TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/20 89/11/0017

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Veröffentlicht am 20.11.1990
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Index

23/01 Konkursordnung;
23/04 Exekutionsordnung;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

EO §290;
IESG §1 Abs1;
IESG §8 Abs1;
KO §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes 0berösterreich vom 6. Dezember 1988, Zl. IV-IESG-7022-B, betreffend Zurückweisung der Berufung in Angelegenheit Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen der P Handelsgesellschaft mbH wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes W vom 21. Oktober 1985, AZ S n/85, der Konkurs eröffnet.

Mit dem am 20. Februar 1986 beim Arbeitsamt W überreichten Antrag begehrte die Beschwerdeführerin (unter ihrem damaligen Zunamen M) die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für verschiedene näher bezeichnete Ansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis zu der genannten Gesellschaft.

Mit Beschluß des Kreisgerichtes W vom 12. März 1986, AZ S n/86, wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin der Konkurs eröffnet und XY zum Masseverwalter bestellt.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes W vom 13. Juli 1987 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld abgelehnt. Dieser Bescheid wurde dem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin am 15. Juli 1987 zugestellt. Die von ihrem bevollmächtigten Vertreter namens der Beschwerdeführerin verfaßte Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 6. Dezember 1988 "mangels Aktivlegitimation" zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde vertritt in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, der Bescheid sei irrtümlich der Beschwerdeführerin und nicht dem Masseverwalter zugestellt worden. Diese Zustellung sei rechtsunwirksam, weil die Gemeinschuldnerin hinsichtlich der Masse die Prozeßfähigkeit verliere.

Bei der Beurteilung des Beschwerdefalles ist davon auszugehen, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht etwa darauf gestützt hat, bei den dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld zugrundeliegenden Ansprüchen handle es sich nicht um solche aus dem Arbeitsverhältnis; vielmehr hat sie nach Wiedergabe der Behauptungen der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld betreffend ihre Ansprüche aus dem Angestelltenverhältnis bloß auf die mangelnde Prozeßfähigkeit der Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser Ansprüche verwiesen.

Ist demnach nicht auszuschließen, daß es sich bei den dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld zugrundeliegenden Ansprüchen um solche aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne des IESG handelt, dann ist die Zurückweisung der Berufung deshalb verfehlt, weil der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nicht schlechthin in die Konkursmasse des Dienstnehmers fällt. Gemäß § 1 Abs. 1 KO wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte, DER EXEKUTION UNTERWORFENE VERMÖGEN, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Gemäß § 8 Abs. 1 IESG ist der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in gleicher Weise wie der gesicherte Anspruch (§ 1 Abs. 2) pfändbar, verpfändbar und übertragbar. Die §§ 290 und 293 der Exekutionsordnung sind sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 290 EO unterliegen das in Geld zahlbare Einkommen der Beamten, Angestellten und Arbeiter aus Dienst- oder Arbeitsverhältnissen sowie ähnliche Bezüge der Pfändung nur in dem durch das Bundesgesetz über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (Lohnpfändungsgesetz 1985) festgesetzten Umfang.

Aus diesen Bestimmungen folgt, daß der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nur in jenem Ausmaß in die Konkursmasse des Dienstnehmers fällt, in dem die gesicherten Ansprüche pfändbar sind (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27. April 1988, RdW 1988 Seite 494 f). Der dem unpfändbaren Teil der gesicherten Ansprüche entsprechende Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld verbleibt trotz Konkurseröffnung über sein Vermögen in der freien Verfügung des Dienstnehmers. In diesem Umfang werden sein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld und auch seine Handlungsfähigkeit durch die Konkurseröffnung nicht betroffen, sodaß ihm diesbezüglich auch das Recht zusteht, Rechtsmittel gegen den seinen Antrag abweisenden Bescheid zu ergreifen. Die Zurückweisung der Berufung schlechthin, d.h. ohne Bedachtnahme darauf, in welchem Umfang die gesicherten Ansprüche pfändbar wären und damit der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld in die Konkursmasse fällt, ist somit rechtswidrig.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung vertritt, bei den dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld zugrundeliegenden Ansprüchen handle es sich nicht um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, sodaß die Pfändungsschutzbestimmungen des Lohnpfändungsgesetzes nicht anzuwenden seien, ist sie darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde (im angefochtenen Bescheid) angenommenen Sachverhaltes zu prüfen hat und nicht auf Grund eines Sachverhaltes, der erst im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dargestellt wird (siehe das Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, Zl. 89/11/0226, und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen und mit keinem Wort die Arbeitnehmereigenschaft der Beschwerdeführerin in Frage gestellt.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß auch die in der Gegenschrift angeführten Argumente gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnises, nämlich die Beteiligung mit 37,2 % am Stammkapital der Gesellschaft und die Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer, nicht geeignet sind, den Standpunkt der belangten Behörde zu stützen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beschwerdeführerin von der Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer, persönlich abhängig war, was nur bei einer Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft ohne weiteres auszuschließen gewesen wäre (vgl. dazu das Erkenntnis vom 25. Oktober 1983, Zl. 83/11/0137). Auch die Veranlagung zur Einkommensteuer spricht schon im Hinblick auf die (im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes.

Aus den oben dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110017.X00

Im RIS seit

20.11.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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