TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/20 90/18/0129

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.11.1990
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §52 lita Z13b;
VStG §24;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §43 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §47 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der Karin N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. April 1990, Zl. MA 70-9/739/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 20. April 1990 wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug für schuldig erkannt, sie habe am 15. März 1988 von 22.00 Uhr bis 22.15 Uhr in Wien 20, Pasettistraße 95, als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws in einem deutlich beschilderten Halte- und Parkverbot geparkt; sie habe hiedurch die Übertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; die von der ersten Instanz verhängte Geld- und Ersatzarreststrafe wurde herabgesetzt. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde ausgeführt, daß einerseits die Tatsache des verbotenen Parkens des bestimmten Pkws zur Tatzeit am Tatort durch die Aussage des Meldungslegers erwiesen sei, andererseits habe die Beschwerdeführerin, die Zulassungsbesitzerin dieses Pkws sei, niemanden anderen angegeben, der damals dieses Kraftfahrzeug gelenkt haben sollte. Insbesondere stützte sich die Berufungsbehörde auf die Zeugenaussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin, der angegeben habe, daß seine Ehefrau ihr Kraftfahrzeug an niemanden anderen als an den Ehemann verleihe.

Verfolgungsverjährung sei infolge der Strafverfügung vom 5. April 1988 nicht eingetreten. Der Sachverhalt sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 1 lit. a StVO ist das Halten und das Parken verboten im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 lit. a Z. 13b.

Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, bei der spruchmäßigen Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a lit. a VStG 1950) müsse die Bezeichnung "als Lenkerin" aufgenommen werden, ist unrichtig, weil - im Gegensatz zu manchen Deliktstatbeständen nach dem Kraftfahrgesetz 1967, z.B. § 102 - die Lenkereigenschaft nicht zu den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gehört, vielmehr sachverhaltsmäßig feststehen muß, damit ein bestimmtes Delikt einer bestimmten Person vorgeworfen werden kann. Letzteres hat die belangte Behörde mit den oben zitierten Ausführungen ihres Bescheides getan.

Stellen aber die Worte "als Lenkerin" keinen spruchmäßigen Bestandteil des Straferkenntnisses im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 dar, so war es auch nicht notwendig, gerade diese Worte in die rechtzeitige Verfolgungshandlung - die Strafverfügung vom 5. April 1988 - aufzunehmen.

Auch die weitere Rüge der Beschwerdeführerin, es fehle "jedes Ermittlungsergebnis für eine derartige Feststellung" - nämlich ihrer Lenkereigenschaft zur Tatzeit - ist nicht gerechtfertigt, weil die belangte Behörde in Ausübung ihrer freien Beweiswürdigung (siehe Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren und aus der Zeugenaussage ihres Ehegatten durchaus die eingangs erwähnten Schlüsse ziehen durfte.

Eine Vorschrift, daß vor Bescheiderlassung der gesamte Akteninhalt dem Beschuldigten vorzuhalten sei, findet sich nicht im Verwaltungsstrafverfahren; durch § 37 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) wird nur sichergestellt, daß den Parteien zu den einzelnen Ermittlungsergebnissen Gehör zu geben ist, was im vorliegenden Verfahren auch geschehen ist.

Berechtigt ist die Rüge der Beschwerde dahin, es sei zweifelhaft, ob das in Wien 20, Pasettistraße verordnete und kundgemachte Halte- und Parkverbot auch den Tatort umfaßte, und zwar in dem Sinn, daß der Sachverhalt nicht genügend erhoben wurde und daß Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Als Tatort wurde im Spruch des angefochtenen Bescheides Wien 20, Pasettistraße 95, bezeichnet. Der Verordnungsakt der Magistratsabteilung 46 enthält wörtlich folgendes Halte- und Parkverbot: "In Wien 20, Pasettistraße, vor ON 93/95, ist das Halten und Parken mit Fahrzeugen aller Art, ab dem 5-m-Eckbereich, auf einer Länge von 15 m verboten". In der im Verordnungsakt erliegenden Skizze ist die ON 95 nicht als Fläche eingezeichnet. Dieser Umstand veranlaßte den Verwaltungsgerichtshof zur Frage an die belangte Behörde, ob eine Verbotszone von (nur) 15 m, gerechnet vom 5-m-Eckbereich der Kreuzung Pasettistraße-Pöchlarnstraße, die ganze Länge der ON 95 erfaßt. Darauf antwortete die belangte Behörde mit Schreiben vom 8. November 1990 folgendes:

"Das gegenständliche Halte- und Parkverbot umfaßt ON 93, die links von der Pöchlarnstraße gelegen ist, wobei an der Seite des Hauses ON 93, die an ON 91 anschließt, ca. 2 m nicht erfaßt sind, und ON 95, die rechts von der Pöchlarnstraße gelegen ist. An der Seite von ON 95, die an ON 95a anschließt, sind ca. 1,5 m nicht vom Halte- und Parkverbot erfaßt.

Es ist somit nicht möglich, ein Kraftfahrzeug von ca. 4 m Länge vor ON 95 abzustellen, ohne daß es in das Halte- und Parkverbot ragt. Dies wurde im Zuge eines Lokalaugenscheines festgestellt."

Zu dieser Äußerung ist zunächst zu sagen, daß die Ansicht, die ON 93 liege links von der Pöchlarnstraße - ergänze: in Richtung Pasettistraße gesehen -, hingegen liege die ON 95 rechts von der Pöchlarnstraße, mit der Skizze im Verordnungsakt in Widerspruch steht, weil dort der Verlauf der Pasettistraße von ungefähr Nordwesten nach ungefähr Südosten auf deren in Richtung Südosten linker Seite wie folgt dargestellt wird:

ON 91, sodann Unterbrechung durch die Pöchlarnstraße, sodann ON 93, sodann - nur durch eine Nummer, nicht mehr aber durch die Skizze als Fläche zur Gänze dargestellt - ON 95.

Die Äußerung der belangten Behörde konnte daher zur Sachverhaltsklärung nichts beitragen.

Die weitere Ansicht der belangten Behörde, in einem Lokalaugenschein sei festgestellt worden, daß ein Kraftfahrzeug von ca. 4 m Länge vor ON 95 nicht abzustellen gewesen sei, ohne daß das Kraftfahrzeug in das Halte- und Parkverbot hineinragte, ist im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht verwertbar, weil dieser Lokalaugenschein offenbar nach Erlassung des angefochtenen Bescheides und ohne Gewährung des Parteiengehörs an die Beschwerdeführerin durchgeführt wurde.

Somit blieben die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Anfrage vom 8. Oktober 1990 gestellten Tatfragen ungeklärt.

Der angefochtene Bescheid war allein aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990180129.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten