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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §2 Abs1 Z10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. März 1990, Zl. MA 70-10/51/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 8. März 1990 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 27. Jänner 1989 um 16.45 Uhr ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug in Wien 2, Engerthstraße, Ordnungsnummer 161 bis 163, mit vier Rädern auf dem Gehsteig abgestellt gehabt und somit letzteren vorschriftswidrig benützt; er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; die in erster Instanz verhängte Geld- und Ersatzarreststrafe wurde herabgesetzt. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde unter anderem ausgeführt, zur Tatzeit sei im Tatortbereich "am Gehsteig ein Radweg baulich ausgestaltet, aber noch nicht als solcher gekennzeichnet und kundgemacht" gewesen, so daß ein Radweg in rechtlicher Hinsicht "nicht in Erscheinung getreten ist und daher als Radweg gar nicht existiert hat". Ferner führte die Berufungsbehörde aus, daß eine bauliche Trennung des Gehsteiges vom - beabsichtigten - Radweg durch einen Randstein nicht vorgelegen sei, zumal der Randstein niveaugleich mit dem Gehsteig gewesen sei. Auch der Umstand, daß der zur Tatzeit noch nicht als solcher gekennzeichnete Radweg an den Straßenkreuzungen auf Straßenniveau abgesenkt worden sei, ändere nichts daran, daß er als Gehsteig zu bezeichnen gewesen sei. Im Tatortbereich sei er sehr wohl "zusammen mit dem übrigen Teil von der Straße abgegrenzt" gewesen. Da die Abstellung des Fahrzeuges am Tatort unbestritten sei und der Tatort zur Tatzeit (noch) ein Gehsteig gewesen sei, sei der Tatbestand verwirklicht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahrstreifen, Radwegen und Geh- und Radwegen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, verboten. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 10 StVO ist Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dergleichen abgegrenzter Teil der Straße.
Da dem Beschwerdeführer die verbotene Benützung eines Gehsteiges - und nicht die ebenso verbotene Benützung eines Radweges - zum Vorwurf gemacht wurde, ist es unentscheidend, ob der Tatort zur Tatzeit als Radweg im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 8 StVO zu qualifizieren war; entscheidend ist vielmehr, ob er als Gehsteig zu qualifizieren war oder in anderer Weise. Jede Verneinung der Eigenschaft des Tatortes als Gehsteig würde zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führen, unvorgreiflich der Frage, ob dem Beschwerdeführer bei unverändertem Sachverhalt eine andere rechtliche Qualifikation des Tatortes angelastet werden könnte.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Vernehmung am 6. September 1989 angegeben, der Tatort sei vom daneben befindlichen Gehsteig durch einen Randstein abgegrenzt, dieser Randstein sei niveaugleich mit dem Gehsteig. In seiner Berufung brachte er vor, diese durch den Randstein vom Gehsteig getrennte Verkehrsfläche sinke an Straßenkreuzungen - dies im Gegensatz zum Gehsteig - auf Fahrbahnniveau ab, was darauf hindeute, daß es sich eben nicht um einen für den Fußgängerverkehr bestimmten Teil der Straße handle.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen nur ungenügend auseinandergesetzt. Die Stellungnahme des Meldungslegers vom 21. Juni 1989 und seine Handskizze geben keine Auskunft über die entscheidenden Fragen. Die belangte Behörde hat sich mit der - vom Beschwerdeführer gar nicht bestrittenen - Feststellung begnügt, der Randstein sei niveaugleich mit dem Gehsteig gewesen - wie dies ja üblicherweise der Fall ist. Nicht beantwortet wurde die Frage, was der Randstein - der hier offenbar nicht ident ist mit der Begrenzung der Fahrbahn - zu bedeuten habe, insbesondere, ob er eine Begrenzung jener Fläche darstellen sollte, die für den Fußgängerverkehr bestimmt war. Ein weiteres Indiz für einen solchen anderen Zweck - nämlich die künftige Verwendung als Radweg - könnte der Umstand der Absenkung dieser anderen Fläche auf Fahrbahnniveau an den Straßenkreuzungen bilden, da Gehsteige doch üblicherweise von der Fahrbahn nicht durch Absenkungen, sondern durch einen Randstein getrennt sind.
Diese Tatfragen hat die belangte Behörde nicht geklärt.
Die belangte Behörde irrt auch darin, wenn sie vermeint, die Bestrafung des Beschwerdeführers sei schon dann gerechtfertigt, wenn sein Fahrzeug auf keinem Radweg im Rechtssinn aufgestellt gewesen sei - maßgebend ist vielmehr, wie bereits oben ausgeführt, ob der Tatort ein Gehsteig war oder eine andere Verkehrsfläche war, ganz gleich, worin deren andere rechtliche Qualifikation bestehen möge.
Da somit der Sachverhalt in den aufgezeigten wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990180131.X00Im RIS seit
12.06.2001