TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/20 90/18/0043

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Veröffentlicht am 20.11.1990
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Index

L64053 Fleischuntersuchung Geflügelhygiene Lebensmittelkontrolle
Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
82/05 Lebensmittelrecht;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

B-VG Art118 Abs1;
B-VG Art118 Abs3 Z7;
B-VG Art119 Abs1;
B-VG Art119 Abs2;
B-VG Art18 Abs2;
FleischkontrolluntersuchungsV Sankt Pölten 1983 §1 Abs1;
FleischUG 1982 §40 Abs2;
FleischUG 1982 §40 Abs4;
FleischUG 1982 §40;
FleischUG 1982 §41 Abs3;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/18/0093, 90/18/0094, 90/18/0095, 90/18/0119, 90/18/0121, 90/18/0122, 90/18/0123, 90/18/0124

Betreff

N gegen LH von NÖ 1. vom 18. Dezember 1989, Zl. VI/4-Vet-77

(hg. Zl. 90/18/0043), 2. vom 23. Februar 1990, Zl. VI/4-Vet-15

(hg. Zl. 90/18/0093), 3. vom 23. Februar 1990, Zl. VI/4-Vet-16

(hg. Zl. 90/18/0094), 4 vom 23. Februar 1990, Zl. VI/4-Vet-19 (hg. Zl. 90/18/0095), 5. vom 3. Mai 1990, Zl. VI/4-Vet-20 (hg. Zl. 90/18/0119), 6. vom 3. Mai 1990, Zl. VI/4-Vet-21 (hg. Zl. 90/18/0121), 7. vom 3. Mai 1990, Zl. VI/4-Vet-23 (hg. Zl. 90/18/0122), 8. vom 4. Mai 1990, Zl. VI/4-Vet-26 (hg. Zl. 90/18/0123), und 9. vom 3. Mai 1990, Zl. VI/4-Vet-27 (hg. Zl. 90/18/0124), betreffend Fleischuntersuchungsgebühren

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 2.760,--, insgesamt S 24.840,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstinstanzlichen Bescheiden 1. vom 29. September 1989, 2. vom 5. Dezember 1989, 3. vom 2. Jänner 1990, 4. vom 31. Jänner 1990, 5. vom 9. Dezember 1986, 6. vom 7. Oktober 1988, 7. vom 27. Februar 1990, 8. vom 28. März 1990 und 9. vom 19. April 1990 schrieb der Bürgermeister der Stadt St. Pölten der Beschwerdeführerin jeweils Gebühren für die Durchführung der Kontrolluntersuchung an von der Beschwerdeführerin in bestimmten Zeiträumen in das Gebiet der Stadt St. Pölten eingebrachten Fleischwaren vor. (Den zu 1., 2., 3., 4., 7., 8. und 9. genannten erstinstanzlichen Bescheiden waren gemäß § 57 AVG 1950 im Mandatsverfahren erlassene Bescheide des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vorausgegangen, gegen welche die Beschwerdeführerin rechtzeitig die Vorstellung ergriffen hatte.)

Über die gegen die unter 5. und 6. angeführten Bescheide des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerin entschied zunächst der Stadtsenat der Stadt St. Pölten mit den Bescheiden und zwar zu 5. vom 31. Mai 1988 und zu 6. vom 29. November 1988 abweislich.

Der Verwaltungsgerichtshof behob diese Bescheide und auch andere nicht verfahrensgegenständliche Bescheide mit den Erkenntnissen vom 22. März 1989, Zlen. 89/18/0031, 0032, 0030, und vom 7. Juli 1989, Zlen. 88/18/0389, 89/18/0028, 0029, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse wird verwiesen. (In diesen beiden Beschwerdefällen entschied der Bürgermeister der Stadt St. Pölten jeweils mit Bescheid und zwar zu 5. vom 13. Februar 1990 und zu 6. vom 14. Februar 1990, daß das Verfahren gemäß § 69 Abs. 3 AVG 1950 von Amts wegen wieder aufgenommen und die Berufung dem Landeshauptmann von Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt werde. Der Aktenlage nach wurden gegen die zuletzt genannten Bescheide keine Rechtsmittel ergriffen.)

Der Landeshauptmann von Niederösterreich wies in allen Beschwerdefällen mit den im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Bescheiden die jeweils gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen ab. Als Rechtsgrundlagen bezeichnete die belangte Behörde jeweils § 66 Abs. 4 AVG 1950; § 40 Abs. 2 und 4 des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. Nr. 522/1982, in der Fassung BGBl. Nr. 252/1989; § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vom 23. Februar 1983; § 3 lit. c der NÖ Fleischuntersuchungsgebührenverordnung, LGBl. 6400/5-0. In der Begründung wurde im wesentlichen nach einer Wiedergabe des § 40 Abs. 2 und 4 des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. Nr. 522/1983, ausgeführt, der Bürgermeister der Stadt St. Pölten habe auf Grund der zitierten Gesetzesstellen mit Wirksamkeit vom 1. April 1988 die Verordnung betreffend die Durchführung der Kontrolluntersuchung erlassen. Gemäß dem § 1 Abs. 1 dieser Verordnung unterlägen Fleisch, ausgenommen solches von Wild und Geflügel, sowie Fleischwaren, die zum regelmäßigen Verkauf oder zur gewerbsmäßigen Verarbeitung in das Gebiet der Stadt St. Pölten eingeführt werden, der Kontrolluntersuchung. Wie unbestritten feststehe, habe die Beschwerdeführerin Fleischwaren (Wurstwaren) in das Gebiet der Stadt St. Pölten eingeführt. Es sei von der Beschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens auch in keiner Weise bestritten worden, daß diese Fleischwaren zum regelmäßigen Verkauf oder zur gewerbsmäßigen Verarbeitung bestimmt gewesen seien. Der Magistrat der Stadt St. Pölten - richtig wohl: der Bürgermeister - habe daher zu Recht die vorangeführte Verordnung angewandt.

Dagegen richten sich die vorliegenden, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.

Aufgrund des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann dahingehend zusammengefaßt werden, daß ihrer Ansicht nach die die Gebührenvorschreibung auslösende Kontrolluntersuchung von Fleischwaren nicht durch Verordnung, sondern lediglich im Einzelfall durch Bescheid angeordnet werden dürfe.

Die Beschwerdeführerin ist damit nicht im Recht.

Gemäß § 40 Abs. 1 des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. Nr. 522/1982, ist Kontrolluntersuchung im Sinne dieses Bundesgesetzes die sanitäts- und veterinärpolizeiliche Überprüfung von in eine Gemeinde zum gewerbsmäßigen Verkauf oder zur gewerbsmäßigen Verarbeitung eingebrachtem Fleisch. Ausgenommen sind das Fleisch von Wild und Geflügel und, soweit gemäß Abs. 4 nichts anderes bestimmt ist, Fleischwaren (Selch-, Wurstwaren u.dgl.). Es ist verboten, in Gemeinden, in denen die Kontrolluntersuchung erfolgt, Fleisch vor durchgeführter Kontrolluntersuchung dem gewerbsmäßigen Verkauf oder der gewerbsmäßigen Verarbeitung zuzuführen.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Gemeinde, in die solches Fleisch eingebracht wird, die Kontrolluntersuchung anordnen, wenn das Einbringen 1. regelmäßig, 2. in größeren Mengen, 3. aus verschiedenen Herkunftsorten oder 4. über längere Transportstrecken erfolgt und wenn Gefahr besteht, daß durch das Einbringen Änderungen des Fleisches in sanitäts- und veterinärpolizeilicher Hinsicht entstehen können.

Entsprechend dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat die Gemeinde unter den Voraussetzungen des Abs. 2 die Kontrolluntersuchung des eingebrachten Fleisches anzuordnen, wenn sich in ihrem Bereich ein fleischverarbeitender Industriebetrieb befindet.

Zufolge des Abs. 4 dieser Bestimmung kann die Gemeinde darüber hinaus die Kontrolluntersuchung von Fleischwaren (Selch-, Wurstwaren u.dgl.) anordnen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 auf diese Waren zutreffen.

Gemäß dem ersten und zweiten Satz des Abs. 6 der zitierten Gesetzesstelle ist das beabsichtigte Einbringen des Fleisches so rechtzeitig dem Bürgermeister anzuzeigen, daß die Kontrolluntersuchung nach Einlangen des Fleisches umgehend durchgeführt werden kann. Zur Anzeige verpflichtet ist sowohl, wer das Fleisch in die Gemeinde verfügungsberechtigt einbringt, als auch derjenige, der verfügungsberechtigter Empfänger des Fleisches ist.

Auf Grund des § 40 Abs. 2 und 4 des Fleischuntersuchungsgesetzes hat der Bürgermeister der Stadt St. Pölten die Verordnung vom 23. Februar 1983 betreffend die Durchführung der Kontrolluntersuchung erlassen, welche (gemäß § 5 Abs. 4) mit 1. April 1983 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung unterliegen der Kontrolluntersuchung Fleisch, ausgenommen solches von Wild und Geflügel, sowie Fleischwaren, die zum gewerbsmäßigen Verkauf oder zur gewerbsmäßigen Verarbeitung in das Gebiet der Stadt St. Pölten eingeführt werden. Zufolge § 2 Abs. 2 dieser Verordnung sind Fleischwaren (Selch-, Wurstwaren u.dgl.) im Sinne dieser Verordnung die aus Fleisch (Abs. 1) hergestellten Erzeugnisse, die sich zum menschlichen Genuß eignen oder hiefür bestimmt sind. Entsprechend § 3 Abs. 1 der Verordnung ist die beabsichtigte Einbringung des Fleisches und der Fleischwaren so rechtzeitig anzuzeigen, daß die Kontrolluntersuchung nach Einlangen des Fleisches umgehend durchgeführt werden kann. Die Anzeige hat beim Magistrat - Veterinärverwaltung (Schlachthof ...) zu erfolgen.

Mit der Wendung "kann ... anordnen" in § 40 Abs. 2 und

Abs. 4 des Fleischuntersuchungsgesetzes hat der Gesetzgeber der Gemeinde eindeutig die Ermächtigung erteilt, unter bestimmten Voraussetzungen MITTELS VERORDNUNG (siehe dazu das zur Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 1. April 1983 - welche Verordnung mit der vorliegenden Verordnung fast wörtlich übereinstimmt - ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1987, Slg. 11557) eine Kontrolluntersuchung anzuordnen. Die Anordnung der Kontrolluntersuchung richtet sich von vornherein an einen unbestimmten Adressatenkreis. Dies ergibt sich schon aus dem im § 40 Abs. 1 letzter Satz des Fleischuntersuchungsgesetzes enthaltenen Verbot, Fleisch vor durchgeführter Kontrolluntersuchung dem gewerbsmäßigen Verkauf oder der gewerbsmäßigen Verarbeitung zuzuführen. Gleiches gilt auch hinsichtlich der im § 40 Abs. 6 leg. cit. normierten Verpflichtung, das beabsichtigte Einbringen des Fleisches rechtzeitig dem Bürgermeister anzuzeigen. Diese Anzeigepflicht trifft sowohl denjenigen, der das Fleisch in die Gemeinde als Verfügungsberechtigter einbringt, als auch denjenigen, der verfügungsberechtigter Empfänger des Fleisches ist.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin enthalten § 40 Abs. 2 und Abs. 4 des Fleischuntersuchungsgesetzes eindeutig eine hinreichend determinierte Verordnungsermächtigung der Gemeinde.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes fallen die Anordnung der Kontrolluntersuchung sowie die Vorschreibung der damit verbundenen Gebühren in den übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde (siehe z.B. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1972, Slg. 6844, und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1989, Zlen. 89/18/0030, 0031, 0032, und vom 27. April 1989, Zl. 89/09/0024), sodaß der Bürgermeister zur Erlassung der in Rede stehenden Verordnung zuständig gewesen ist.

Die Beschwerdeführerin hat selbst in ihrer Beschwerde nicht behauptet, daß die nach § 40 Abs. 2 und Abs. 4 des Fleischuntersuchungsgesetzes erforderlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen seien. Es bedarf - wie auch der Verfassungsgerichtshof im obzitierten Erkenntnis zur Grazer Verordnung ausgesprochen und auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift dargelegt haben - keiner weiteren Ausführung, daß das Einbringen von Fleisch und Fleischwaren in eine Stadt in der Größenordnung von St. Pölten regelmäßig, in größeren Mengen, aus verschiedenen Herkunftsorten oder über längere Transportwege erfolgt, und daß bei diesen Transporten die Gefahr besteht, daß Änderungen des Fleisches in sanitäts- und veterinärpolizeilicher Hinsicht (z.B. durch Ausfall des Kühlsystems des Transportmittels) entstehen können. Die Beschwerdeführerin hat selbst nicht einmal behauptet, daß die Kontrolluntersuchung allgemein in einer Stadt wie St. Pölten nicht notwendig sei. Die Beschwerdeführerin hat nicht einmal für ihren Betrieb die Notwendigkeit dieser Kontrolluntersuchungen durch irgendwelche Ausführungen in Abrede gestellt. In diesem Zusammenhang sei jedoch bemerkt, daß es allerdings für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung unerheblich wäre, ob im Rahmen des Betriebes der Beschwerdeführerin die aktuelle Gefahr besteht, daß durch Einbringen von Fleisch oder Fleischwaren in St. Pölten Änderungen der Ware in sanitäts- oder veterinärpolizeilicher Hinsicht entstehen könnten.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt unter diesen Gesichtspunkten keine Bedenken gegen die gegenständliche Verordnung und sieht keine Veranlassung, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung zu stellen.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde nicht bestritten, daß die von ihr in das Gebiet der Stadt St. Pölten eingebrachten Fleischwaren vom Geltungsbereich der genannten Verordnung erfaßt werden. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht die Höhe der ihr vorgeschriebenen Gebühren bekämpft.

Da die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide sohin nicht dargetan hat, waren ihre Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180043.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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