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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
BewG 1955 §64 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der E & H Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom 28. Februar 1990, Zl. 6/2-2255/86-03, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1979 bis 1981, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH ermittelt ihren Gewinn (gemäß § 5 EStG 1972) jeweils für das Kalenderjahr (Bilanzstichtag 31. Dezember). Das Arbeitsjahr (Urlaubsjahr, siehe § 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1976 betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung, BGBl. Nr. 390, im folgenden mit "UrlG" abgekürzt) berechnet sie ab dem jeweiligen Beginn der einzelnen Arbeitsverhältnisse.
Außer Streit steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß die Beschwerdeführerin dem Grunde nach berechtigt ist, im Hinblick auf die zum Bilanzstichtag noch nicht verbrauchten Urlaube eine Passivpost zu bilden. Der Streit geht lediglich darum, in welchem Ausmaß dieser Passivpost Rechnung zu tragen ist, und dies nur, wie der in der Beschwerde ausgeführte Beschwerdepunkt zeigt, bei der Gewinnermittlung (Beschwerdepunkt: "Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Berücksichtigung der genannten Rückstellungen für die nicht konsumierte Urlaube bei der Feststellung ihres GEWINNES verletzt.")
Die belangte Behörde vertrat in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid zur Frage der Gewinnermittlung die Auffassung, die streitgegenständlichen Urlaubsgelder seien PERIODENGERECHT abzugrenzen. Sie wären Teil des Entgeltes für die während des Jahres erbrachte Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers, für eine richtige Periodenabgrenzung sei daher im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei am Bilanzstichtag für das betreffende Wirtschaftsjahr noch offenen Urlaubsansprüchen der auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr entfallende Teil des Urlaubsgeldes zu passivieren, während bei einem überzogenen Urlaubsanspruch eine entsprechende Aktivierung vorzunehmen sei. Auch nach dem Schrifttum (Platzer-Kros, Buchhaltungs- und Bilanzierungs-Handbuch7, Seite 241 ff) seien dem jeweiligen Wirtschaftsjahr nur jene Aufwendungen zuzuordnen, die kausal mit diesem in Verbindung stünden.
Die Beschwerdeführerin ist hingegen in ihrer wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde der Meinung, daß in den Jahresabschlüssen zum 31. Dezember eine dem GESAMTBETRAG der nach den §§ 2, 6, 9 und 10 UrlG bestehenden Ansprüche entsprechende Rückstellung für nicht konsumierte Urlaube zu bilden sei. Nach handelsrechtlichen Buchführungsgrundsätzen wären nämlich Schulden, die am Bilanzstichtag dem Grunde nach bestehen, IN VOLLER HÖHE als Passivposten bilanzmäßig auszuweisen (§ 23 Abs. 1 Z. 1 GmbHG in Verbindung mit §§ 131 ff AktG). Bei den "Urlaubslasten" handle es sich um Schulden für nicht konsumierte Urlaube, die bereits am maßgebenden Stichtag rechtlich entstanden, noch nicht getilgt gewesen seien und die für den Schuldner eine ernsthafte Belastung darstellten, würden die Voraussetzungen von allen Urlaubsverpflichtungen erfüllt werden, deren rechtlicher Entstehungszeitpunkt vor dem maßgeblichen Stichtag liege.
Im Falle der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht strittig gewesen, ob die gesamten zum Bilanzstichtag bereits entstandenen, aber noch nicht konsumierten Urlaubsansprüche oder nur ein Teil davon im Sinne einer Periodenabgrenzung rückgestellt werden könnten, sondern lediglich die Frage, ob überhaupt eine Rückstellung (im Sinne einer Abgrenzung) erfolgen könne. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1974, Zl. 1138/72, Slg. Nr. 4635/F, lasse sogar den Schluß zu, daß eine bilanzmäßige Erfassung von Urlaubslasten-Rückstellungen nicht nur im Sinne der dynamischen Bilanzauffassung, sondern auch im Sinne der statischen Bilanzauffassung erfolgen könne, und daher die Rückstellungen dem Wirtschaftsjahr in voller Höhe bilanzmäßig zugeschrieben werden könnten, in dem sie entstanden seien.
Das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1989, Zl. 88/15/0116, behandle zwar die Rückstellung für Urlaubslasten als Schuldposten bei Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens, treffe aber nicht die Feststellung, daß die bilanzmäßige Erfassung von Rückstellungen für Urlaubslasten in voller Höhe für nicht konsumierten Urlaub nur bei Bewertung des Betriebsvermögens, nicht aber bei der Ertragssteuerbemessung zulässig sei. Für den Standpunkt der Beschwerdeführerin sprächen auch die Lehrmeinungen von Gassner, Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanzen, ÖStZ Nr. 22/78, und von Hofians, Steuerliche Behandlung von Urlaubsrückstellungen,
ÖStZ Nr. 20/86.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 1974, Zl. 1138/72, Slg. Nr. 4635/F, befaßte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der erfolgsmäßigen Berücksichtigung von Bezügen, die der Unternehmer seinen Arbeitnehmern während des Urlaubs zu leisten hat, innerhalb dessen sie keine Arbeitsleistung erbringen. Diese Urlaubsgelder entsprechen in ihrer wirtschaftlichen Funktion den Urlaubsentgelten, Urlaubsentschädigungen und Urlaubsabfindungen gemäß §§ 6, 9 und 10 UrlG, die ebenfalls im Hinblick auf die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer gewährt werden. Im Erkenntnis Slg. Nr. 4635/F sprach nun der Verwaltungsgerichtshof aus, die Urlaubsgelder stellten wirtschaftlich gesehen einen Teil des Entgelts für die während des Jahres erbrachte Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers dar. Anhand des damaligen Beschwerdefalles, in dem sich das Wirtschaftsjahr (ebenfalls) mit dem Kalenderjahr deckte, während das Urlaubsjahr jeweils vom 1. Juli bis zum 30. Juni lief, zeigte der Gerichtshof auf, die Arbeitnehmer des Betriebes hätten in diesem Fall zum Bilanzstichtag in der Regel erst die halbe Leistung des Urlaubsjahres für den Betrieb erbracht, während sie den Urlaub ganz, teilweise oder überhaupt noch nicht konsumiert hätten. Um zu einer richtigen Periodengewinnabgrenzung zu gelangen, müßte daher in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer von seinem Urlaubsanspruch noch nicht Gebrauch gemacht habe, 6/12 des auf seinen Urlaubsanspruch entfallenden Urlaubsgeldes als auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr entfallend passiviert werden. Wenn ein Arbeitnehmer in diesem ersten Urlaubshalbjahr, das in das Wirtschaftsjahr falle, seinen Urlaub voll konsumiert habe, müßte eine aktive Rechnungsabgrenzung in Höhe von 6/12 des Urlaubsgeldes vorgenommen werden. Bei einer teilweisen Konsumation des Urlaubes müßte geprüft werden, ob der einzelne Arbeitnehmer mehr als die Hälfte seines Urlaubs oder weniger als die Hälfte seines Urlaubes bereits konsumiert habe. Habe er weniger als die Hälfte konsumiert, wäre der Differenzbetrag auf 6/12 des auf den Urlaubsanspruch entfallenden Urlaubsgeldes zu passivieren. Habe er mehr als 6/12 seines Urlaubes verbraucht, so wäre der entsprechende Betrag zu aktivieren. "Nur diese Vorgangsweise ermöglicht eine korrekte Abgrenzung des Periodengewinnes". Abschließend hielt zwar der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. Nr. 4635/F eine Verpflichtung zur Abgrenzung der Urlaubsansprüche nicht für gegeben; im Zusammenhang damit sind auch die in der Beschwerde zitierten Ausführungen des eben genannten Erkenntnisses über die statische und dynamische Bilanzauffassung und die Überspitzung der Forderung nach richtiger Periodengewinnabgrenzung zu sehen. Unmißverständlich kommt im Erkenntnis Slg. Nr. 4635/F jedoch auch folgendes zum Ausdruck:
"Wenn sich der Steuerpflichtige aber zu einer solchen Periodengewinnabgrenzung entschließt, dann muß er sowohl in aktiver als auch in passiver Hinsicht die Abgrenzung vornehmen ...". Eben diese Aussage läßt sich auch den hg. Erkenntnissen vom 26. Februar 1975, Zl. 1125/74, und vom 5. März 1975, Zl. 1128/74, entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof findet keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzurücken, und ist daher der Auffassung, daß die von der belangten Behörde vorgenommene periodengerechte Abgrenzung, die ziffernmäßig unbestritten ist, dem Gesetz entspricht. Eine Berücksichtigung der Urlaubsansprüche nicht nur mit dem entsprechend dem Erkenntnis Slg. Nr. 4635/F anteiligen, sondern mit dem vollen Betrag der am Bilanzstichtag offenen Urlaubsansprüche ließe außer Betracht, daß die Urlaubsgelder wirtschaftlich gesehen einen Teil des Entgelts für die während des Jahres erbrachte Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers darstellen, worauf der Gerichtshof in allen drei zuletzt erwähnten Entscheidungen hinwies. Im Hinblick auf diese Entgeltsfunktion für die während des (gesamten) Jahres erbrachte Arbeitsleistung widerspräche es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, wenn zum Bilanzstichtag im Wege einer Passivpost auch Urlaubsansprüche Berücksichtigung fänden, für die im Sinne des Erkenntnisses Slg. Nr. 4635/F Arbeitsleistungen noch nicht erbracht wurden.
Im Falle des von der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989, Zl. 88/15/0116, ging es bezüglich der Rückstellung für Urlaubslasten NUR um die Frage, wie diese BEI DER EINHEITSBEWERTUNG nach dem Bewertungsgesetz 1955 (bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens) anzusetzen wären. Diese Einheitsbewertung orientiert sich aber am strengen Stichtagsprinzip und damit ausschließlich an dem daraus resultierenden statischen Bewertungsverfahren; die Frage der periodengerechten Gewinnermittlung stellte sich im Falle des Erkenntnisses Zl. 88/15/0116 nicht (siehe auch Hofians, aaO, insbesondere Seite 259).
Zum Schrifttum sei bemerkt, daß Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 4 Abs. 1 EStG 1972, Tz 54, und Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 4 Tz 42, den Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofes teilen, wie er in den Erkenntnissen vom 23. Jänner 1974, Zl. 1138/72, Slg. Nr. 4635/F, vom 26. Februar 1975, Zl. 1125/74, und vom 5. März 1975, Zl. 1128/74, seinen Niederschlag fand. Auf gleicher Grundlage bewegen sich die schon genannten Ausführungen von Platzer-Kros. Gassner, aaO, Seite 264, zeigt auf, daß die Rechtsentwicklung zur Bilanzierung nicht konsumierter Urlaubsansprüche durch die zuletzt angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nunmehr ihren Abschluß gefunden habe, wenn er auch erwähnt, daß bei mehr statischer Betrachtung der zum Bilanzstichtag bestehende Urlaubsanspruch nicht bloß anteilig, sondern zur Gänze hätte passiviert werden müssen, weil der Urlaubsanspruch mit Beginn des Urlaubsjahres entstehe.
Hofians, aaO, zeigt zwar ebenfalls eine statische Lösungsmöglichkeit auf (Seite 254), kommt aber zusammenfassend zu folgendem Ergebnis (Seite 259):
"Nach den Regelungen des UrlG steht jedem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Urlaub zu. Wird dieser in der Entstehungsperiode nicht verbraucht oder werden Urlaubsvorgriffe getätigt, entsteht die Notwendigkeit der Dotierung einer Urlaubsrückstellung bzw. einer aktiven Abgrenzung. Denn einerseits ist der Ausweis des periodenrichtigen Erfolges, andererseits die richtige Darstellung der Vermögenslage geboten. In der handels- und ertragsteuerlichen Erfolgsermittlung ist daher der Anspruch abzugrenzen, der wirtschaftlich der jeweiligen Abrechnungsperiode zuzurechnen ist. ... Auf Grund des statischen Charakters des Bewertungsrechtes ist nicht nur der wirtschaftlich verursachte Teil, sondern das auf den Urlaubsanspruch zurückzuführende volle Urlaubsentgelt und die damit verbundenen Lohnnebenkosten als Schuld abzuziehen."
Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Ausführungen, die mit seiner Rechtsprechung im Einklang stehen, für zutreffend. Dies bedeutet aber, daß der Beschwerde keine Berechtigung zukommt. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990130091.X00Im RIS seit
14.01.2002