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21/01 Handelsrecht;Norm
BAO §24 Abs1 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N-Gesellschaft m.b.H. & Co. KG gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom 10. Mai 1989, Zl. 50.226-5/89, betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1985 und 1. Jänner 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt setzte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin zum 1. Jänner 1985 mit minus S 2,982.000,-- und zum 1. Jänner 1986 mit minus S 7,393.000,-- fest, wobei es jeweils den gesamten Einheitswert der Komplementär-GmbH zurechnete.
Mit ihrer gegen die Zurechnung des Einheitswertes an die Komplementär-GmbH gerichteten Berufung und ihrem nach Erlassung einer nur teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz machte die Beschwerdeführerin geltend, das Kapitalkonto des Kommanditisten sei (abgesehen von einem Verlust von S 187.630,75 im Jahre 1985) nicht durch Verluste, sondern durch Entnahmen negativ geworden. Das Entnahmerecht des Kommanditisten sei bei der Beschwerdeführerin nicht gesellschaftsvertraglich geregelt. Tätige der Kommanditist Entnahmen, die über den Gewinnanteil bzw. den Kapitalanteil hinausgingen, entstehe über die Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB hinaus eine weitere zivilrechtliche Haftung, die der Gesellschaft einen klagbaren Anspruch gegenüber dem Kommanditisten verschaffe. Dies führe zu einer Zurechnung des negativen Einheitswertanteiles an den Kommanditisten. Die Zurechnung an die Komplementär-GmbH wäre unrichtig, da bei dieser keine entsprechende Verbindlichkeit, sondern vielmehr eine echte Forderung bestünde. Der Einheitswert des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin sei daher der Komplementär-GmbH zum 1. Jänner 1985 mit minus S 504.568,-- und zum 1. Jänner 1986 mit minus S 496.948,--, dem Kommanditisten zum 1. Jänner 1985 mit minus S 2,477.432,-- und zum 1. Jänner 1986 mit minus S 6,896.052,-- zuzurechnen.
Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer auf, darzulegen, worauf sich eine über § 172 Abs. 4 HGB hinausgehende weitere zivilrechtliche Haftung bzw. die behauptete Verpflichtung des Kommanditisten gründe, sein Konto aufzufüllen. Sie forderte die Beschwerdeführerin weiters auf, bekanntzugeben, welche konkreten Maßnahmen die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter ergriffen hätten, um die in der Berufung erwähnten unzulässigen Entnahmen vom Kommanditisten zurückzufordern.
Die Beschwerdeführerin führte daraufhin aus, der Gesellschaftsvertrag enthalte keine vom Gesetz (§ 161 ff HGB) abweichenden Vereinbarungen. Nach § 169 HGB könne der Kommanditist - unter der Voraussetzung, daß seine Einlage nicht negativ sei - lediglich seinen Gewinnanteil entnehmen. Darüber hinausgehende Entnahmen seien unbefugt getätigt. Der Gesellschaft sei daher ein sowohl im Gesetz (§ 111 HGB) als auch im Gesellschaftsverhältnis beruhender Anspruch gegen den Gesellschafter entstanden. Die Gesellschaft habe allerdings keine Maßnahmen ergriffen, die Rückzahlung der unzulässig getätigten Entnahmen zu erwirken, weil ihre Finanzierung "trotzdem" geordnet sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Sie rechnete das Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin dem Kommanditisten mit jeweils minus S 50.000,--, der Komplementär-GmbH zum 1. Jänner 1985 mit minus S 2,932.000,-- und zum 1. Jänner 1986 mit minus S 7,343.000,-- zu. Begründend führte sie nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen aus, gemäß § 172 Abs. 4 HGB hafte der Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern bis zur Höhe seiner Hafteinlage von S 50.000,--; insoweit bestehe eine echte Verpflichtung des Kommanditisten. In diesem Ausmaß sei somit der Einheitswert dem Kommanditisten zuzurechnen. Im übrigen sei streitentscheidend, ob der Kommanditist tatsächlich unbefugte Entnahmen getätigt habe und somit gegenüber der Gesellschaft verpflichtet sei, sein "Negativ-Kapital" auszugleichen. Dies sei jedoch schon deshalb zu verneinen, weil die Entnahmen mit der jeweiligen konkludenten Zustimmung des anderen Gesellschafters, dessen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Kommanditist sei, erfolgt seien. Es lägen daher keine unzulässigen Entnahmen und somit auch kein auf § 111 HGB bzw. das Gesellschaftsverhältnis gestützter Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Kommanditisten auf Rückersatz der Entnahmen vor. Selbst wenn man der Argumentation der Beschwerdeführerin folgte, der Kommanditist habe die Entnahmen unbefugt getätigt, führte dies im vorliegenden Fall nicht zur Zurechnung der negativen Einheitswertanteile an den Kommanditisten. Eine bestehende Schuld stelle nur dann eine steuerlich zu berücksichtigende Vermögensminderung dar, wenn der Steuerpflichtige am Stichtag mit der Geltendmachung der Forderung ernsthaft habe rechnen müssen. Dies sei hier nicht der Fall, da die Gesellschaft zu den Stichtagen keinerlei konkrete Schritte zur Realisierung des Rückersatzes ergriffen habe.
Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 3 Bewertungsgesetz (BewG) ist der Wert eines Wirtschaftsgutes auch dann im Ganzen zu ermitteln, wenn es mehreren Personen zusteht; der Wert ist auf die Beteiligten im Verhältnis ihrer Anteil aufzuteilen. Hiezu bestimmt § 24 Abs. 1 lit. e BAO, daß Wirtschaftsgüter, die mehreren Personen ungeteilt gehören, diesen so zuzurechnen sind, als wären sie nach Bruchteilen berechtigt. Die Höhe der Bruchteile ist nach den Anteilen zu bestimmen, zu denen die beteiligten Personen an dem Vermögen ungeteilt berechtigt sind, oder, wenn die Anteile nicht feststellbar sind, nach dem Verhältnis dessen, was den beteiligten Personen bei Auflösung der Gemeinschaft zufallen würde.
Zur letztzitierten Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß sich bei den Personengesellschaften des Handelsrechtes die Höhe der (wegen des Gesamthandeigentums zu fingierenden) Bruchteile in erster Linie nach den Anteilen bestimmt, zu denen die Personen an dem Vermögen ungeteilt berechtigt sind (Vermögensanteil). Hiefür sind der Gesellschaftsvertrag, trifft dieser jedoch keine Anordnung, die Vorschriften des Handelsgesetzbuches über die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft entscheidend. Die Zurechnung von Anteilen am negativem Einheitswert des Betriebsvermögens einer Kommanditgesellschaft an Kommanditisten mit negativem Kapitalanteil kommt nach dieser Rechtsprechung nur soweit in Betracht, als die Kommanditisten verpflichtet sind, über den Betrag ihres Kapitalanteiles und ihrer noch rückständigen Einlage hinaus an den Verbindlichkeiten der Gesellschaft teilzunehmen. Wurde eine solche - am Bewertungsstichtag bereits bestehende - Verpflichtung nicht begründet, kommt die Vorschrift des § 167 Ab. 3 HGB zum Tragen, wonach der Kommanditist an dem Verlust nur bis zum Betrage seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teilnimmt. Daraus folgt, daß Kommanditisten über den genannten Betrag hinaus an den Verbindlichkeiten der Gesellschaft, soweit diese die Aktiven übersteigen, kein Anteil zusteht, jene also dem Komplementär zuzurechnen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1983, Slg. 5790/F).
Ertragssteuerlich sieht der Verwaltungsgerichtshof die zum Negativ-Kapital führenden Verlustzuweisungen als steuerlich unbeachtliche, bloß formelle Buchungsvorgänge an, wenn der Buchstand (= negatives Kapitalkonto) mit der materiell-rechtlichen Stellung des Kommanditisten im Zeitpunkt seines Ausscheidens deswegen nicht übereinstimmt, weil der Kommanditist niemand gegenüber verpflichtet ist, sein Negativ-Kapital auszugleichen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1980., Slg. 5471/F).
Die Beschwerdeführerin vertritt - unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1988, Zl. 86/15/0060 - die Auffassung, unzulässige Entnahmen durch den Kommanditisten begründeten einen Erstattungsanspruch der Gesellschaft. Dieser Auffassung ist zuzustimmen; der von der Beschwerdeführerin daraus gezogenen Schlußfolgerung, dem Kommanditisten wäre ein Anteil am negativen Einheitswert des Betriebsvermögens der Kommanditgesellschaft in der Höhe dieses Erstattungsanspruches zuzurechnen, kann jedoch nicht gefolgt werden.
Die Beschwerdeführerin hat mehrfach betont, es lägen keine vom Gesetz abweichenden vertraglichen Regelungen vor. Nach der dispositiven Regelung des Gesetzes (§ 120 Abs. 2 in Verbindung mit § 161 Abs. 2 HGB) vermindern (neben den Verlustanteilen) nur die zulässigen Entnahmen den Vermögensanteil des Gesellschafters; unzulässig entnommene Beträge sind dagegen nicht vom Kapitalanteil des Gesellschafters abzuschreiben, sondern führen zu einer Schuld gegen die Gesellschaft, die auf Privatkonto zu verbuchen und nach § 111 HGB zu verzinsen ist (vgl. Fischer in Großkommentar HGB3 § 120 Anm. 24, 26; Hueck,
Das Recht der OHG4 238; Torggler - Kucsko in Straube, HGB, § 120 Rz 11). Beim Erstattungsanspruch der Gesellschaft auf Grund unzulässiger Entnahmen handelt es sich somit um eine echte, ziffernmäßig bestimmte Forderung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter (vgl. Twaroch - Frühwald - Wittmann, Kommentar zum Bewertungsgesetz2 § 59 Anm. 13, Thormann, Die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens 115), die nicht einer über die durch § 167 Abs. 3 HGB gezogenen Grenzen hinausgehenden Verpflichtung zur Teilnahme am Verlust bzw. zur "Auffüllung eines Negativkapitals" gleichgesetzt werden kann.
Die Buchung der unzulässigen Entnahmen auf dem "Kapitalkonto" des Kommanditisten ändert an dieser Beurteilung im vorliegenden Fall nichts (vgl. Twaroch - Wittmann - Frühwald aaO; Fischer aaO § 120 Anm. 26), zumal nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht vom Vorliegen einer Vereinbarung ausgegangen werden kann, wonach die Entnahmen dem Kapitalanteil des Kommanditisten verrechnet werden sollten.
Die belangte Behörde ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß dem Kommanditisten über den Betrag seiner Hafteinlage hinaus Anteile am negativen Vermögen der Gesellschaft nicht zuzurechnen waren.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150087.X00Im RIS seit
14.01.2002