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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der V-Actien-Gesellschaft gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 26. März 1990, Zl. 18.234/13-IC8/89, betreffend Bewilligung gemäß § 49 Forstgesetz 1975 (mitbeteiligte Partei: L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach ihrem Vorbringen betreibt die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 1910 in T ein fabriksmäßiges Magnesitwerk (im folgenden als "Werk T." bezeichnet). Mehrere von ihr vorgenommene Änderungen der Betriebsanlage waren Gegenstand von gewerberechtlichen Bewilligungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft Liezen (im folgenden: BH) sowie gewerberechtlicher Bewilligungsbescheide. Im einzelnen handelt es sich um folgende Änderungen:
1. Errichtung einer Zentralkaminanlage für die Entsorgung der gesamten Abgase aus dem Werksbereich,
2. Errichtung einer Kauster- und Heißluftbrikettieranlage zur Herstellung von Flotationssinter, 3. Umstellung der Heizölfeuerung auf Erdgasfeuerung und 4. Errichtung einer Entstaubungsanlage bei den Schachtöfen.
Im Zuge der gewerberechtlichen Bewilligungsverfahren forderte die BH die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, daß von den Emissionen des Werkes T. Schutz- und Bannwälder betroffen seien und es daher gemäß § 50 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 einer gesonderten forstrechtlichen Bewilligung bedürfe, wiederholt auf, einen Antrag auf eine solche Bewilligung einzubringen. Bis zur Entscheidung darüber würden im Sinne der genannten Gesetzesstelle die anhängigen gewerberechtlichen Verfahren unterbrochen.
Mit Eingabe vom 22. November 1988 stellte die Beschwerdeführerin an die BH den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach § 49 des Forstgesetzes 1975 für die vorhin genannten Maßnahmen. Sie hielt dabei ihren Rechtsstandpunkt ausdrücklich aufrecht, daß es einer derartigen Bewilligung gar nicht bedürfe, sondern gegebenenfalls allein die Vorschreibung von besonderen Maßnahmen gemäß § 51 leg. cit. in Betracht käme. Sie brachte weiters vor, daß sich die Emissionsverhältnisse infolge der in den Jahren 1983 bis 1986 vorgenommenen Änderungen, insbesondere durch die Einführung einer neuen Kaustertechnologie, die Umstellung auf Erdgasbefeuerung und die Inbetriebnahme der Schachtöfenentstaubung, ganz wesentlich gebessert hätten.
Mit Bescheid der BH vom 28. April 1989 wurde der Beschwerdeführerin antragsgemäß die gesonderte forstrechtliche Bewilligung nach § 49 des Forstgesetzes 1975 in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576 (im folgenden als FG bezeichnet), unter mehreren Auflagen erteilt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerin und der Mitbeteiligte Berufung. Die Beschwerdeführerin vertrat darin die Auffassung, daß es einer gesonderten forstrechtlichen Bewilligung gar nicht bedürfe und daher ihr Antrag abzuweisen gewesen wäre.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. September 1989 wurde der erstinstanzliche Bescheid behoben und der Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. November 1988 abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß für den Zentralkamin und die Kausteranlage die gewerberechtliche Bewilligung bereits vor dem 1. Juli 1984, dem Tag des Inkrafttretens der Zweiten Verordnung über forstschädliche Luftverunreinigungen, BGBl. Nr. 199/1984, erteilt worden sei. Diese Verordnung sei daher entsprechend ihrem § 11 Abs. 5 auf die genannten Anlagenteile nicht anzuwenden. Für die Entstaubungsanlage und die Erdgasversorgungsanlage bestehe deshalb keine forstrechtliche Bewilligungspflicht, weil sich durch diese Änderungen keinesfalls eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung im Sinne des § 49 Abs. 2 FG ergebe. Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 26. März 1990 wurde auf Grund der Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 der unterinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Die Behörde stellte fest, daß das Werk T. eine Wärmeleistungskapazität von 45,4 MW aufweise, daß ohne Berücksichtigung der beabsichtigten Änderungen zumindest bis 1984 337 t Staub pro Jahr, sohin mehr als 35 kg Staub pro Stunde im Dauerbetrieb, emittiert worden seien und daß schließlich durch die Staub- und Schwefelemissionen des Werkes T. ein im Eigentum des Mitbeteiligten stehender Bannwald betroffen sei; hiebei sei der im § 5 Abs. 1 lit. b Z. 1 der vorhin genannten Verordnung festgelegte Grenzwert für Schwefelimmissionen überschritten worden. Aufgrund der angeführten Werte kam die Behörde zu der Rechtsauffassung, es handle sich beim Werk T. um eine Anlage, die den Bestimmungen des Unterabschnittes IVC des Forstgesetzes 1975 unterliege, es sei daher auch für die gegenständlichen Änderungen eine Bewilligung nach § 49 FG erforderlich. Aus der Tatsache, daß von den Emissionen Bannwald betroffen sei, ergebe sich im Hinblick auf § 50 Abs. 3 FG das Erfordernis eines gesonderten forstrechtlichen Verfahrens. In Ansehung der Genehmigungskriterien des § 49 Abs. 4 und 5 FG bedürfe es aber noch ergänzender Ermittlungen, weshalb der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 zu beheben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben jeweils eine Gegenschrift erstattet und darin die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, die gewerberechtlichen Errichtungs- und Betriebsbewilligungen für die gegenständlichen Maßnahmen ohne eine forstrechtliche Bewilligung gemäß § 49 FG zu erlangen. Darunter ist im vorliegenden Zusammenhang das Recht auf Durchführung dieser Maßnahmen ohne eine solche Bewilligung zu verstehen.
In diesem Recht ist die Beschwerdeführerin unter der Voraussetzung der Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsauffassung verletzt, es bedürfe für die vier in Rede stehenden Maßnahmen einer gesonderten forstrechtlichen Bewilligung nach § 49 FG. Denn an diese Rechtsanschauung sind die Unterbehörden im weiteren Verfahren gebunden (vgl. zur Bindungswirkung in Ansehung der tragenden Begründung von Bescheiden nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1982, Slg. 10744/A, und vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0177).
2. Die Beschwerdeführerin bringt unter anderem vor, die Errichtung des Zentralkamins bedürfe deshalb keiner forstrechtlichen Bewilligung, weil er schon vor dem Inkrafttreten des Forstgesetzes 1975 errichtet worden sei. Durch die übrigen drei Änderungen der Betriebsanlage sei eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung nicht zu erwarten, sondern im Gegenteil eine ganz wesentliche Abnahme, die auch bereits eingetreten sei. Diese Maßnahmen seien daher keine bewilligungspflichtigen Änderungen im Sinne des § 49 Abs. 2 FG. Die belangte Behörde habe es aber unterlassen, die hiefür erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Bei der Lösung der strittigen Frage der gesonderten forstrechtlichen Bewilligungspflicht für die in Rede stehenden vier Maßnahmen ist von den Bestimmungen des § 49 Abs. 1 und 2 FG auszugehen. Sie regeln, in welchen Fällen Anlagen einer Bewilligung nach dem mit "Forstschädliche Luftverunreinigungen" überschriebenen Unterabschnitt IVC des Forstgesetzes 1975 bedürfen. Nach § 49 Abs. 1 FG dürfen Anlagen gemäß § 48 lit. e, sofern nicht § 50 Abs. 2 anzuwenden ist, nur mit einer Bewilligung nach diesem Unterabschnitt errichtet werden. (Offenbar aufgrund eines Redaktionsversehens ist die durch die Forstgesetz-Novelle 1987 notwendig gewordene Einfügung der Bezeichnung "Abs. 1" in dieser Gesetzesstelle unterblieben.) Gemäß § 49 Abs. 2 FG findet Abs. 1 auch Anwendung, wenn Anlagen in ihrer Beschaffenheit, Ausstattung oder Betriebsweise so geändert werden, daß gegenüber dem Zustand vor der Änderung eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung zu erwarten ist. Nach dem im zweiten Halbsatz des § 49 Abs. 1 FG genannten § 50 Abs. 2 entfällt bei der Errichtung oder Änderung von Anlagen, die nach den gewerbe-, berg-, eisenbahn-, energie- oder dampfkesselrechtlichen Bestimmungen einer Bewilligung bedürfen, eine gesonderte Bewilligung nach § 49 FG, es sind jedoch dessen materiellrechtliche Bestimmungen anzuwenden.
Da im vorliegenden Fall zu klären ist, ob eine von der Forstbehörde zu erteilende "gesonderte Bewilligung nach § 49" FG erforderlich ist, und dies davon abhängt, ob überhaupt ein Bewilligungstatbestand nach § 49 Abs. 1 und 2 FG in Betracht kommt, kann sich der Gerichtshof zunächst auf die Prüfung dieser Frage beschränken.
Dazu ist vorweg festzuhalten, daß die rechtliche Qualifikation des Werkes T. als "Anlage gemäß § 48e" aufgrund seiner Emissionen VOR der Vornahme der gegenständlichen Maßnahmen außer Streit steht. Bemerkt sei, daß es für die Frage, ob die Änderung einer Anlage nach § 49 Abs. 2 FG bewilligungspflichtig ist, nur auf den für die Emissionen maßgebenden Zustand der Anlage vor der in Aussicht genommenen Änderung ankommen kann.
Mangels einer gegenteiligen Anordnung bedürfen Anlagen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Forstgesetzes 1975 (es trat laut seinem § 179 Abs. 1 mit 1. Jänner 1976 in Kraft) bereits errichtet waren, und zwar in ihrem zu diesem Zeitpunkt gegebenen Zustand, keiner Bewilligung gemäß § 49 FG. Daß dies auch in der Absicht des Gesetzgebers lag, lassen die Gesetzesmaterialien erkennen, wenn es darin heißt, es sei "bei bestehenden Anlagen, die schon vor Inkrafttreten des neuen Forstgesetzes betrieben wurden, keine Bewilligung gemäß Unterabschnitt IVC erforderlich" (EB zur RV, 1266 Blg. NR XIII. GP, 101). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof unter dem Begriff "Anlage" die Gesamtheit der technischen Einrichtungen (inklusive der Nebeneinrichtungen), die für die Emissionen maßgebend sind und in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, versteht (vgl. List-Schwarzer-Wischin, Luftreinhaltungsrecht für Betriebsanlagen, 199 Rz 2). Aus dem Gesagten folgt im Falle der Richtigkeit der Behauptung der Beschwerdeführerin und der damit übereinstimmenden Annahme des Landeshauptmannes von Steiermark, der Zentralkamin sei schon vor Inkrafttreten des Forstgesetzes 1975 errichtet worden, daß insoweit eine Bewilligungspflicht nach § 49 FG schon aus diesem Grunde nicht in Betracht käme. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist allerdings mangels diesbezüglicher Feststellungen im angefochtenen Bescheid derzeit nicht möglich.
Ausgehend von dem oben dargelegten einheitlichen Anlagenbegriff stellen sich die in Rede stehenden Maßnahmen als ÄNDERUNGEN der Anlage des Werkes T. dar, sodaß von vornherein allein der Änderungstatbestand des § 49 Abs. 2 FG in Betracht kommt. Nach dieser Gesetzesstelle sind Änderungen von Anlagen nur unter der Voraussetzung einer hiedurch zu erwartenden "Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung" bewilligungspflichtig. Die belangte Behörde hat dazu keinerlei Feststellungen getroffen, sodaß auch insoweit die Richtigkeit ihrer Annahme, es bestehe Bewilligungspflicht nach § 49 FG nicht abschließend beurteilt werden kann. Der Vollständigkeit halber sei dazu bemerkt, daß es derartiger Feststellungen auch in Ansehung des Zentralkamins bedürfte, falls die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren zu der Annahme gelangen sollte, dieser sei erst nach dem 1. Jänner 1976 errichtet worden.
Da der maßgebende Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, ist der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 AnlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990100099.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010