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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des B gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. Februar 1990, Zl. A 693/31/1-IV/5/90, betreffend Auskunftspflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, daß die vom Beschwerdeführer begehrte Auskunft, ob gegen einen bestimmten Abgabepflichtigen ein Steuerverfahren noch läuft bzw. abgeschlossen oder eingestellt wurde, nicht erteilt werde. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß das Bundesministerium für Finanzen nach § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/87, nur über Angelegenheiten des Wirkungsbereiches des Bundesministeriums für Finanzen Auskünfte zu erteilen habe. Die Durchführung erstinstanzlicher bzw. allfälliger zweitinstanzlicher Abgabenverfahren liege - von im gegebenen Zusammenhang nicht in Betracht kommenden Ausnahmen wie etwa bei Anträgen nach § 103 EStG 1972 abgesehen - nicht im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen. Daher sei das Bundesministerium für Finanzen für die vom Beschwerdeführer begehrte Auskunft nicht zuständig. Davon abgesehen stünde der begehrten Auskunft Art. 20 Abs. 3 B-VG (Amtsverschwiegenheit) bzw. § 48a BAO (abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht) entgegen.
Vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides "infolge zu Unrecht ausgesprochener Unzuständigkeit der belangten Behörde" und allenfalls dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes haben die Organe des Bundes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen. Zu den Organen des Bundes zählen auch die Bundesminister, woran die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Auskunftspflichtgesetzes, 41 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVII. GP, dargestellte Entstehungsgeschichte des Gesetzes im übrigen keinen Zweifel läßt.
Die Auskunftspflicht trifft die Organe des Bundes nur für Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches, wobei das Gesetz den Begriff des "Wirkungsbereiches" jedoch nicht umschreibt. Im Zusammenhang mit den Bundesministerien spricht Abschnitt II und im besonderen § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, von einem Wirkungsbereich. Dem Beschwerdeführer ist zuzubilligen, daß nach § 2 Abs. 1 Z. 2 des Gesetzes im Zusammenhalt mit Teil 2 der Anlage zum Bundesministeriengesetz 1986 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 78/87 der Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Finanzen unter anderem Angelegenheiten der von Abgabenbehörden des Bundes verwalteten öffentlichen Abgaben (einschließlich der Angelegenheiten des Verfahrens) umfaßt. Würde man jedoch den solchermaßen aus dem Bundesministeriengesetz 1986 gewonnenen Begriff des "Wirkungsbereiches" mit dem Wirkungsbereich im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes gleichsetzen, dann wäre der Bundesminister für Finanzen zur Auskunft über jedes bei welchem Finanzamt immer durchgeführte Abgabenverfahren verhalten. Ein derart weitgehendes Verständnis des Begriffes des Wirkungsbereiches ließe sich mit der aus den zitierten Gesetzesmaterialien hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers, die Auskunftspflicht möglichst verwaltungsökonomisch zu gestalten, nicht vereinbaren. Auch ist in Rechnung zu stellen, daß der Gesetzgeber den Begriff des Wirkungsbereiches im Auskunftspflichtgesetz nicht nur im Zusammenhang mit den Bundesministerien, sondern schlechthin in bezug auf die Organe des Bundes verwendet. Zudem trägt der Gesetzgeber im § 4 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes 1986 den Bundesministern nach wie vor auf, dafür Sorge zu tragen, "daß die ihren Bundesministerien nachgeordneten Verwaltungsbehörden, Ämter und Einrichtungen des Bundes innerhalb ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Auskünfte erteilen, soweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem nicht entgegensteht". Diese Gesetzeslage und die aus den Gesetzesmaterialien - und überdies auch aus § 1 Abs. 2 des Auskunftspflichtgesetzes - erkennbare Absicht des Gesetzgebers, die Auskunftserteilung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie zu regeln, legt ein Verständnis des Begriffes "Wirkungsbereich" im § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes nahe, das dem des § 4 Abs. 3 des Bundesministeriengesetzes 1986 entspricht, daß nämlich die Organe des Bundes innerhalb ihrer örtlichen und sachlichen ZUSTÄNDIGKEIT Auskünfte erteilen. Dieses Verständnis hat der Begriff des Wirkungsbereiches auch im Schrifttum gefunden (Nikolaus, Auskünfte von Finanzbehörden nach dem Auskunftspflichtgesetz, Seite 29). Aus der Sicht des Beschwerdefalles bedeutet dies, daß die für die Durchführung des betreffenden Abgabenverfahrens zuständige Behörde (Organ) die begehrte Auskunft über den Stand des Verfahrens zu erteilen hat, nicht hingegen ein unzuständiges Organ.
Für die Durchführung eines Abgabenverfahrens gegen einen bestimmten Abgabepflichtigen ist aber der Bundesminister für Finanzen nicht zuständig. Dies geht vor allem aus der Anordnung des § 291 BAO hervor, der gegen Berufungsentscheidungen und sonstige Bescheide der Abgabenbehörden zweiter Instanz - das sind die Finanzlandesdirektionen (§ 260 Abs. 1 BAO) - ein ordentliches Rechtsmittel nicht zuläßt, und weiters aus § 311 BAO, nach dem in Säumnisfällen die Zuständigkeit zur Entscheidung (nur) auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz (und nicht auf den Bundesminister für Finanzen) übergeht. Eine sachliche Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung eines Abgabenverfahrens gegen einen bestimmten Abgabepflichtigen besteht nicht. Es handelt sich daher auch um keine Angelegenheit, die im Sinne des § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes in den Wirkungsbereich des Bundesministers für Finanzen fällt. Daß im Sinne des angefochtenen Bescheides keine Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen nach einer Ausnahmeregelung wie etwa § 103 EStG 1972 in Betracht kam, bestreitet der Beschwerdeführer nicht; auch die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt hiefür.
Bei seinem Hinweis auf § 6 Abs. 1 AVG - im besonderen auf die Verpflichtung der Behörde, Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen -, übersieht der Beschwerdeführer, daß er sich in seinem Schreiben vom 28. Dezember 1989 an den Bundesminister für Finanzen gegen die bisherige Verweigerung der begehrten Auskunft wandte und ausdrücklich ausführte:
"Sollte das Bundesministerium für Finanzen dennoch die geforderte Auskunft weiterhin verweigern wollen, stelle ich hiermit zugleich gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes den Antrag auf Erlassung eines entsprechend begründeten Bescheides innerhalb der vorgesehenen Frist."
Damit hatte aber der Bundesminister für Finanzen gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes, wonach auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen ist, wenn eine Auskunft nicht erteilt wird, den angefochtenen Bescheid zu erlassen. Allein über dessen Rechtmäßigkeit hat der Verwaltungsgerichtshof zu befinden. Zu den Ausführungen des Beschwerdeführers, der Bundesminister für Finanzen hätte ihm die Auskunft erteilen müssen, an wen er sich um die erbetene Auskunft wenden soll, ist daher nur der Vollständigkeit halber zu bemerken, daß, wie § 4 des Auskunftspflichtgesetzes zeigt, nur die Verweigerung, nicht aber die Erteilung einer Auskunft Gegenstand eines Bescheides nach dieser Gesetzesstelle sein kann (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 88/14/0198). Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist nach dem Gesagten zu bejahen, ohne daß auf die Frage der Amtsverschwiegenheit oder der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht einzugehen war. Die Beschwerde war vielmehr gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990130086.X00Im RIS seit
14.11.1990