TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/26 89/10/0250

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Veröffentlicht am 26.11.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der M-Gesellschaft mbH. & Co. KG gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 14. November 1989, Zl. Ro-285/15/1989, betreffend Abänderung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 3 AVG 1950, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.0. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der näheren Darstellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1989, Zl. 88/10/0211, verwiesen.

Mit diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 3. November 1988 betreffend Abänderung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau (in der Folge: BH) gemäß § 68 Abs. 3 AVG 1950 vom 19. Mai 1987 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die BH hatte mit dem Bescheid vom 19. Mai 1987 der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 lit. g Z. 3, § 5 und § 10 Abs. 1 des Landschaftsschutzgesetzes 1981, LGBl. Nr. 29, in Verbindung mit § 69 des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. 1986/54, die Bewilligung zur Errichtung einer Schitrasse im Bereich der Zubringerbahn "Eissee" auf dem Grundstück Nr. n1 KG. XY nach Maßgabe der vorgelegten Pläne unter anderem mit der Auflage erteilt, daß für die im vorgelegten Plan von der Wildbach- und Lawinenverbauung Kärnten (in der Folge: WuL) mit Rotstift ausgewiesenen Abfahrtsvarianten die Freigabe durch die örtliche Lawinenkommisson erforderlich sei (Auflage 1). Nach Rechtskraft dieses Bescheides ersuchte die WuL mit Schreiben vom 29. Oktober 1987 um Korrektur dieser Auflage. Mit Bescheid vom 19. Februar 1988 trug die BH diesem Ersuchen schließlich unter Berufung auf § 68 Abs. 3 AVG 1950 Rechnung, wobei die Auflage nunmehr folgende Fassung erhielt:

"Für die im vorgelegten Plan von der Widbach- und Lawinenverbauung Kärnten mit blauer Farbe ausgewiesene Abfahrtsvariante wird die Bewilligung vom 15.05. BIS 15.11. eines jeden Jahres befristet. Für die als "rot" ausgewiesene Abfahrtsvariante ist vom 15.05. bis 15.11. eines jeden Jahres die Freigabe durch die örtliche Lawinenkommission erforderlich."

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 3. November 1988 keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem eingangs genannten Erkenntnis diesen Bescheid der belangten Behörde aufgehoben, wobei er sein Erkenntnis im wesentlichen damit begründete, daß die fachliche Beurteilung durch die WuL mangelhaft gewesen sei, da insbesondere dem Fachurteil kein Befund zugrunde gelegen sei, der die Grundvoraussetzung dafür wäre, um die fachlichen Aussagen auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfen zu können. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die belangte Behörde einen "gewissen Sicherheitsfaktor" bei der Festlegung der zeitlichen Beschränkung des Betriebes für gerechtfertigt halte, reiche es für ein Gutachten nicht aus, bloß festzustellen, es könne bei extremen Wettersituationen zu Lawinenabgängen auf die als "rot" ausgewiesene Abfahrttrasse auch in der Zeit vom 15. Mai bis 15. November jedes Jahres kommen. Dies gelte in gleicher Weise für die kategorische Aussage, daß es "für die Zeit vom 16. November bis 14. Mai jedes Jahres wegen der vorhandenen Lawinengefährdung keine sichere Abfahrt (gebe)". Mangels die örtliche (räumliche) Situation ausreichend kennzeichnender Tatsachenfeststellungen und darauf aufbauender - nachvollziehbarer - fachlicher Schlußfolgerungen sei die belangte Behörde nicht in der Lage, in rechtlich unbedenklicher Weise das Vorliegen einer KONKRETEN Gefährdung annehmen zu können. Die im angefochtenen Bescheid dazu enthaltenen Feststellungen, daß die Erfahrungen des täglichen Lebens immer wieder zeigten und auch Beispiele in den letzten Jahren gezeigt hätten, daß hochalpine Bereiche, insbesondere der Tauernhauptkamm, Gefahren in sich bergen würden, die nicht oder kaum abschätzbar seien, stellten sich als viel zu allgemein gehaltene Aussagen dar, deren grundsätzliche Richtigkeit wohl niemand in Zweifel ziehen werde. Gerade im Hinblick darauf würde jedoch ein Akzeptieren solcher allgemeinen Erfahrungswerten entsprechender Feststellungen im Ergebnis das fachliche Urteil von einschlägigen Sachverständigen nahezu immer von vornherein entbehrlich machen. Da es sich aber bei der Frage der Lawinengefährdung bzw. - sicherheit von Schiabfahrtstrassen auch nach Auffassung der belangten Behörde um eine solche handle, die ohne Beurteilung durch Sachverständige nicht zum Gegenstand rechtlicher Subsumtion unter dem Blickwinkel des im Beschwerdefall maßgeblichen Tatbestandselementes des § 68 Abs. 3 AVG 1950 gemacht werden könne, sei der aufgezeigte Mangel der gutachtlichen Stellungnahmen der WuL wesentlich.

1.2. Die belangte Behörde führte daraufhin ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, wobei zunächst am 30. August 1989 im Beisein eines Vertreters der Beschwerdeführerin eine örtliche Begehung stattfand. Ferner wurde ein Amtsgutachten des Leiters der WuL - Sektion Villach, Hofrat Dipl.-Ing. L, eingeholt. Auch der schitechnische Sachverständige des Amtes der Kärntner Landesregierung, Hofrat Dr. B, wurde um die Erstattung eines Gutachtens ersucht.

Die Beschwerdeführerin erhielt von den vorgelegten Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs Kenntnis und ersuchte mit Schriftsatz vom 2. November 1989 um eine Verlängerung der Frist zur Erstattung einer Stellungnahme. Mit Schreiben vom 6. November 1989 wurde von der belangten Behörde eine Fristerstreckung bis 9. November 1989 gewährt, da im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid gegebenen Termine eine längere Fristerstreckung nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 9. November 1989 erklärte die Beschwerdeführerin, daß die eingeräumte Fristerstreckung zur Einholung eines Privatgutachtens zu kurz bemessen sei. Das Erfordernis eines Privatgutachtens ergebe sich nicht nur durch die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit, sondern auch deshalb, weil beide Sachverständige in relevanten Fragen zu verschiedenen Ergebnissen gekommen seien. Im Zusammenhang mit diesem Schreiben wurde von der Beschwerdeführerin auch eine Stellungnahme des Obmannes der örtlichen Lawinenkommission vom 7. November 1989 vorgelgt, in der dieser darauf verwies, daß die Lawinenkommission insbesondere auch über die Lawinensicherheit der Zufahrtsstraße zum Schigebiet zu befinden habe. Diese Zufahrtsstraße sei in weiten Bereichen geländemäßig wesentlich exponierter als die in Rede stehende Abfahrtsstrecke, sodaß die Beurteilung der Lawinensicherheit dieser Straße eine wesentlich größere Verantwortung darstelle als die Beurteilung der Abfahrtstrasse.

1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den Bescheid der BH vom 19. Mai 1987.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens gab die belangte Behörde in ihrer Begründung zunächst die wesentlichen Teile von Befund und Gutachten des Amtssachverständigen Dipl.-Ing. L und die Stellungnahme des schitechnischen Sachverständigen Dr. B wieder. Nach Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen verwies sie darauf, daß im Beschwerdefall von folgenden Überlegungen auszugehen sei:

1. Die gegenständliche Schiabfahrt nehme ihren Ausgang auf rund 2.800 m Seehöhe und ende auf ca. 2.240 m Höhe. Die mit blauem Farbstift im Lageplan eingetragene Abfahrtstrasse stelle die Haupttrasse dar, von der im unteren Bereich zwei Ergänzungsvarianten (mit roter Farbe eingetragen) abzweigten.

Wie die ergänzenden Ermittlungen ergeben hätten, befänden sich im Bereich der Abfahrt (einschließlich Varianten) zwei lawinengefährdete Bereiche, und zwar auf ca. 2.400 m und auf rund 2.700 m (Abrisse). Der unter 2.400 m gelegene Bereich (Pfeifenberg), wo bedingt durch eine Geländekante mit dem Abgang von Lawinen zu rechnen sei, werde durch die blaue Abfahrtsvariante im wesentlichen umfahren. Hier bestehe allerdings konkrete Lawinengefahr für die rote Abfahrtsvariante und dies sowohl im Sommer- als auch im Winterhalbjahr (siehe Auflage 1 des angefochtenen Bescheides).

2. Im oberen Bereich der Schitrasse, also über einer Höhe von 2.400 m existierten keine Varianten, sondern es gebe hier nur die blaue Abfahrtsstrecke, d.h. also, daß zwar im unteren Bereich eine Umfahrung des Lawinengefährdungsbereiches mittels der blauen Abfahrtsstrecke möglich sei, nicht jedoch im Bereich darüber.

3. Extreme Lawinengefahr bestehe für den in südwestliche Richtung abfallenden Hang ab 2.700 m mit einer durchschnittlichen Neigung von 37 %; geringere Lawinengefahr für jenen nach Westen exponierten, sich von einer Höhe von

2.590 m bis 2.705 m erstreckenden Hang, der ein durchschnittliches Gefälle von 59 % aufweise. Bei dem nach Südwesten, mit durchschnittlich 37 % fallenden Hang werde im Gutachten von Dr. B (siehe letzter Absatz) von einer Lawinenverbauung ausgegangen, die allerdings nicht existiere. In Anbetracht der gegebenen Situation (keine Lawinenverbauung) sowie unter Bedachtnahme auf die örtlichen Kenntnisse und nach dem Studium der wichtigsten Darstellungen im vom Land Tirol herausgegebenen "Lawinenhandbuch" sehe die belangte Behörde keinerlei Veranlassung, dem Gutachten von Dipl.-Ing. L vom 18. September 1989 nicht zu folgen. Dieses Gutachten weise einen umfassenden Befund sowie ein absolut schlüssiges Gutachten auf, welches derzeit nachvollzogen werden könne.

4. Wie vom Sachverständigen Dipl.-Ing. L dargestellt und bereits oben betont, weise das fragliche Gebiet (Südwesthang mit Abrißkante bei 2.700 m bzw. die darunter verlaufende Schitrasse etwa bis unterhalb der Duisburger Hütte) unter Berücksichtigung der Schnee- und Windverhältnisse aus der Sicht der Lawinengefährdung Extremverhältnisse auf.

Am nahegelegenen Sonnblick (3.106 m über der Adria) würden Schneehöhen bis 8 m (Mittelwert 5,5 m) auftreten. Hiebei seien diese Schneewerte nicht erst im Hochwinter, sondern sehr früh bzw. sehr spät im Jahr noch feststellbar. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich jedenfalls, daß der Zeitraum vom 16. November bis 14. Mai eines jeden Jahres sehr vorsichtig, wenn nicht sogar zu kurz festgelegt worden sei. Es gebe nämlich auch vor dem 16. November bzw. nach dem 14. Mai immer wieder Extremsituationen. Unter Bedachtnahme auf die Ausführungen im Gutachten sowie die Darstellungen im "Lawinenhandbuch" sei der Bereich des Südwesthanges mit 37 % Durchschnittsneigung vom Gesichtspunkt der Lawinengefährdung als äußerst gefährlich zu bezeichnen. Es werde sogar ausgeführt, daß eine technische Verbauung des in Frage stehenden Hanges im Hinblick darauf, daß im beschriebenen Gebiet Schneehöhen von mehr als 5 m regelmäßig auftreten könnten, problematisch erscheine.

5. Der Amtssachverständige Dipl.-Ing. L komme schließlich zu der schwerwiegenden Aussage, daß außerhalb der genehmigten Betriebszeit vom 15. Mai bis 15. November eines jeden Jahres für die Benützer der Schipiste mit einer latenten Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen im Hinblick auf die Lawinengefährdung zu rechnen sei.

Die belangte Behörde schließe sich den im Gutachten schlüssig dargebrachten Aussagen vollinhaltlich an und sehe keine Veranlassung, von dieser mit Verantwortung getragenen Aussage abzuweichen oder diese in Frage zu stellen. In diesem Sinne sei davon auszugehen, daß im Zeitraum vom 16. November bis 14. Mai eines jeden Jahres auf Grund der vorhandenen Lawinengefahr im Bereich des Südwesthanges eine konkrete Gefährdung für das Leben und die Gesundheit von Menschen gegeben sei.

6. Von der Beschwerdeführerin werde im Rahmen der Stellungnahmen massiv darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde bei der Anwendung des § 68 Abs. 3 AVG 1950 unter möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen habe. Hiebei werde insbesondere geltend gemacht, daß in Schonung ihrer Rechte die blaue Abfahrtsvariante in der Zeit vom 16. November bis 14. Mai eines jeden Jahres der Freigabe durch die örtliche Lawinenkommission überantwortet werden möge.

Diesem Vorbringen sei zu erwidern, daß nach den Ausführungen des Amtssachverständigen Dipl.-Ing. L einer Übertragung der Verantwortung für die Sicherheit der Schipiste für den fraglichen Bereich an die Lawinenkommission nicht beigetreten werden könne. Dies unter anderem deswegen nicht, weil sich bereits bei normalen Schlechtwetterbedingungen auf Grund der extrem lawinengefährdeten Zufahrt zum Schigebiet die Lawinenkommission kein Bild "vor Ort" machen könne. Dieser Überlegung sei durchaus zu folgen, insbesondere in Wertung der Aussagen der Beschwerdeführerin und des Obmannes der Lawinenkommission, wonach die Zufahrtsstraße das größere Gefährdungspotential aufweise. Es könne nämlich durchaus die Situation eintreten, daß auf Grund von Lawinenabgängen im Bereich der Zufahrtsstraße das Schigebiet nicht erreicht werden könne und daher Aussagen seitens der Lawinenkommission über dieses nicht gemacht werden könnten. Des weiteren werde im Gutachten festgestellt - und auch diesbezüglich sehe die belangte Behörde keine Veranlassung, dem nicht beizutreten -, daß die extremen Witterungsverhältnisse im gegenständlichen Bereich auch einem noch so versierten Fachmann die Möglichkeit nehmen könnten, mit so hoher Wahrscheinlichkeit richtige Entscheidungen zu treffen, daß nur mehr ein geringes und kalkulierbares Restrisiko verbleibe.

7. Im Zusammenhang mit dem Konzessionsbescheid sei noch festzuhalten, daß die Dispositionen der Beschwerdeführerin ursprünglich dahin gegangen seien, im fraglichen Gebiet ein "Sommerschigebiet" zu errichten. In diesem Sinne seien auch die ursprüngliche Antragstellung sowie die Bewilligungen, ausgenommen der Bescheid der BH vom 19. Mai 1987, erfolgt.

Eine Erstreckung des Schigebietes auf den Winterzeitraum (vom 16. November bis 14. Mai eines jeden Jahres) sei erst zu einem späteren Zeitpunkt aktuell geworden. Jene Rechte, die von der Beschwerdeführerin a priori angestrebt worden seien und die sie letztlich auch erhalten habe, würden durch den Änderungsbescheid der BH vom 19. Februar 1988 weitestgehend geschont.

Zusammenfassend könne daher festgestellt werden, daß durch die nunmehr in Punkt 1. des Bescheides der BH vom 19. Februar 1988 getroffene Einschränkung der urprünglichen Auflage des Punktes 1. des Bescheides der BH vom 19. Mai 1987 in verantwortungsvoller Form das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdende Mißstände ausgeschlossen würden. Daß im Zeitraum vom 19. November bis 14. Mai eines jeden Jahres eine latente Lawinengefährdung unterhalb einer Höhe von 2.700 m im Bereich der blauen Abfahrtsvariante gegeben sei, sei durch die vorliegenden Gutachten schlüssig und nachvollziebar belegt. In Ansehung der gutachtlichen Aussagen werde die konkrete Gefährdung der Schiläufer durch Lawinen im oberen Bereich der Abfahrtsstrecke (Südwesthang unter 2.700 m) in der Zeit vom 16. November bis 14. Mai eines jeden Jahres als nicht eliminierbar bewertet.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin zunächst die Verletzung des Parteiengehörs. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 sei der Partei Gelegenheit zu geben, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Die Möglichkeit zur Stellungnahme sei der Partei aber nur dann gegeben, wenn ihr hiefür eine ausreichende Frist eingeräumt werde. Im Hinblick auf Inhalt und Umfang der übermittelten Unterlagen und den Umstand, daß die Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. L und Dr. B etwa hinsichtlich der Lawinengefährdung der Abfahrt und der Möglichkeit entsprechender Verbauung erheblich divergierten, sei die der Beschwerdeführerin eingeräumte Frist nicht ausreichend gewesen. Die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung auch ausschließlich das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L zugrundegelegt, sich hingegen mit der Auffassung von Dr. B nicht auseinandergesetzt. Dipl.-Ing. L berücksichtige in seinem Gutachten lediglich die "blaue Abfahrtsvariante". Sein Gutachten reiche auch nicht aus, um eine konkrete Gefährdung schlüssig nachvollziehen zu können.

2.2. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 in Verbindung mit § 67 AVG 1950 sind in der Begründung eines Berufungsbescheides unter anderem auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Ein Bescheid, der diesen Erfordernissen nicht entspricht, bedarf hinsichtlich des Sachverhaltes einer Ergänzung und ist daher, sofern durch diesen Mangel die Parteien in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt sind, mit einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG behaftet.

Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950, wonach die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (sogenannter Grundsatz der freien Beweiswürdigung), bedeutet nicht, daß dieser in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die in Rede stehende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 hat nur zur Folge, daß, soferne in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Diese Regelung schließt aber keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend ermittelt ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1974, Zl. 1579/73, VwSlg. 8619/A).

2.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Berechtigung zu.

2.3.1. Berechtigt ist dabei zunächst das Vorbringen, daß im Rahmen des von Dipl.-Ing. L erstatteten Befundes auf die in roter Farbe dargestellte Abfahrtsvariante nicht eingegangen wird. Diese sei nämlich, so heißt es dort, schon bisher als nicht ständig lawinensicher erachtet worden (z.B. jene bei SH 2.400 m), weshalb sich eine neuerliche Begutachtung erübrige. Dabei wird jedoch übersehen, daß schon dem im Vorverfahren erstatteten Fachurteil vom 21. Dezember 1987 kein Befund zugrunde lag, der nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Grundvoraussetzung dafür gewesen wäre, die abgegebenen fachlichen Aussagen auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfen zu können (vgl. das bereits genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1989, Punkt II.2.). Die schon bisher bestehende Mangelhaftigkeit hinsichtlich der "roten Abfahrtsvariante" besteht somit auch im gegenständlichen Verfahren.

2.3.2. Berechtigung kommt schließlich auch dem Einwand der Beschwerdeführerin zu, die ihr zur Stellungnahme eingeräumte Frist reiche zur Einholung eines Privatgutachtens nicht aus.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den Parteien dabei für ihre Stellungnahme eine ausreichende Frist einzuräumen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Jänner 1968, Zl. 1221/67). Zur Stellungnahme unter Zuhilfenahme eines Privatgutachtens zu den Ermittlungsergebnissen, denen nur in dieser Weise wirksam entgegengetreten werden könnte, ist von der Behörde eine - den Umständen nach - angemessene Frist zu gewähren (vgl. das Erkenntnis vom 3. März 1959, Zl. 1971/58, VwSlg. 4896/A). Daß die der Beschwerdeführerin - auch unter Berücksichtigung der Fristverlängerung bis 9. November 1989 - eingeräumte Frist von insgesamt etwa 3 Wochen "ausreichend" zu einer entsprechenden Stellungnahme gewesen wäre, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift behauptet, kann schon im Hinblick auf den Umfang der zu beurteilenden Sachfragen nicht gesagt werden. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten "gegebenen Termine" (15. November) können dabei nicht zu einer Verkürzung der Parteienrechte führen.

2.4. Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin in der Verfolgung ihrer Rechte und der Verwaltungsgerichtshof in der Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes behindert wurden, weshalb der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden mußte. Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigte sich damit.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1989/206.

Schlagworte

Gutachten ParteiengehörParteiengehör Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100250.X00

Im RIS seit

26.11.1990

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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