Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems vom 15. Mai 1990, Zl. MD-M-2/90, betreffend Devolutionsantrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Krems an der Donau hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivbehandlung am Allgemeinen öffentlichen Krankenhaus der Stadt Krems in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Krems.
Am 30. Mai 1974 suchte der Beschwerdeführer um Zuerkennung einer Personalzulage beim Magistrat der Stadt Krems - Magistratsdirektion an. Mit Schreiben vom 17. Juni 1975 suchte er neuerlich um eine Erledigung dieses Antrages an.
Der Magistrat der Stadt Krems beantwortete das Ansuchen des Beschwerdeführers mit folgender Erledigung vom 8. August 1975:
"Ihrem Ansuchen vom 17. Juni 1975 um Zuerkennung der Personalzulage kann vom Rechtsträger des A.ö.Krankenhauses Krems nicht stattgegeben werden.
Eine Anfrage an vergleichbare Anstalten ergab, daß auch dort der Abteilungsvorstand für Anästhesie keine Personalzulage erhält."
Mit Eingabe vom 20. Februar 1990 wandte sich der Beschwerdeführer an den Gemeinderat der Stadt Krems mit dem Antrag, sein Ansuchen vom 30. Mai 1974 und 17. Juni 1975 einer bescheidmäßigen Erledigung zuzuführen. Da die Behörde erster Instanz seine Anträge nicht bescheidmäßig erledigt habe - das Schreiben vom 8. August 1975 sei nicht als Bescheid zu werten - habe die Behörde ihre Verpflichtung zur Entscheidung gemäß § 73 AVG 1950 verletzt, sodaß die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen sei.
Daraufhin teilte der Magistratsdirektor der Stadt Krems mit Schreiben vom 3. April 1990 dem Beschwerdeführer mit, der Bürgermeister der Stadt Krems als Vorsitzender des Gemeinderates habe den Devolutionsantrag dem Magistratsdirektor zur Bearbeitung zwecks Vorlage an das nach den Bestimmungen des Kremser Stadtrechtes zuständige Kollegialorgan - nämlich den Stadtsenat - zwecks Entscheidung zugeteilt, wobei auf § 38 Abs. 3 Z. 7 des Kremser Stadtrechtes hingewiesen wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 zurück. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, die beiden Anträge des Beschwerdeführers vom 30. Mai 1974 und 17. Juni 1975 seien einer bescheidmäßigen Erledigung durch die zuständige Behörde zugeführt worden. Der Magistrat der Stadt Krems habe mit schriftlicher Erledigung vom 8. August 1975 dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß seinem Ansuchen vom 17. Juni 1975 um Zuerkennung einer Personalzulage vom Rechtsträger des A.ö.Krankenhauses Kremser nicht stattgegeben werden könne. Diesem Schriftstück, das ordnungsgemäß "für den Bürgermeister" mit Unterschrift unterfertigt worden sei und auch die Behörde bezeichne, von der die Erledigung ausgegangen sei, enthalte den Ausspruch, daß über das Parteibegehren des Beschwerdeführers um Zuerkennung einer Personalzulage mit rechtsfeststellender Wirkung in einer der Rechtskraft fähigen Weise negativ abgesprochen worden sei, zumal sowohl das Fehlen der Begründung sowie der Rechtsmittelbelehrung für den Bescheidcharakter unwesentlich sei. Für die rechtliche Qualifikation einer Erledigung als Bescheid komme es nicht auf die äußere Form, in der die Erledigung ergehe, sondern ausschließlich auf den Inhalt der Erledigung an, nämlich darauf, ob aus der Erledigung der behördliche Wille, einen rechtsgestaltenden oder rechtsbegründenden individuellen Verwaltungsakt zu setzen, hervorgehe und dieser Verwaltungsakt den Gegenstand eines Bescheides bilden könne.
Mit der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde hat unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 38 Abs. 3 Z. 7 des Kremser Stadtrechtes 1977 (LGBl. 128/77) gehören in den Wirkungskreis des Stadtsenates die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Magistrates im eigenen Wirkungsbereich und die Ausübung der in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse.
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung geht, wenn der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer seinen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 zwar nicht bei der nach der Kremser Stadtverfassung 1977 zuständigen Oberbehörde eingebracht, doch hat die angerufene Behörde (Gemeinderat der Stadt Krems) den Antrag gemäß § 6 AVG 1950 an die zuständige Behörde zur Erledigung weitergeleitet. Dadurch wurde die belangte Behörde allerdings nicht zur meritorischen Erledigung des Devolutionsantrages zuständig, weil gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 ein solcher Antrag UNMITTELBAR bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde einzubringen ist (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1968, Slg. N.F. Nr. 7392/A, vom 16. September 1981, Zl. 81/09/0093 u.a.). Die belangte Behörde wäre daher zur Zurückweisung des Devolutionsantrages mangels Zuständigkeit berechtigt gewesen, doch hat sie diesen Zurückweisungsgrund nicht aufgegriffen. Die Zurückweisung wegen bescheidmäßiger Erledigung des Antrages durch die Behörde erster Instanz, wie sie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt hat, erweist sich hingegen - wie noch auszuführen sein wird - als rechtswidrig. Da durch diese Rechtswidrigkeit der Bescheidbegründung der Beschwerdeführer in seinen Rechten beschwert wird - ihm wäre damit bei künftiger Einbringung eines Devolutionsantrags unmittelbar bei der belangten Behörde eine Sachentscheidung verwehrt -, ist die vorliegende Beschwerde zulässig.
Für die Entscheidung im Beschwerdefall ist maßgebend, ob der Erledigung der belangten Behörde vom 8. August 1975 Bescheidcharakter zukommt oder nicht.
Der mit "Inhalt und Form der Bescheide" überschriebene § 58 AVG 1950, der (mit den im § 10 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes-DVG genannten, im Beschwerdefall aber nicht vorliegenden Abweichungen) gemäß § 1 DVG u.a. auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu den Gemeinden anzuwenden ist, lautet:
"(1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.
(3) Im übrigen gelten auch für die Bescheide die Vorschriften des § 18 Abs. 4."
Nach ständiger, auf den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, Slg. N.F. Nr. 9458/A, gestützter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung zwar unerheblich, doch kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben; bloße Schlüsse aus der Erledigung in Verbindung mit den Verwaltungsakten und den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen reichen nicht aus, um einer Erledigung den Charakter eines Bescheides zu geben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl., können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG 1950, gewertet werden.
Entsprechend dieser Rechtslage ist die dem Beschwerdeführer zugestellte Erledigung des Magistrates der Stadt Krems vom 8. August 1975 nicht als Bescheid anzusehen. Dies schon deshalb, weil die Erledigung keinen eindeutig als Spruch erkennbaren behördlichen Akt enthält. Wie sich aus der Formulierung, dem Ansuchen des Beschwerdeführers um Zuerkennung der Personalzulage könne "vom Rechtsträger des A.ö.Krankenhauses Krems" nicht stattgegeben werden, ergibt, handelt es sich nämlich nicht eindeutig um einen Abspruch der Behörde selbst, sondern kann diese Aussage auch als bloße Mitteilung verstanden werden. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat (vgl. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1982, Zl. 81/12/0176). An eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, muß nämlich hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab angelegt werden, wie der Verwaltungsgerichtshof seit dem zitierten Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977 in ständiger Rechtsprechung erkennt.
Da die belangte Behörde die mangelnde Bescheidqualität der Erledigung der Behörde erster Instanz vom 8. August 1975 nicht erkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Einhaltung der FormvorschriftenBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete DienstrechtBesondere Rechtsgebiete DienstrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990120197.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017