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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzLeitsatz
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig geworden sind (VfSlg. 10616/1985)Spruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Justiz) ist schuldig, dem Bf. zu Handen seines Vertreters die mit S 11.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. wurde vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ab 1. September 1987 zur Gerichtspraxis für die Dauer von 10 Monaten im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien zugelassen.
2. Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 24. September 1987 wurde der dem Bf. monatlich gebührende Ausbildungsbeitrag unter Berufung auf §3 Abs1 des BG vom 2. Juli 1986, BGBl. 374, über den Ausbildungsbeitrag für Rechtspraktikanten (RechtspraktikantenAusbildungsbeitragsgesetz) mit
S 6.064,-- festgesetzt.
In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, daß der Bf. als halbtägig beschäftigter Vertragsassistent in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehe und demzufolge einen monatlichen Gehalt von S 8.215,-beziehe. Da dieser Gehalt und der monatliche Ausbildungsbeitrag von derzeit S 11.095,-- zusammen den monatlichen Gehalt eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse III, Verwendungsgruppe A (derzeit S 14.279,--), übersteigen, sei der Ausbildungsbeitrag um S 5.031,--, sohin auf S 6.064,-(Differenzbetrag) gemäß der zwingenden Vorschrift des §3 Abs1 Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz zu kürzen.
3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Justiz mit Bescheid vom 25. November 1987 nicht Folge.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Der Bundesminister für Justiz erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. 1. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig geworden sind (VfSlg. 10616/1985).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G226/87, G253-256/87 bezüglich §3 Abs1 des Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetzes fand am 3. März 1988 statt.
Die vorliegende Beschwerde ist beim VfGH am 18. Jänner 1988 - also noch vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung eingelangt. Der vorliegende Fall ist daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
2. Die bel. Beh. wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig befundene Vorschrift des §3 Abs1 Rechtspraktikanten-Ausbildungsbeitragsgesetz an. Nach Lage des Falles ist es offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Bf. nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt wurde sowie, daß der Bescheid aufgehoben wird (vgl. VfGH 25. 6. 1987, B123/87).
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.000,-- enthalten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B53.1988Dokumentnummer
JFT_10119686_88B00053_00