VfSlg. 10595/1985). Eine auf §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes gestützte V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft war mithin gesetzwidrig, wenn der Äußerung des Beirates nicht ein Beschluß dieses Kollegiums zugrundelag, der den im Geflügelwirtschaftsgesetz und (mit diesem im Einklang) in der Geschäftsordnung des Beirates festgelegten Beschlußerfordernissen entsprach.
Da das Geflügelwirtschaftsgesetz über die Beschlußfähigkeit des Beirates keine Vorschriften enthielt, war der Beirat nur bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder beschlußfähig (VfSlg. 10595/1985), also nur dann, wenn von jeder entsendungsberechtigten Stelle alle drei Mitglieder (oder deren Ersatzmänner) anwesend waren. Dafür spricht ua. der Umstand, daß nach §10 Abs4 des Geflügelwirtschaftsgesetzes die Einladung aller Mitglieder eines der Erfordernisse für die Fassung gültiger Beschlüsse bildete und daß nach §10 Abs2 dieses Gesetzes für jedes Mitglied des Beirates ein Ersatzmann zu bestellen war.
b) Nach Punkt 4 erster Satz der Geschäftsordnung des Beirates war der Beirat - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - beschlußfähig, wenn von jeder der entsendenden Stellen mindestens 2 Mitglieder (Ersatzmänner) anwesend waren. Diese Bestimmung stand mithin in einem inhaltlichen Widerspruch zum Gesetz.
c) Bei der Fassung des Beschlusses vom 18. Juli 1984, mit dem sich der Beirat für die Erlassung der Importausgleichsverordnung 1984 ausgesprochen hatte, waren, wie sich aus dem vorgelegten Protokoll über diese Sitzung des Beirates ergibt, von einer der entsendungsberechtigten Stellen, nämlich dem Österreichischen Arbeiterkammertag, nicht alle drei, sondern nur zwei Vertreter anwesend. Die Zusammensetzung des Beirates entsprach daher zwar dem - gesetzwidrigen - Punkt 4 erster Satz seiner Geschäftsordnung, nicht aber dem Gesetz. Der vom Beirat gefaßte Beschluß war mithin gesetzwidrig.
6. Das Geflügelwirtschaftsgesetz, das die gesetzliche Grundlage sowohl für die Importausgleichsverordnung 1984 als auch für die Geschäftsordnung des Beirates gemäß §10 des Geflügelwirtschaftsgesetzes bildete, ist zufolge der Vorschrift des §12 Abs2 des Geflügelwirtschaftsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 579/1987, mit Ablauf des 31. Dezember 1987 außer Kraft getreten. Mit dem Wegfall ihrer gesetzlichen Grundlage haben auch die Importausgleichsverordnung 1984 und die Geschäftsordnung des Beirates - beide Vorschriften waren Durchführungsverordnungen zum Geflügelwirtschaftsgesetz - ihre Wirksamkeit verloren (vgl. etwa VfSlg. 2266/1952, 2326/1952, 2344/1952).
Da die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen zugleich mit ihrer gesetzlichen Grundlage mit dem Ablauf des 31. Dezember 1987 außer Kraft getreten sind, ist gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß sie gesetzwidrig waren.
7. Die Verpflichtung zur Kundmachung dieser Aussprüche ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG idF BGBl. 297/1984 ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Verordnung, RechtsV, VerwaltungsV, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Präjudizialität, Wirtschaftslenkung, GeflügelwirtschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:V3.1988Zuletzt aktualisiert am
22.08.2008