TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/19 90/19/0009

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Veröffentlicht am 19.11.1990
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Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §3 litc;
JN §66 Abs1;
SHG Stmk 1977 §34 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Sozialhilfeträgers L gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. März 1989, Zl. 9-18 Fu 14-1989/1, betreffend Feststellung der endgültigen Kostentragung nach dem Stmk. Sozialhilfegesetz (mitbeteiligte Partei: Sozialhilfeverband L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. März 1989 stellte die Stmk. Landesregierung (belangte Behörde) gemäß § 34 Abs. 1, 2 und 7 Stmk. Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 1/1977 (SHG), fest, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, die für Wilhelmine F. ab 25. Februar 1988 entstehenden Kosten im Heim der Caritas in S zu bezahlen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 34 Abs. 1 und 2 SHG aus, es könne auf Grund der Aussage der Wilhelmine F. die Ansicht der antragstellenden Beschwerdeführerin nicht geteilt werden, daß Wilhelmine F. durch ihren Aufenthalt bei ihrem Sohn in A (Bezirk L) einen ordentlichen Wohnsitz begründet habe. Aus der Aussage von Wilhelmine F. ergebe sich folgender Sachverhalt: Wilhelmine F. habe von August 1973 bis Dezember 1986 in G in der I-Gasse gewohnt. Sie habe sich aus gesundheitlichen Gründen in das Pensionistenheim der Stadt G in der A-Gasse begeben und das Mietverhältnis betreffend ihre Wohnung in der I-Gasse aufgelöst. Wegen auftretender Schwierigkeiten mit Anstaltsinsassinnen habe sie dieses Heim verlassen und sich zu ihrem Sohn in A begeben. Gleichzeitig habe sie um die Aufnahme im Heim der Caritas in S angesucht. Sie habe bei ihrem Sohn nur bis zur Bewilligung der Aufnahme im Heim der Caritas verbleiben wollen. Der Aufenthalt bei ihrem Sohn sei nur als provisorische Maßnahme anzusehen, da auch ihr Sohn nicht in der Lage gewesen wäre, sie ausreichend zu versorgen. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich nach Ansicht der belangten Behörde schlüssig, daß die Kriterien für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes von Wilhelmine F. in A nicht vorlägen. Wilhelmine F. habe weder die Absicht gehabt, bei ihrem Sohn zu verbleiben, noch wäre der Verbleib als solcher überhaupt in objektiver Hinsicht möglich gewesen. Der Aufenthalt von Wilhelmine F. bei ihrem Sohn sei daher in rechtlicher Hinsicht nicht als ordentlicher Wohnsitz zu betrachten, weshalb gemäß § 34 Abs. 2 SHG die Beschwerdeführerin als vorläufiger Kostenträger auch endgültiger Kostenträger sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Parteiengehör gemäß § 37 AVG 1950 sowie im Recht, "nicht zur endgültigen Kostentragung gemäß § 34 Abs. 1 SHG herangezogen zu werden", verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die Mitbeteiligte beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 des Stmk. Sozialhilfegesetzes vom 9. November 1976, LGBl. Nr. 1/1977 (SHG), ist zur vorläufigen Tragung der Kosten jener Sozialhilfeverband (Stadt mit eigenem Statut) verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende aufhält (Aufenthaltsverband). Ihm obliegt die endgültige Kostentragung, wenn die Hilfsbedürftigkeit festgestellt wurde und der Hilfsbedürftige im örtlichen Bereich des Aufenthaltsverbandes zur Zeit der Hilfeleistung seinen ordentlichen Wohnsitz hatte.

Abs. 2 des genannten Gesetzes lautet: "Soweit der Aufenthaltsverband nach Abs. 1 zur Kostentragung nicht endgültig verpflichtet ist, obliegt die endgültige Kostentragung jenem Sozialhilfeverband (Stadt mit eigenem Statut), in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Hilfsbedürftige zur Zeit der Hilfeleistung seinen ordentlichen Wohnsitz hatte (Herkunftsverband). Die Pflicht, die Kosten endgültig zu tragen, endet bei Aufenthaltswechsel erst drei Monate nach der letzten ununterbrochenen Hilfeleistung.

Nach § 34 Abs. 7 SHG entscheidet die Landesregierung über Streitigkeiten hinsichtlich der Pflicht, die Kosten endgültig zu tragen.

Über eine solche Streitigkeit hatte die belangte Behörde auf Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden, da die Beschwerdeführerin und die Mitbeteiligte unterschiedlicher Meinung darüber waren, wer von ihnen zur Tragung der Kosten für den Aufenthalt der Wilhelmine F. im Heim der Caritas in S ab 25. Februar 1988 endgültig verpflichtet sei. Entscheidender Bedeutung kommt bei diesem Streit allein der Frage zu, ob Wilhelmine F. während der Zeit vom 1. September 1987 bis 24. Februar 1988, in der sie sich bei ihrem Sohn in A (Bezirk L) aufgehalten hat, einen ordentlichen Wohnsitz begründet hat.

Von der Beschwerdeführerin wird diese Frage bejaht und unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes eingewendet, diese Frage wäre von der belangten Behörde unrichtig gelöst worden. Ausgehend von den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen wird von der Beschwerde unter Bezugnahme auf § 66 JN der Standpunkt eingenommen, aus den Umständen im konkreten Fall (nämlich Wohnungsaufgabe in G und Niederlassung beim Sohn) gehe die Absicht der Wilhelmine F. hervor, in A bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der Ausdruck "bleibend" im Sinne des § 66 JN bedeute nicht "immerwährend", es könne vielmehr ein von vornherein durch einen bestimmten Anlaß oder Zweck zeitlich beschränkter Aufenthalt einen Wohnsitz im Sinne dieser Gesetzesstelle begründen, wenn der Aufenthalt bewußt zu einem wirtschaftlichen und faktischen Lebensschwerpunkt gemacht werde (JBl. 1985/629). Auch wenn Wilhelmine F. nur bis zum Freiwerden eines Heimplatzes im Caritas-Altersheim G zu ihrem Sohn nach A gezogen sei, so habe sie dennoch mangels Wohnversorgung in G ihren faktischen und wirtschaftlichen Lebensschwerpunkt nach A verlegt. Überdies habe sie sich dort polizeilich angemeldet. Da bei Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse nichts dafür spreche, "daß Wilhelmine N. nicht seßhafter Art wäre, sie aber mangels Aufenthaltes in G keinen Wohnsitz mehr dort haben konnte, kommt deshalb als ordentlicher Wohnsitz nur A" in Betracht.

Dieser Rechtsansicht vermag der Gerichtshof bei dem gegebenen Sachverhalt nicht zu folgen.

Die Terminologie der österreichischen Gesetzgebung will seit Jahrzehnten den Ausdruck "Wohnsitz", wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird, stets in dem Sinn verstanden wissen, den § 66 Abs. 1 JN hiefür gesetzt hat (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1987, Zl. 87/03/0189). Gemäß § 66 Abs. 1 JN (auf den sich auch die Beschwerdeführerin zutreffend stützt) ist der Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der Begriff des Wohnsitzes schließt demnach ein Zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung an einem Orte - und ein psychisches, und zwar die Absicht, an dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Die Begründung eines Wohnsitzes setzt einen tatsächlichen ununterbrochenen Aufenthalt an diesem Ort nicht voraus, vielmehr kann auch ein aus einem bestimmten Anlaß zeitlich beschränkter Aufenthalt einen Wohnsitz begründen, wobei der polizeilichen Anmeldung kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist (siehe u.a. das bereits genannte sowie das Erkenntnis vom 31. März 1987, Zl. 86/07/0284).

Im Beschwerdefall ist nur strittig, ob das für den Begriff des Wohnsitzes wesentliche subjektive Moment, nämlich die Absicht, an dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen, bei Wilhelmine F. bestanden hatte. Die von der Beschwerde angeführten Umstände der Wohnungsaufgabe in G und Niederlassung beim Sohn lassen entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin keinen Schluß auf das subjektive Moment der Absicht von Wilhelmine F., bei ihrem Sohn einen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, zu. Die von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen über die Umstände, die Wilhelmine F. veranlaßt haben, bei ihrem Sohn vorübergehend zu wohnen, lassen unzweifelhaft erkennen, daß Wilhelmine F. den Aufenthalt bei ihrem Sohn bloß als Provisorialmaßnahme bis zur Bewilligung ihrer Aufnahme im Caritas-Heim angesehen hat. Geht man aber davon aus, was selbst von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt wird, so wäre es geradezu widersinig, Wilhelmine F. zu unterstellen, sie habe dennoch die Absicht gehabt, bei ihrem Sohn in A bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Die weiters feststehenden Tatsachen, daß Wilhelmine F. infolge ihrer gesundheitlichen Probleme ein Pensionistenheim aufgesucht und ihre Wohnung aufgelöst hat und daß sie den von ihr angestrebten Wechsel des Pensionistenheimes nur deshalb nicht nahtlos vollziehen konnte, weil in dem neuen Pensionistenheim momentan kein Platz frei war, lassen ebenso unzweifelhaft erkennen, daß bei Wilhelmine F. keine Absicht bestand, außerhalb eines Pensionistenheimes ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Da keine Anhaltspunkte vorliegen, die dieser Annahme entgegenstünden, kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, wenn die belangte Behörde auf Grund des festgestellten Sachverhaltes den Schluß gezogen hat, daß Wilhelmine F. durch ihren Aufenthalt bei ihrem Sohn in A keinen ordentlichen Wohnsitz begründet hat.

Aber auch die von der Beschwerdeführerin erhobene Verfahrensrüge kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Es trifft zwar zu, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, die Beschwerdeführerin von den Ergebnissen der Einvernahme der Wilhelmine F. in Kenntnis zu setzen und ihr Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte zu geben. Dennoch kann die vorliegende Verletzung des Parteiengehörs nicht den Anlaß für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides bilden, da diese nur dann in Betracht kommt, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Von der Beschwerdeführerin wird in diesem Zusammenhang lediglich ausgeführt, sie hätte bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers darauf hinweisen können, daß der Antrag auf Aufnahme ins Caritas-Altersheim G von Wilhelmine F. nicht - wie die belangte Behörde feststellte - zum Zeitpunkt ihrer Übersiedlung nach A, sondern bereits am 9. April 1987 gestellt worden sei. Damit wäre zum Ausdruck gebracht worden, daß Wilhelmine F. "nur irgendwann einmal vorhatte, in das Caritas-Altersheim G einzuziehen". Nun kommt aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin bei der von der belangten Behörde zu entscheidenden Rechtsfrage dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Aufnahme ins Caritas-Altersheim G nur insofern Bedeutung zu, als die Antragstellung als Indiz dafür gewertet werden kann, daß Wilhelmine F. die Übersiedlung in ein anderes Altersheim noch vor der Begründung des Aufenthaltes bei ihrem Sohn angestrebt hat. Hätte sie daher diesen Antrag, wie die Beschwerdeführerin meint, bereits am 9. April 1987, also zu einem noch früheren Zeitpunkt, als von der belangten Behörde festgestellt worden ist, gestellt, so erhärtet dies umsomehr die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß der Aufenthalt von Wilhelmine F. bei ihrem Sohn nur eine Provisorialmaßnahme dargestellt hat, die der Überbrückung bis zur Aufnahme in das andere Altersheim dienen sollte. Die Beschwerdeführerin war sohin durch den unterlaufenen Verfahrensfehler nicht am Vorbringen von für den Verfahrensausgang relevanten Tatsachen gehindert.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Dem Mitbeteiligten steht für Vorlageaufwand kein Anspruch auf Aufwandersatz zu.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190009.X00

Im RIS seit

13.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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