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L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N-Gesellschaft mbH gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. Mai 1989, Zl. 9-18 Ko 49/1989-1, betreffend Rückersatz für Krankenhilfeleistungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Rechtsträgerin des Landeskrankenhauses G., in welchem in der Zeit vom 28. Oktober 1987 bis 3. November 1987 Silvia K. in stationärer Pflege stand. Mit der mit 3. Dezember 1987 datierten, bei der Stadt Graz am 9. Dezember 1987 eingelangten "Sicherheitsmeldung" im Sinne des § 42 Abs. 2 des Stmk. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 1/1977 (SHG), zeigte sie der Stadt Graz als Sozialhilfeträgerin den Anspruch auf Rückersatz des mit S 13.613,60 bezifferten Pflegegebührenrückstandes mit dem Bemerken an, es habe bisher kein zuständiger Kostenträger gefunden werden können.
Diesem Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Stmk. Landesregierung (belangte Behörde) vom 10. Mai 1989 gemäß §§ 4, 7, 10 und 46 SHG keine Folge gegeben. In der Begründung stellte sie zunächst fest, "die Ablehnung der Kostenübernahme gründet sich ausschließlich auf die nicht festgestellte Hilfsbedürftigkeit". Silvia K. habe in der von ihr unterzeichneten Zahlungsunfähigkeits-Erklärung selbst angegeben, Ersparnisse zu besitzen und von Bekannten zu leben. Mit dieser Erklärung sei die vom SHG zum Kostenersatz geforderte Hilfsbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht worden. Die Ermittlungen hätten ergeben, daß Silvia K. ihren Lebensunterhalt durch Prostitution bestritten habe. So habe die Bundespolizeidirektion bekanntgegeben, daß Silvia K. bis zum 20. Jänner 1988 ständig auf dem Straßenstrich in Graz anzutreffen gewesen sei. Sie habe daher bis zu diesem Tag über ein von der Bundespolizeidirektion eingeschätztes monatliches Nettoeinkommen von ca. S 15.000,-- bis S 20.000,-- verfügt. Seit dem 20. Jänner 1988 sei Silvia K. als abgängig gemeldet und habe ihr derzeitiger Aufenthaltsort nicht ermittelt werden können. Da angenommen werden könne, daß Kriminalbeamte "sehr wohl in der Lage sind, das Einkommen einer Prostituierten, die sie täglich auf der Straße sehen, realistisch einzuschätzen", habe der Begründung des Magistrates Graz für die Ablehnung der Kostenübernahme wegen nicht festgestellter Hilfsbedürftigkeit gefolgt werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 42 SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, unter näher genannten Voraussetzungen Rückersatz zu leisten. Hilfsbedürftig im Sinne dieses Gesetzes ist, wer den Lebensbedarf für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält (§ 4 Abs. 1 SHG). Gemäß § 7 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 10 Abs. 1 lit. c SHG zählt die Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten zum Lebensbedarf.
Maßgebend für die Berechtigung des geltend gemachten Ersatzanspruches gemäß § 42 SHG ist, ob es sich bei dem Hilfeempfänger ZUR ZEIT DER HILFELEISTUNG um einen Hilfsbedürftigen im Sinne des SHG gehandelt hat, d.h. ob er zur Zeit seiner Behandlung außerstande war, deren Kosten selbst oder mit Hilfe anderer Personen oder Einrichtungen zu tragen. Den ersatzberechtigten Dritten trifft diesbezüglich keine Beweislast, er hat die Notlage des Hilfeempfängers durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft zu machen.
Diesem Erfordernis hat die Beschwerdeführerin durch die Übermittlung der "Sicherheitsmeldung" Genüge getan, ging doch aus dieser und den ihr angeschlossenen Beilagen hervor, daß Silvia K. "ohne Beschäftigung" war, kein Arbeitslosenentgelt bezog und ihren Lebensunterhalt durch Einkünfte aus Männerbekanntschaften bestritt, es ihr also sowohl an einem geregelten Einkommen als auch an einem Versicherungsschutz mangelte. Dies wird noch erhärtet durch die von Silvia K. am 29. Oktober 1987 ausgefüllte und unterschriebene "Zahlungsunfähigkeits-Erklärung", in der sie angibt, keinerlei geregeltes Einkommen zu haben und daher nicht in der Lage zu sein, die anlaufenden Pflegegebühren zu bezahlen. "Sie lebt derzeit von Unterstützung durch: Ersparnisse und Bekannte Fr. L. S.". Berücksichtigt man zudem das Fehlen konkreter Anhaltspunkte für das Vorhandensein eigenen Vermögens, so ließen sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin unter den hier gegebenen Umständen bei objektiver Betrachtung genügend Hinweise im Sinne der geforderten Glaubhaftmachung der Hilfsbedürftigkeit der Silvia K. entnehmen. Wenngleich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnt, daß mit der Zahlungsunfähigkeits-Erklärung die Hilfsbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht ist, hat sie dennoch - wie der Begründung des angefochtenen Bescheides entnommen werden kann - das Rückersatzbegehren der Beschwerdeführerin nicht mangels Glaubhaftmachung, sondern mit der Begründung abgelehnt, auf Grund der Ermittlungsergebnisse habe die Hilfsbedürftigkeit von Silvia K. nicht festgestellt werden können.
Die Ablehnung des Rückersatzes wird von der belangten Behörde - wie auch von ihr in der Gegenschrift wieder betont wird - auf die Bemerkung von Silvia K. in der "Zahlungsunfähigkeits-Erklärung", Ersparnisse zu haben und auf einen Bericht der Bundespolizeidirektion gestützt, laut dem Silvia K. bis zum 20. Jänner 1988 ständig auf dem Straßenstrich anzutreffen gewesen sei. Dieser Bericht enthält ferner folgenden Hinweis: "Sie hatte daher bis zu diesem Tage, das von ha. eingeschätzte monatliche Nettoeinkommen von ca. S 15.000,-- bis 20.000,--." Weder der Bericht noch ihre eigene Angabe, "Ersparnisse zu haben", legen hinreichend dar, ob die Prostituierte ein Einkommen hatte oder über Ersparnisse verfügt hat, die geeignet waren, den Lebensbedarf während der Zeit des Krankenhausaufenthaltes zu decken.
Zur Klärung der im vorliegenden Fall entscheidenden Frage der Hilfsbedürftigkeit der Silvia K. zur Zeit der Hilfeleistung hätte es daher weiterer geeigneter Ermittlungen, etwa durch Vernehmung der S. L. und des C. R., die im Verwaltungsakt als Bekannte aufscheinen, bedurft. Sie wären der belangten Behörde ungeachtet des Umstandes, daß der Aufenthaltsort der Silvia K. nicht bekannt war, möglich gewesen und können auch nicht von vornherein als aussichtslos angesehen werden.
Die belangte Behörde hat sohin Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz - in der angesprochenen Höhe - gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190007.X00Im RIS seit
13.07.2001