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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3. Mai 1990, Zl. 345.117/1-4/1990, betreffend Heeresversorgung (Nichtgewährung eines Kostenersatzes für ein "Lattoflexbett"), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahre 1943 geborene Beschwerdeführer bezieht nach den Bestimmungen des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964 (HVG), eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. Als Dienstbeschädigung war u.a. "Teilblockwirbelbildung am 10. und 12. BW nach sekundärer Bandscheibenschädigung nach Bruch des 9. BW" anerkannt worden.
Am 14. Mai 1987 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm ein "Lattoflexbett" mit elektrischer Hebevorrichtung zuzuteilen bzw. die Kosten in Höhe von 25.800 S hiefür zu übernehmen. Zur Begründung führte er unter Vorlage der diese Anschaffung befürwortenden ärztlichen Bestätigung des Facharztes für Unfallchirurgie A aus, auf Grund eines (weiteren) Autounfalles und dessen Folgen (Peitschenschlagsyndrom) sei eine wesentliche Verschlimmerung seiner Wirbelsäulenbeschwerden eingetreten. Beim Liegen trete bereits nach kurzer Zeit eine schmerzhafte Steife seiner Wirbelsäule ein, wodurch sein Schlaf gestört und das Aufrichten im Bett und das morgendliche Aufstehen mit starken Schmerzen verbunden sei.
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens empfahl der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, R mit "Befundbericht" vom 16. November 1988 die Verwendung eines Bettes mit einstellbarem Lattenrost. Auch die Leitende Ärztin empfahl am 27. April 1989 aus medizinischer Sicht die Anschaffung eines "Lattoflexbettes" mit elektrischer Hebevorrichtung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. Mai 1990 wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 14. Mai 1987 auf Gewährung eines Kostenersatzes für ein selbst beschafftes "Lattoflexbett" samt Zubehör im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Heeresbeschädigte habe gemäß § 15 HVG zum Zwecke der Wiedergewinnung oder Erhöhung seiner infolge der Dienstbeschädigung geminderten Erwerbsfähigkeit oder zur Behebung oder Erleichterung der Folgen der Dienstbeschädigung Anspruch auf orthopädische Versorgung. Art und Umfang der orthopädischen Versorgung seien in der Anlage zu diesem Bundesgesetz festgelegt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales könne im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen auf Antrag über den Umfang dieser Anlage hinaus Leistungen gewähren, wenn hiedurch das Ziel der orthopädischen Versorgung erreicht werde. Es sei daher zu prüfen gewesen, ob das selbst beschaffte "Lattoflexbett" samt Zubehör als orthopädischer Behelf zu bewerten sei. Zunächst sei festzuhalten, daß verbindliche Richtlinien nicht bestünden, aus denen hervorgehe, welche Artikel oder Waren als orthopädische Behelfe oder Hilfsmittel zu qualifizieren seien. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und aus der begrifflichen Bestimmung gehe jedoch hervor, daß es sich bei orthopädischen Behelfen oder Hilfsmitteln um Waren oder Artikel handle, die speziell für die Behebung oder Erleichterung der Folgen von Behinderungen auf den Markt gebracht werden. Bei dem selbst beschafften "Lattoflexbett" handle es sich, wie allgemein bekannt sei, zwar um einen Betteinsatz für gehobene Ansprüche, der jedoch zur Verbesserung des Liegekomforts bereits in Durchschnittshaushalten Verwendung finde. Daraus gehe hervor, daß es sich bei diesem Artikel um kein spezielles orthopädisches Hilfsmittel handle und damit auch die gesetzliche Voraussetzungen für einen Kostenersatz gemäß § 15 Abs. 3 HVG nicht gegeben seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Kostenerstattung für das streitverfangene "Lattoflexbett" verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Abweisung seines Antrages widerspreche dem Grundsatz der kostenlosen Heilfürsorge. Tatsache sei, daß die belangte Behörde keine Kostendifferenzierung zwischen einem normalen Bett und den Mehrkosten für das streitverfangene "Lattoflexbett" erstellt habe. Auch die Begründung, daß in einem Durchschnittshaushalt ein derartiges Bett vorkomme, könne nicht zur Kenntnis genommen werden, weil dies in keiner Weise belegt bzw. bewiesen sei. Außerdem müsse festgestellt werden, daß ein derartiges Bett sehr wohl einen orthopädischen Behelf darstelle. Auch werde die gegenteilige Feststellung der belangten Behörde in keiner Weise begründet.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 15 Abs. 1 erster Satz HVG hat der Beschädigte zur Wiedergewinnung oder Erhöhung seiner infolge der Dienstbeschädigung geminderten Erwerbsfähigkeit oder zur Behebung oder Erleichterung der Folgen der Dienstbeschädigung Anspruch auf orthopädische Versorgung. Nach dem zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides erhobenen Abs. 3 dieser Gesetzesstelle idF der 17. Novelle, BGBl. Nr. 483/1985, sind Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel, Kostenersatz an Stelle von Sachleistungen, Beihilfen zur Anschaffung von Motorfahrzeugen und Pauschbeträge als Ersatz für außergewöhnliche Kleider- und Wäscheverbrauch nach Maßgabe der Anlage zu § 32 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu gewähren. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen auf Antrag über den Bereich der Anlage hinaus Leistungen gewähren, wenn hiedurch das Ziel der orthopädischen Versorgung erreicht wird; die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschädigten sind hiebei außer Betracht zu lassen.
Aus der konditionalen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge mittels der Konjunktion "wenn" im Zusammenhang mit dem verbum legale "erreicht wird", folgt, daß der Gesetzgeber die Gewährung von LEISTUNGEN verschiedenster Art, die über die sonst taxative Aufzählung in der Anlage zu § 32 KOVG 1957 hinausgehen, von der Voraussetzung abhängig machte, daß hiedurch das Ziel der orthopädischen Versorgung erreicht wird. Es besteht kein Zweifel daran, daß dieses Kriterium in dem Gewicht und der Bedeutung des Schutzzweckes dieser Norm, unter anderem die Folgen einer anerkannten Dienstbeschädigung zu beheben oder zu erleichtern, zu suchen ist.
Ob eine nach § 15 Abs. 3 zweiter Satz HVG zu gewährende (Sach-)Leistung diesen Anforderungen entspricht, hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu entscheiden; das schließt jedoch nicht aus, daß sie, soweit sie ihre Sachkunde nicht für ausreichend halten, medizinische Sachverständige hören.
Wenn die belangte Behörde zunächst ausführt, es bestünden keine verbindliche Richtlinien, aus denen hervorgehe, welche Artikel oder Waren als orthopädische Behelfe oder Hilfsmittel zu qualifizieren seien, so ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß der Anspruch des Beschwerdeführers ausschließlich nach dem Gesetz zu beurteilen ist und auch keine den Verwaltungsgerichtshof bindende Rechtsverordnung vorliegt.
Insoweit aber die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Rechtsauffassung äußerte, daß ein Anspruch auf Kostenersatz für das streitverfangene "Lattoflexbett" nicht bestehe, "weil es sich bei diesem Artikel um kein spezielles orthopädisches Hilfsmittel handle", sie also einen derartigen gesetzlichen Anspruch ganz allgemein verneinte, verkannte sie die Rechtslage.
Außer Zweifel steht, daß sich die Begriffe des Körperersatzstückes, des orthopädischen und "anderen Hilfsmittels" iSd § 15 Abs. 3 HVG mit den gleichlautenden Begriffen des § 15 Abs. 2 leg. cit. im Normzusammenhang decken. Nach der zuletzt zitierten Bestimmung des § 15 Abs. 2 HVG wird die orthopädische Versorgung vom Bunde beigestellt und umfaßt die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung. Nach der oben wiedergegebenen Bestimmung des § 15 Abs. 1 erster Satz HVG hat aber der Beschädigte zur Wiedergewinnung oder Erhöhung seiner infolge der Dienstbeschädigung geminderten Erwerbsfähigkeit oder zur Behebung oder Erleichterung der Folgen der Dienstbeschädigung Anspruch auf orthopädische Versorgung. Da das Gesetz die spezielleren Begriffe des "Körperersatzstückes" und des "orthopädischen Behelfes" dem ganz allgemein gehaltenen Begriff der "anderen Hilfsmittel" gegenüberstellt, muß unter einem solchen Hilfsmittel JEGLICHES Mittel verstanden werden, das zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der durch die Dienstbeschädigung geminderten Erwerbsfähigkeit oder zur Behebung oder Erleichterung der Folgen der Dienstbeschädigung notwendig ist. Daß dies im Beschwerdefall vorliegt, haben die ärztlichen Sachverständigen im Verfahren dargelegt.
Da die belangte Behörde solcherart eine unzutreffende Vorstellung vom normativen Gehalt des § 15 Abs. 3 HVG zu erkennen gab, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser mußte daher gemäß dem § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG der Aufhebung verfallen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Sachverständiger ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090128.X00Im RIS seit
22.11.1990