Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
LMG 1975 §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. Juli 1989, Zl. SanRB-4926/1-1989-Hau/A, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft A vom 24. April 1989. Mit diesem war der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, als verantwortlicher Beauftragter in der Zweigniederlassung B der X KG nicht dafür vorgesorgt zu haben, daß am 27. September 1988 in der Filiale A in Verkehr gebrachte Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, obwohl das nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar gewesen wäre, weil ca. 20 Stück vakuumverpackte Selchroller, die laut Kennzeichnung bei + 2 Grad bis + 4 Grad gekühlt zu lagern seien, ungekühlt bei Raumtemperatur im Verkaufsraum zum Verkauf feilgehalten worden seien. Er habe dadurch § 20 in Verbindung mit § 74 Abs. 5 Z. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. 1975/86 (LMG 1975), verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Tagen) gemäß § 74 Abs. 5 Z. 3 leg. cit. verhängt worden sei.
Nach der Begründung sei anläßlich einer Kontrolle in der Filiale A der Firma X KG durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan festgestellt worden, daß ca. 20 Stück vakuumverpackte Selchroller bei Raumtemperatur zum Verkauf feilgehalten worden sein. Die Lagerbedingungen der Ware seien aber mit "gekühlt lagern bei + 2 Grad bis + 4 Grad" angegeben gewesen. Die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz habe in ihrer gutachtlichen Stellungnahme vom 24. Jänner 1989 schlüssig ausgeführt, daß bei vorverpackten Fleischwaren die vom Hersteller angegebenen Lagerbedingungen nicht nur vom Endverbraucher, sondern auch vom Groß- bzw. Detailhändler zu beachten seien. Jede Unterbrechung der Kühlkette verkürze die angegebene Aufbrauchsfrist und führe zu einem rascheren Bakterienwachstum in der Ware. Daraus habe die Behörde erster Instanz den Schluß gezogen, daß die Lagerbedingungen immer, auch im Verkaufslokal, einzuhalten seien. Das auf der Etikette angeführte "Lagern" sei in dem Sinn zu verstehen, daß darunter auch das Feilhalten und Bereitstellen zum Verkauf zu verstehen sei, also auch das Aufbewahren bis zum Zeitpunkt des Verkaufes in welchem Raum auch immer (Lager, Verkaufsraum). Nach den Bestimmungen des § 1 Abs. 2 LMG 1975 würden sowohl das eigentliche Lagern als auch das Feilhalten einer Ware als Inverkehrbringen angesehen und gleichwertig im Sinne des § 20 LMG 1975 behandelt.
Wenn der Beschwerdeführer auf ein Gegengutachten verweise, wonach eine am 21. November 1988 gezogene Probe ein entsprechendes Keimbild zeige, das keinen Anlaß zu einer Bemängelung gebe, so sei darauf zu verweisen, daß dem Beschwerdeführer nicht angelastet worden sei, eine wertgeminderte Ware in Verkehr gebracht zu haben. Vielmehr gehe es um den Vorwurf, eine Ware nicht unter Beachtung der Lagerbedingungen angeboten zu haben, weil dies zwangsläufig zu einer nachteiligen hygienischen Beeinflussung führe. Eine Vorsorge gegen eine solche nachteilige Beeinflussung durch die zu hohe Lagertemperatur, nämlich die Lagerung in einer Kühleinrichtung, sei nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung zumutbar, weil fast alle Lebensmittelgeschäfte über derartige Kühleinrichtungen verfügten.
In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, daß eine Verletzung der Lagerbedingungen nur dann möglich gewesen wäre, wenn tatsächlich eine Lagerung durchgeführt worden wäre. Das bloß kurzfristige Feilhalten im Geschäft sei jedoch nicht unter den Begriff "Lagern" zu subsumieren. Durch den raschen Umsatz des Produktes "Selchroller" werde diese Ware lediglich einen halben Tag im Geschäft zum Verkauf feilgehalten. Es wäre daher zu prüfen gewesen, ob die auf dem Produkt angegebene Aufbrauchsfrist so bemessen sei, daß das Produkt während der gesamten Dauer der empfohlenen Aufbrauchsfrist keinen Schaden erleide, wenn es kurzfristig zum Verkauf feilgehalten werde, ohne daß es dabei gekühlt gelagert werde.
Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen verwies auch die belangte Behörde auf das Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz vom 24. Jänner 1989, wonach jede Unterbrechung der Kühlkette die angegebene Aufbrauchsfrist verkürze und die Ware, wenn die Unterbrechung zu lange andauere, rasch verderbe. Wenn der Beschwerdeführer meine, daß das bloß kurzfristige Feilhalten im Geschäft nicht unter den Begriff "Lagern" zu subsumieren sei, so sei dem entgegenzuhalten, daß die gegenständlichen Selchroller in Kartons mit je 5 bis 6 Stück im Verkaufsraum aufgestapelt gewesen seien und dieses Feilhalten bzw. Lagern für den Verkauf bei Raumtemperatur erfolgt sei. Von einem lediglich kurzfristigen Feilhalten könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer keinen Einfluß auf die Dauer bis zum Verkauf habe. Die belangte Behörde sei der Ansicht, daß im gegenständlichen Fall sehr wohl die Lagerbedingungen einzuhalten gewesen wären und diese Art des zum Verkauf Feilhaltens auch eine Art des Lagerns darstelle.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vertritt der Beschwerdeführer im wesentlichen die Auffassung, das bloß kurzfristige Feilhalten im Geschäft sei nach dem Handelsbrauch nicht unter den Begriff "Lagern" zu subsumieren. Auch aus den Ausführungen der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz vom 24. Jänner 1989 sei für den Schuldvorwurf nichts zu gewinnen. Es gehe nicht darum, daß jede Unterbrechung der Kühlkette die Lebensdauer eines Produktes verkürze, sondern es sei nur zu prüfen, ob die auf dem Produkt Selchroller angegebene Aufbrauchsfrist so bemessen sei, daß das Produkt während der gesamten Dauer der empfohlenen Aufbrauchsfrist keinen Schaden erleide, wenn es kurzfristig zum Verkauf feilgehalten werde, ohne daß es dabei in einer Kühlvitrine aufbewahrt werde. Die Ergebnisse des Beweisverfahrens böten keinen wie immer gearteten Anhaltspunkt dafür, daß diese Voraussetzungen bei dem gegenständlichen Produkt nicht erfüllt wären.
2.2. § 1 Abs. 1 und 2 LMG 1975 lauten:
"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ist auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenstände anzuwenden.
(2) Unter Inverkehrbringen ist das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht...."
§ 20 LMG 1975 hat folgenden Inhalt:
"§ 20. Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist."
§ 74 Abs. 5 Z. 3 LMG 1975 bestimmt:
"(5) Wer
...
3. den Bestimmungen der §§ 15 Abs. 6 oder 17 Abs. 2, 18 Abs. 1, 20, 26 Abs. 2, 30 Abs. 5 erster Satz oder 34 Abs. 1 zuwiderhandelt, macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es ich bei der Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 3 in Verbindung mit § 20 LMG 1975 um eine Begehung der Tat durch Unterlassung. Zur Konkretisierung des Tatvorwurfes ist daher die individualisierte Beschreibung jener Handlungen im Spruch erforderlich, die der Täter hätte setzen müssen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 89/10/0202).
2.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist im Beschwerdefall zunächst vom Spruch des angefochtenen Bescheides auszugehen. Darin hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe als verantwortlicher Beauftragter in der Zweigniederlassung B der X KG nicht dafür vorgesorgt, daß die am 27. September 1988 in der Filiale A in Verkehr gebrachten Lebensmittel nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, obwohl das nach dem Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar gewesen sei. Es seien ca. 20 Stück vakuumverpackte Selchroller, die laut Kennzeichnung bei + 2 Grad bis + 4 Grad gekühlt zu lagern seien, ungekühlt bei Raumtemperatur im Verkaufsraum feilgehalten worden.
Im Zusammenhang mit der Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1985, Zl. 85/05/0114) ergibt sich, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht hat, er habe beim Feilhalten der Ware die angegebenen Lagerbedingungen nicht eingehalten. Im angefochtenen Bescheid heißt es nämlich in diesem Zusammenhang:
"... es wird die Ware durch dieses Feilhalten bzw. Lagern für
den Verkauf eindeutig hygienisch nachteilig beeinflußt" bzw.
"... im gegenständlichen Fall (wären) sehr wohl die
Lagerbedingungen einzuhalten gewesen ..."
Dieser Vorwurf erweist sich aus folgenden Überlegungen als zutreffend.
2.4. Nach dem (bei Barfuß-Pindur-Smolka, Lebensmittelrecht, IV B 3, Seite 2, wiedergegebenen) "Handelsbrauch im Verkehr mit Lebensmitteln im Zusammenhang mit Lagerung und Gattungsbezeichnung für Bestandteile und Zusatzstoffe" fallen Transportvorgänge, Anpreisungen im Verkaufslokal und dgl. nicht unter den Begriff "Lagern". Übliche Transportvorgänge und übliche Feilhalte- und Verkaufsvorgänge (z.B. Präsentieren der Ware) im Verkaufslokal sind daher kein "Lagern", bei dem die Lagerbedingungen (im Beschwerdefall Lagerung bei + 2 Grad bis + 4 Grad) einzuhalten wären.
Nicht unter den Begriff "Lagern" fallen somit nur EINZELNE, übliche Feilhalte- und VerkaufsVORGÄNGE, nicht jedoch das Feilhalten von Lebensmitteln an sich. Dies hat seinen Grund darin, daß Abweichungen von den angegebenen Lagerbedingungen tunlichst vermieden werden sollen bzw. die Zeit, in der sich die Lebensmittel nicht in dem auf der Verpackung angegebenen Klima befinden, so gering zu halten ist, daß keine Änderung der Haltbarkeit eintritt (vgl. auch dazu Barfuß-Pindur-Smolka, aaO., Seite 6/2). Wenn der Beschwerdeführer dazu die Auffassung vertritt, daß die gegenständlichen Lebensmittel wegen des raschen Umsatzes nur etwa einen halben Tag zum Verkauf feilgehalten würden, so hat die belangte Behörde zutreffend darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer auf die Dauer bis zum Verkauf keinen Einfluß nehmen kann. In diesem Zusammenhang hat auch die Lebensmitteluntersuchungsanstalt in ihrem Gutachten vom 24. Jänner 1989 durchaus schlüssig dargetan, daß eine nachteilige Beeinflussung bei einem bei Raumtemperatur erfolgenden Feilhalten gegeben ist. Zum objektiven Tatbestand der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nach § 20 LMG 1975 gehört auch - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nur die objektive Gefahr der hygienisch nachteiligen Beeinflussung durch äußere Einwirkung (vgl. das bereits genannte Erkenntnis vom 26. Februar 1990). Zu einer solchen Einwirkung zählt im übrigen auch Wärme (vgl. Barfuß-Pindur-Smolka, aaO., Erläuterung zu § 20). Daß nach der Verkehrsauffassung ein Fall der Unzumutbarkeit iS des § 20 LMG 1975 gegeben wäre, ist vom Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden. Mit dem zum Verkauf Feilhalten der vakuumverpackten Selchroller bei Raumtemperatur unterließ der Beschwerdeführer somit das aus Gründen der Hygiene gebotene und auch zumutbare "Kühl lagern" der Ware.
2.5. Auf Grund dieser Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1989/206.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Unterlassungsdelikt Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Handelsbrauch Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Lagern HandelsbrauchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989100201.X00Im RIS seit
11.07.2001