Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des P gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Juni 1989, Zl. MA 62-III/292/89, betreffend Wohnkostenbeihilfe nach dem Heeresgebührengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Juni 1989 wurde dem Beschwerdeführer für die Dauer des ab 3. April 1989 geleisteten Grundwehrdienstes gemäß § 30 Abs. 3 Heeresgebührengesetz 1985 (HGG) Wohnkostenbeihilfe in der Höhe von S 1.853,77 monatlich zuerkannt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 30 Abs. 3 HGG gebührt Wehrpflichtigen, die einen im § 25 Z. 1 bis 3 genannten Präsenzdienst leisten, auf die jedoch Abs. 1 nicht anzuwenden ist, auf Antrag die Wohnkostenbeihilfe bis zur Höhe von 30 v.H. jener Bemessungsgrundlage für den Familienunterhalt, die für sie im Falle eines Anspruches auf Familienunterhalt maßgeblich ist oder maßgeblich wäre; Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe dürfen jedoch insgesamt diese Bemessungsgrundlage nicht übersteigen.
Gemäß § 30 Abs. 4 HGG sind mit der Wohnkostenbeihilfe nach den Abs. 1 und 3 den Wehrpflichtigen die ihnen nachweislich während des Präsenzdienstes für die erforderliche Beibehaltung der notwendigen Wohnung entstehenden Kosten so weit abzugelten, als ein allenfalls während des Präsenzdienstes verbleibendes Einkommen diese Kosten nicht deckt.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, daß der Beschwerdeführer zu dem im § 30 Abs. 3 leg. cit. genannten Personenkreis gehört.
Hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage vertrat der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Behörde die Meinung, die Bemessungsgrundlage betrage S 15.947,30, während die belangte Behörde ausgehend von ihrer Auffassung, daß nur die positiven Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit die Bemessungsgrundlage bilden können und der aus dem vorläufigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 sich insgesamt ergebende Verlust aus den Einkunftsquellen im Sinne des § 27 Abs. 5 HGG (inhaltsgleich mit § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 EStG 1972 bzw. 1988) bei der Ermittlung der gemeinsamen Bemessungsgrundlage im Sinne des § 26 Abs. 7 HGG nicht zu berücksichtigen sei, die Bemessungsgrundlage mit S 24.821,80 errechnet hat.
Auf diese Auffassungsunterschiede brauchte im Beschwerdefall schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil auch bei Zugrundelegung der geringeren Bemessungsgrundlage (S 15.947,30) die Wohnungskosten in der unbestrittenen Höhe von S 3.667,77 monatlich nicht die im § 30 Abs. 3 HGG genannte Höchstgrenze von 30 v.H. der Bemessungsgrundlage erreichen.
Aus dem erstinstanzlichen Bescheid geht hervor, daß bei Berechnung der Wohnkostenbeihilfe von den Wohnungskosten in der Höhe von S 3.667,77 ein Betrag von S 1.814,-- abgezogen wurde. Dazu wurde in der Begründung des Bescheides lediglich ausgeführt, "laut vorgelegter Unterlagen verbleibt dem Wehrpflichtigen während des Präsenzdienstes ein Einkommen von monatlich S 1.814,--". Aus einem im Akt befindlichen Berechnungsblatt geht hervor, daß die Summe der im vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 1987 aufscheinenden Einkünfte aus Kapitalvermögen (S 17.836,--) und aus Vermietung und Verpachtung (S 3.932,--) in der Höhe von S 21.768,-- durch zwölf dividiert wurde und der sich aus dieser Rechnung ergebende Betrag von S 1.814,-- als das dem Beschwerdeführer während des Präsenzdienstes verbleibende monatliche Einkommen behandelt wurde.
In seiner Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Feststellung, daß ihm während des Präsenzdienstes ein Einkommen von S 1.814,-- monatlich verbleibt, und meinte, bei einer Bemessungsgrundlage, die unter den letzten (nunmehr eingestellten) Bezügen aus nichtselbständiger Arbeit liege, könne es schon begrifflich zu keinen verbleibenden Einkünften kommen. Es erscheine rechtlich nicht zulässig, nur die positiven Einkünfte als verbleibende Einkünfte anzusehen.
Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor dem Magistratischen Bezirksamt für den 12. Bezirk am 31. Mai 1989 gab der Beschwerdeführer an, die Höhe der derzeit bezogenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung könne erst nach Erstellung der Überschußrechnung für 1989 genau beziffert werden. Fragen betreffend die anderen Einkunftsarten wurden nach dem Inhalt der Niederschrift an den Beschwerdeführer nicht gerichtet.
Die belangte Behörde hielt in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Berechnung der verbleibenden Einkünfte durch die erstinstanzliche Behörde für richtig.
Bei der Lösung der Frage, in welcher Höhe die Wohnkostenbeihilfe zuzuerkennen ist, ist von den oben wiedergegebenen Gesetzesstellen des HGG auszugehen. Nach § 30 Abs. 4 HGG ist von den Wohnungskosten ein "allenfalls während des Präsenzdienstes verbleibendes Einkommen" abzuziehen.
Auf Grund der Tatsache, daß das HGG mehrfach an Begriffe des Einkommensteuerrechtes anknüpft, erscheint es sachgerecht, den Begriff "verbleibendes Einkommen" unter Heranziehung der entsprechenden abgabenrechtlichen Bestimmungen zu interpretieren (vgl. das Erkenntnis vom 6. Dezember 1988, Zl. 88/11/0014).
Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18), außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) und Sanierungsgewinne (§ 36) sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105. Gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. unterliegen der Einkommensteuer nur die in den Z. 1 bis 7 aufgezählten Einkünfte. Gemäß § 2 Abs. 4 leg. cit. sind Einkünfte im Sinne des Abs. 3 bei Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb der Gewinn, bei den anderen Einkunftsarten der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten.
Um beurteilen zu können, ob einem Wehrpflichtigen während des Präsenzdienstes ein Einkommen verbleibt, ist es notwendig, konkrete Feststellungen über SÄMTLICHE WÄHREND des Präsenzdienstes ihm zukommenden Einkünfte zu treffen, weil erst dann im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG 1988 das Einkommen ermittelt werden kann.
Die von der belangten Behörde angewendete Methode, aus dem vorläufigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987 zwei Einkunftsarten herauszunehmen und diese als das dem Beschwerdeführer während des Präsenzdienstes verbleibende Einkommen zu behandeln, ist in zweifacher Hinsicht verfehlt. Einerseits lassen nämlich die für das Jahr 1987 festgestellten Beträge keinen Schluß darauf zu, daß sich an der Höhe dieser Einkünfte im Jahre 1989 nichts geändert hat (ein solcher Schluß könnte hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen allenfalls dann berechtigt sein, wenn diese Einkünfte in beiden Jahren ausschließlich aus festverzinslichen Wertpapieren resultieren, wovon aber mangels jeglicher diesbezüglicher Feststellung nicht ausgegangen werden kann), andererseits widerspricht es dem Einkommensbegriff im Sinne der oben wiedergegebenen Bestimmungen des EStG 1988, die Summe der positiven Einkünfte aus bestimmten Einkunftsarten als Einkommen zu behandeln und die Verluste aus anderen Einkunftsarten außer Ansatz zu lassen. Dieser Rechtsirrtum ist relevant, weil nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde nicht davon ausgegangen werden kann, daß das verbleibende Einkommen gegenüber dem des Jahres 1987 gleich geblieben ist oder sich erhöht hat.
Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt und es deshalb unterlassen hat, auf Grund eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens die für die Beurteilung des Beschwerdefalles erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde auf Grund der auch im Verfahren nach dem HGG geltenden amtswegigen Ermittlungspflicht (vgl. dazu das Erkenntnis vom 29. November 1988, Zl. 88/11/0015) die entsprechenden Ermittlungen - im Hinblick auf § 39 Abs. 2 dritter Satz AVG 1950 innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes - durchzuführen haben, wobei den Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 5 HGG die Verpflichtung trifft, die ihm zugänglichen Unterlagen beizubringen. Sollte es der belangten Behörde danach nicht möglich sein, konkrete Feststellungen über ein dem Beschwerdeführer während des Präsenzdienstes verbliebenes Einkommen zu treffen, wird sie die Wohnkostenbeihilfe in der Höhe der tatsächlichen Wohnungskosten von S 3.667,77 zuzuerkennen haben.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110203.X00Im RIS seit
04.05.2001