Index
32/04 Steuern vom Umsatz;Norm
UStG 1972 §2 Abs3;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 392;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Volksschulgemeinde Wieselburg gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom 13. Dezember 1988, Zl. 6/2-2365/4/1985, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1979 bis 1983, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende VOLKSschulgemeinde (in der Folge kurz: Beschwerdeführerin) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Sie errichtete in den Jahren 1977 bis 1979 aus ihren Mitteln mit Zustimmung der HAUPTschulgemeinde Wieselburg - diese ist ebenfalls eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes - auf dem der Volksschule benachbarten Grundstück, auf dem sich das Hauptschulgebäude befindet, ein einen Turnsaal beinhaltendes Gebäude, welches in der Folge aber nicht von den Volksschülern, die von da an im früheren Turnsaal der Hauptschule turnten, sondern durch andere Personen, insbesondere auch durch die Hauptschüler, gegen Entgelt benutzt wurde.
Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Rechtsansicht, daß die zwischen den beiden, im wesentlichen aus denselben Gemeinden bestehenden Schulgemeinden gewählte Konstruktion nur dazu diene, "um den Hoheitsbereich der Volksschulgemeinde beim Turnsaalbau zu umgehen", weswegen ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 22 Abs. 1 BAO vorliege. Dementsprechend nahm der Prüfer eine Kürzung der Vorsteuern für den Bau des Turnsaalgebäudes vor; und zwar in der Weise, daß "die Turnzeiten der Volksschüler in der Hauptschulturnhalle der Volksschulturnhalle zugerechnet und die Turnzeiten der Hauptschüler in der Volksschulturnhalle um diese Zeiten gekürzt" wurden. Dieser Auffassung schloß sich auch das Finanzamt in den sodann erlassenen erstinstanzlichen Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre an.
In ihrer gegen diese Bescheide erhobenen Berufung bekämpfte die Beschwerdeführerin die Beurteilung der in Rede stehenden Konstruktion als Mißbrauch und beantragte, beim Vorsteuerabzug "jene Turnzeiten, welche die Volksschüler im Hauptschulturnsaal turnen, nicht den Turnzeiten der Volksschüler im Volksschulturnsaal zuzurechnen".
Da die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren behauptete, "Eigentümer des Turnsaales" zu sein, während die Hauptschulgemeinde "Eigentümer des Grundes" sei, wies die belangte Behörde mittels eines Vorhaltes darauf hin, daß "für die Dauer bestimmte Gebäude" nach bürgerlichem Recht dem Grundeigentümer zuwüchsen und knüpfte daran die Frage, auf welcher rechtlichen Basis die Aussage der Beschwerdeführerin beruhe, Eigentümer des Turnsaales zu sein. Die Beschwerdeführerin antwortete hierauf wörtlich wie folgt:
"Die Mitglieder der Hauptschulgemeinde stimmten dem Bau des Volksschulturnsaales als Superädifikat zu, sodaß die Volksschulgemeinde Besitzer des Turnsaales wurde. Die Verbücherung dieses Superädifikates wird mit Zustimmung der Hauptschulgemeinde (Grundeigentümer) eingeleitet."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Die erstinstanzlichen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre wurden gleichzeitig dahingehend abgeändert, daß die in Rechnungen der Beschwerdeführerin, die in den Streitjahren nicht Unternehmer gewesen sei, ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 festgesetzt wurde. Dies im wesentlichen mit der Begründung, eine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1972 liege hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin errichteten Turnsaales in den Streitjahren nicht vor. Ob nämlich eine solche Vermietung oder Verpachtung eines Grundstückes gegeben sei, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu entscheiden. Nach bürgerlichem Recht sei jedoch mangels einer Vereinbarung bzw. mangels sonstiger Anhaltspunkte dafür, das den Turnsaal beinhaltende Bauwerk nicht dauernd auf dem Hauptschulgrund zu lassen, dieses Bauwerk unselbständiger Bestandteil des Grundstückes der Hauptschulgemeinde geworden, weswegen ein Superädifikat, das die Beschwerdeführerin hätte in Bestand geben können, nicht vorhanden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist die Frage streitentscheidend, ob der Beschwerdeführerin als Körperschaft des öffentlichen Rechtes Unternehmereigenschaft in den Streitjahren deswegen zukommt, weil hinsichtlich des von ihr auf fremdem Grund errichteten, einen Turnsaal beinhaltenden Gebäudes eine "Vermietung und Verpachtung von Gründstücken" im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1972 vorlag. Die belangte Behörde verneint dies im angefochtenen Bescheid sinngemäß mit dem Argument, die Beschwerdeführerin sei nicht zivilrechtlicher Eigentümer des Grundstückes oder eines Teiles hievon gewesen. Insbesondere habe kein Superädifikat bestanden, weil ein solches zur Voraussetzung habe, daß entweder ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht am Grundstück vereinbart worden sei oder daß schon aus der Bauweise des aufgeführten Gebäudes hervorgehe, es werde nicht auf Dauer auf diesem Grund verbleiben; keines dieser Merkmale sei aber im Beschwerdefall erfüllt gewesen.
Demgegenüber stützt die Beschwerdeführerin ihre gegenteilige Beurteilung in der Beschwerde erstmals auf die Behauptung, sie sei wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO und deswegen zur Vermietung des Gebäudes an die Hauptschulgemeinde Wieselburg und an andere Personen berechtigt gewesen.
Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erblicken den ausschlaggebenden Umstand darin, welche rechtliche Stellung der Beschwerdeführerin in bezug auf das Gebäude in den Streitjahren zukam. Deren ziviles oder wirtschaftliches Eigentum sei rechtliche Voraussetzung dafür, von einer Vermietung des Gebäudes durch sie in den Streitjahren im Sinne der in Rede stehenden Abgabenvorschrift sprechen zu können.
Damit verkennen jedoch beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Rechtslage.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes dafür maßgebend, ob eine Vermietung oder Verpachtung im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1972 vorliegt oder nicht. Allerdings hat aber nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die von den Parteien des Beschwerdeverfahrens in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellte (mangelnde) Berechtigung des Bestandgebers an der Sache auf den Bestand des Vertrages INTER PARTES keinen Einfluß (vgl. Würth in Rummel, ABGB2, RZ 7 zu den §§ 1092 bis 1094); auch ein Nichteigentümer, ja selbst ein Unbefugter vermag Sachen in Bestand zu geben (vgl. MGA-ABGB33 E 3, 4). Auf allfällige hier nicht geltend gemachte zivilrechtliche Folgen der mangelnden Verfügungsberechtigung des Bestandgebers kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Ob eine "Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken" nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes und sohin auch im Sinne der in Rede stehenden Abgabenvorschriften vorliegt oder nicht, ist (nach dem Inhalt des Rechtsgeschäftes) auch für das Rechtsverhältnis zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner UNABHÄNGIG von der Berechtigung desjenigen, der einem anderen eine unverbrauchbare Sache gegen Entgelt in Nutzung gibt, zu beurteilen.
Die belangte Behörde vertritt hingegen die unrichtige Rechtsansicht, daß es ausschlaggebend auf die Berechtigung zur Vermietung eines Grundstückes ankomme. Dementsprechend hat sie es verabsäumt, den im Beschwerdefall vorliegenden Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt zu prüfen und trotz hiefür sprechender Anhaltspunkte im Verwaltungsakt Sachverhaltsfeststellungen darüber zu treffen, ob die Beschwerdeführerin - unabhängig von ihrer Berechtigung hiezu - das den Turnsaal beinhaltende Gebäude in den Streitjahren anderen Personen tatsächlich gegen Entgelt zur Nutzung überlassen hat; dies stellt zwar einen Verfahrensmangel dar. Infolge Verkennens der Rechtslage durch die belangte Behörde mußte der angefochtene Bescheid jedoch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Umsatzsteuer ist in den pauschalierten Sätzen dieser Verordnung bereits berücksichtigt.
Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde Gelegenheit haben, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob gegenständlich nicht tatsächlich der vom Betriebsprüfer ursprünglich aufgegriffene Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes vorliegt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150023.X00Im RIS seit
12.11.1990Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008