TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/20 89/11/0009

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.1990
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
23/01 Konkursordnung;
23/04 Exekutionsordnung;
23/05 Sonstiges Exekutionsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
AVG §9;
EO §290;
IESG §7 Abs2;
IESG §8 Abs1;
KO §1;
KO §83;
LPfG;
VwGG §26 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes 0berösterreich vom 28. November 1988, Zl. IV-IESG-7022-B/419/121/84a/1985/W, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen der P Handelsgesellschaft mbH wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes W vom 21. Oktober 1985, AZ S n/85, der Konkurs eröffnet.

Mit dem am 20. Februar 1986 beim Arbeitsamt W überreichten Antrag begehrte B (unter ihrem damaligen Zunamen M) die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für verschiedene näher bezeichnete Ansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis zu der genannten Gesellschaft.

Mit Beschluß des Kreisgerichtes W vom 12. März 1986, AZ S n/86, wurde über das Vermögen der B (M) der Konkurs eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 29. September und 4. November 1986 wies der Beschwerdeführer das Arbeitsamt W auf diesen Konkurs und seine Bestellung zum Masseverwalter hin.

Mit dem an die Gemeinschuldnerin zu Handen ihres bevollmächtigten Rechtsanwaltes gerichteten Bescheid vom 13. Juli 1987 wies das Arbeitsamt W den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Insolvenz-Ausfallgeld vom 20. Februar 1986 gemäß § 1 Abs. 1 IESG ab. In der Begründung führte das Arbeitsamt W aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß Arbeitnehmereigenschaft nicht vorliege. Dieser Bescheid wurde dem bevollmächtigten Vertreter der Gemeinschuldnerin am 15. Juli 1987 zugestellt.

Mit Schreiben vom 3. August 1987 übersandte das Arbeitsamt W dem Beschwerdeführer eine Kopie des Bescheides vom 13. Juli 1987 und wies darauf hin, daß der Originalbescheid an den bevollmächtigten Vertreter der Gemeinschuldnerin übersandt worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid vom 13. Juli 1987 die mit 17. August 1987 datierte und am 18. August 1987 beim Arbeitsamt W eingelangte Berufung.

Nach Vorlage dieser Berufung an die belangte Behörde stellte diese nach telefonischen Erhebungen in der Kanzlei des Beschwerdeführers fest, daß diesem mit Schreiben vom 3. August 1987 nur eine Kopie des Bescheidentwurfes zugestellt wurde, die keine Unterschrift oder Beglaubigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950 aufweise. Die belangte Behörde teilte dies mit Schreiben vom 9. November 1987 der erstinstanzlichen Behörde mit und trug dieser auf, dem Beschwerdeführer einen "neudatierten und unterfertigten Bescheid" zuzustellen.

Mit der am 12. November 1987 zur Post gegebenen und am 13. November 1987 beim Arbeitsamt W eingelangten Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer einen Bescheid des Arbeitsamtes W vom 11. November 1987. In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich keine Urschrift dieses Bescheides, wohl aber ein Rückschein, aus dem hervorgeht, daß dem Beschwerdeführer am 12. November 1987 ein Schriftstück des Arbeitsamtes W mit der Zl. IV-7400-B M 419/121/84/1985, zugestellt wurde.

Der an den Beschwerdeführer gerichtete Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 28. November 1988 hat folgenden Spruch:

"Das Landesarbeitsamt OÖ. hat nach Anhörung des Verwaltungsausschusses im Sinne des § 10 Abs. 3 IESG, BGBl. Nr. 324/1977, in derzeit geltender Fassung, gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 172/1950, in geltender Fassung, über Ihre Berufung vom 17.8.1987 gegen den Bescheid des Arbeitsamtes W vom 13.7.1987, AZ: 419/121/84/1985, mit welchem Ihr Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld vom 20.2.1986 (aufgrund der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Fa. P Handels- u. Produktions-GesmbH, KG W vom 21.10.1985, S n/85) gemäß § 1 IESG abgelehnt wurde, entschieden:

Der Berufung wird nicht stattgegeben

und der angefochtene Bescheid aus seinen zutreffenden Gründen bestätigt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat.

Soweit der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zufolge der §§ 1 Abs. 1 KO, 8 Abs. 1 IESG, 290 EO und der Bestimmungen des Lohnpfändungsgesetzes 1985 in die Konkursmasse fällt (vgl. dazu näher das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 89/11/0017), war ausschließlich der Masseverwalter als Partei zu behandeln. An ihn wäre daher ein entsprechender Bescheid zu richten und zuzustellen gewesen. Soweit es sich also um derartige Ansprüche handelt, konnte der erstinstanzliche Bescheid nicht wirksam an die Gemeinschuldnerin (zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters) erlassen werden (vgl. dazu den hg Beschluß vom 21. Mai 1990, Zl. 89/15/0058).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ausdrücklich über die Berufung des Beschwerdeführers vom 17. August 1987 gegen den Bescheid des Arbeitsamtes W vom 13. Juli 1987 abgesprochen. Dieser Bescheid wurde aber nach dem oben Gesagten nicht dem Beschwerdeführer gegenüber erlassen, sondern - soweit der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in die Konkursmasse fällt, zu Unrecht - gegenüber der Gemeinschuldnerin. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob von der Bescheiderlassung an den Beschwerdeführer auch deshalb nicht ausgegangen werden kann, weil die ihm zugestellte Kopie des Bescheides vom 13. Juli 1987 tatsächlich, wie die belangte Behörde meint, keine Ausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950 dargestellt hat, oder ob diese Kopie nicht doch den Anforderungen einer vervielfältigten Ausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 vierter Satz leg. cit. entsprochen hat.

Im Hinblick darauf, daß hinsichtlich des nicht in die Konkursmasse fallenden Teiles des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld ausschließlich die Gemeinschuldnerin, hinsichtlich des in die Konkursmasse fallenden Teiles jedoch ausschließlich der Beschwerdeführer als Partei zu behandeln war, kann auch nicht von einem Mehrparteienverfahren gesprochen werden, bei dem durch die Erlassung des Bescheides an eine von mehreren Parteien der Bescheid rechtlich existent geworden ist und damit auch die Berufung jener Partei, an die der Bescheid noch nicht zugestellt wurde, als zulässig anzusehen ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 4. Mai 1970, Slg. Nr. 7790/A).

Über die Berufung des Beschwerdeführers vom 12. November 1987 gegen den Bescheid des Arbeitsamtes W vom 11. November 1987 wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht entschieden, sodaß es für die hier zu treffende Entscheidung nicht von Bedeutung ist, ob der erstinstanzliche Bescheid vom 11. November 1987 gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen wurde und welchen Inhalt dieser Bescheid hatte.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die belangte Behörde dadurch, daß sie über die unzulässige Berufung des Beschwerdeführers vom 17. August 1989 meritorisch entschieden hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Zurückweisung der Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung (wie in dem mit Beschluß vom 21. Mai 1990, Zl. 89/15/0058, entschiedenen Beschwerdefall) kam nicht in Betracht, weil im vorliegenden Fall zwar nicht der erstinstanzliche, wohl aber - zum Unterschied von jenem Fall - der angefochtene Bescheid gegenüber dem Masseverwalter erlassen wurde.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Masseverwalter Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des Berufungswerbers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110009.X00

Im RIS seit

20.11.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten