TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/26 88/15/0030

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Veröffentlicht am 26.11.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
BAO §284 Abs1;
BAO §288 Abs1 litd;
UStG 1972 §3 Abs9;
UStG 1972 §4 Abs1;
UStG 1972 §4 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Besprechung in:ÖStZB 1991, 394; AnwBl 1991/3, S 181-182;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Schubert, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. September 1987, Zl. B 128-3/87, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1979 bis 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen Automatenverleih. Dem Ergebnis einer die Jahre 1979 bis 1982 betreffenden abgabenbehördlichen Prüfung zufolge erzielte der Beschwerdeführer in dem Prüfungszeitraum Einnahmen aus dem Betrieb verschiedener, in dem von ihm betriebenen Espresso und in Gaststätten aufgestellter Spielautomaten, wie Casino Royal, Ambassador und Admiral. Der Prüfer stellte hiezu unter anderem fest, daß in den Konsumationsgeräten Zählwerke für die getätigten Spiele entweder nicht vorhanden oder ausgebaut worden waren. Der Prüfer vertrat im Hinblick auf branchenüblich gutgebrachte Freispiele die Ansicht, es seien die Erlöse im Schätzungsweg unter Berücksichtigung eines Vervielfachers für 1979 von 1,6, für 1980 von 1,8 und für die Folgejahre von 2,2 der Umsatzbesteuerung zu Grunde zu legen gewesen.

Das Finanzamt nahm hierauf die den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1979 und 1980 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und setzte die Abgaben, der Ansicht des Betriebsprüfers folgend, neu fest. Des weiteren setzte das Finanzamt im Wege der Erstveranlagung die Umsatzsteuer für die Jahre 1981 bis 1983 fest.

Mit den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen machte der Beschwerdeführer ausschließlich geltend, bei Ermittlung des Gesamtbetrages der aus dem Betrieb der Geldspielautomaten herrührenden Entgelte dürften weder die Freispiele noch die sogenannten "Gamble"-Vorgänge berücksichtigt werden. Er verwies hiebei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem zweiten Abgabenänderungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 645/1977, und führte im wesentlichen aus, daß durch § 4 Abs. 5 UStG 1972 die Rechtslage nicht eine solche Änderung erfahren habe, die den vom Verwaltungsgerichtshof seit dem genannten zweiten Abgabenänderungsgesetz 1977 in seiner Rechtsprechung eingenommenen geänderten Rechtsstandpunkt bei der Berücksichtigung von Freispielen und "Gamble"-Vorgängen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer rechtfertigen würde. Im übrigen stünde diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einem offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes zu § 4 Abs. 2 des Glücksspielgesetzes. Danach könne die Betätigung eines Münzautomaten nur einen einzigen Vertrag begründen, bei dem das Entgelt in der Höhe des Wertes der eingeworfenen Münze als Spieleinsatz anzusehen sei, wenn eine Rückerstattung auch nur eines Teiles des geleisteten Geldeinwurfes durch den Automaten nicht erfolgen könne. Dieser Sachverhalt liege auch bei den Spielautomaten des Beschwerdeführers vor. Nach dem rechtlichen und wirtschaftlichen Inhalt des Spielabschlusses dauere ein Spiel so lange, bis der Spieler entweder das eingeworfene Geld verspielt habe oder bis er sich entschließe, sein Auszahlungsguthaben (Gewinn) in Form von Konsumation zu beanspruchen und damit das Spiel zu beenden. So gesehen, könne ein Spiel in einer kleineren oder größeren Zahl von Spielabläufen (Betätigungen des Spielapparates) bestehen, die als ein Umsatz zu besteuern seien.

Nachdem das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung die Berufung, die Jahre 1979 bis 1982 betreffend, als unbegründet abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. In diesem Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer in Frage, daß der "Gamble"-Vorgang die Gewinnchance erhöhe, wie in der Berufungsvorentscheidung begründet worden war.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Sie führte in der Begründung des Bescheides aus, daß sich der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen mit den strittigen Problemen auseinandergesetzt habe. Da die Berufungsausführungen keine Gründe für eine anders geartete Beurteilung erkennen ließen, werde, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die ausführliche Begründung der Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 3. November 1986, Zlen. 85/15/0270, 84/15/0122, 85/15/0221, 85/15/0346, 85/15/0261, und vom 1. Dezember 1986, Zlen. 85/15/0156 und 85/15/0271, hingewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde gegen den Berufungsbescheid mit Beschluß vom 27. November 1987 (B 1186/87-3) ab und trat sie über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß vom 11. Februar 1988 (B 1186/87-5) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In dem die Ergänzung der Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG beinhaltenden Schriftsatz wird vom Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf richtige Errechnung der Umsatzsteuer, vorweg der Frage, ob nicht Liebhaberei vorliegt und verneinendenfalls zur Höhe auf ein ordnungsgemäßes Berufungsverfahren, insbesondere auf eine ordnungsgemäß begründete Berufungsentscheidung, vor allem was die von mir relevierte Umsatzsteuerfreiheit des sogenannten Freispieles anlangt, gegebenenfalls auf Anwendung des richtigen Vervielfachers, weiters im Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung im Abgabenverfahren", verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich wie bereits im Verwaltungsverfahren gegen die Einbeziehung der sogenannten "Freispiele" und "Gamble"-Vorgänge in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Der Beschwerdeführer stützt sich hiebei auf seine Ausführungen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und macht diese "als einfachgesetzliche Argumente" geltend. Unter Hinweis darauf, daß ihm "die jüngste Höchstgerichtsjudikatur durchaus bekannt" sei, führt der Beschwerdeführer aus, er habe neue Gesichtspunkte vorgebracht und ersuche deshalb den Gerichtshof um Überprüfung seiner Argumente, insbesondere auch in der Richtung, ob sich der Gerichtshof nicht veranlaßt sehe, wegen verfassungsrechtlicher Bedenken an den Verfassungsgerichtshof antragstellend im Sinne des Art. 140 B-VG heranzutreten.

Wie der Beschwerdeführer bereits in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde ausgeführt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. November 1986, Zl. 85/15/0270, Slg. Nr. 6166/F, und in der Folge noch in einer Reihe von Erkenntnissen (siehe die Erkenntnisse vom 3. November 1986, Zlen. 84/15/0122, 85/15/0121 und 85/15/0346, und vom 1. Dezember 1986, Zlen. 85/15/0156 und 85/15/0271), zur Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung von Einspielergebnissen aus Spielautomaten ausgehend von dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1980, Zl. 2080/79, Slg. Nr. 5465/F, unter Einbeziehung der zum Teil in der Literatur an diesem Erkenntnis geübten Kritik im wesentlichen ausgesprochen, daß der geldwerte, auch in anderer Weise (zur Konsumation) verwendbare Gewinnanspruch des Spielers Entgelt für den neuerlichen Spielabschluß (Umsatz) des Spielers ist.

An diesem Grundsatz hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seiner folgenden Rechtsprechung festgehalten (siehe unter anderem die Erkenntnisse vom 18. November 1987, Zl. 86/13/0204, vom 11. Jänner 1988, Zl. 87/15/0102, vom 17. Februar 1988, Zl. 87/13/0029, vom 21. September 1988, Zl. 87/13/0218, vom 14. Juni 1989, Zl. 85/13/0061, vom 10. Juli 1989, Zl. 88/15/0021, und das zuletzt ergangene Erkenntnis vom 11. September 1989, Zl. 88/15/0165). In einigen dieser Erkenntnisse hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit von den jeweiligen Parteien vorgebrachten neuen Argumenten, die sich weitgehend mit weiterer in der Literatur geübter Kritik an dieser Rechtsprechung deckten, auseinandergesetzt (vgl. insbesondere die Erkenntnisse vom 11. Jänner 1988, Zl. 87/15/0102, und vom 11. September 1989, Zl. 88/15/0165).

Der Verwaltungsgerichtshof findet mangels wesentlicher neuer Argumente in der vorliegenden Beschwerde keinen Anlaß, von seiner vorstehend angeführten Rechtsauffassung abzugehen. Auch der Hinweis der Beschwerde vor allem auf Heidinger, "Verwaltungsgerichtshof: Vervielfacher für Freispiele bleibt", SWK 1987, A II, S. 3 f, und "Vereinfachungsvorschläge zu USt", FinJourn 1988, S. 46 f, Lechner, "Nochmals zur Umsatzsteuer für Glückspielautomaten", WBl. 1987, S. 59 f, und auf Beiser, Das "Freispiel-Erkenntnis des VwGH - Die Qual der Wahl", ÖStZ 1988, S. 75 f, vermag den Verwaltungsgerichtshof nicht zur Aufgabe seines Rechtsstandpunktes zu bewegen, weil die zitierten Belegstellen im wesentlichen lediglich eine Wiederholung der bereits in früherer Literatur geübten Kritik an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Auslegung des § 4 Abs. 5 UStG 1972 in der nunmehr geltenden und auch für die vorliegenden Jahre maßgebenden Fassung darstellen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird der Beschwerdeführer mit seinen diesbezüglichen Beschwerdeausführungen auf die Entscheidungsgründe der zuletzt angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Auf die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nochmals vorgetragenen verfassungsrechtlichen Argumente im Zusammenhang mit der unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Behandlung von Spielbanken und Privaten und der Möglichkeit, daß (im Hinblick auf die im vorliegenden Fall noch nicht anzuwendende Neufassung des § 2 Abs. 5 UStG 1972) die Beibehaltung der Umsatzsteuerpflicht für die Freispiele dazu führen könnte, daß Liebhaberei vorliege, was zum Wegfall der Umsatzsteuerpflicht führe, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Ablehnungsbeschluß unter Hinweis auf seine Judikatur geantwortet. Da die Beschwerdeausführungen bei dem dafür zuständigen Verfassungsgerichtshof offensichtlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken ausgelöst haben, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, seinerseits beim Verfassungsgerichtshof einen Prüfungsantrag im vom Beschwerdeführer gewünschten Sinn zu stellen.

Im übrigen ist auch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage der Einbeziehung von sogenannten "Gamble-Zuschlägen" in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage wiederholt Gegenstand der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat u.a. in den bereits von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen vom 3. November 1986, Zl. 85/15/0221, und vom 1. Dezember 1986, Zl. 85/15/0156, sowie in dem weiteren Erkenntnis vom 11. Jänner 1988, Zl. 87/15/0102, ausgesprochen, daß die Einbeziehung von sogenannten "Gamble-Zuschlägen" in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage bei Spielautomaten, die so eingerichtet sind, daß die Spieler einen Spielgewinn entweder zur Konsumation oder zum Weiterspielen verwenden können, zulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die von der Beschwerde angeführten Argumente nicht veranlaßt, von dieser Rechtsansicht abzugehen.

Auch die Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Unter diesem Gesichtspunkt macht der Beschwerdeführer zunächst als Begründungsmangel geltend, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nur mit sechs Zeilen begründet habe. Wenngleich die Begründung des angefochtenen Bescheides tatsächlich kurz ist, so kann der Verwaltungsgerichtshof in diesem Fall nicht finden, daß eine mangelhafte Begründung vorliegt. Der Beschwerdeführer übersieht in diesem Zusammenhang, daß die belangte Behörde nur über eine einzige Rechtsfrage bei Vorliegen eines unbestritten feststehenden Sachverhaltes zu entscheiden hatte. Da zu der von der belangten Behörde zu entscheidenden Rechtsfrage (Einbeziehung der sogenannten "Freispiele" und "Gamble-Vorgänge" in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer) eine reichhaltige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, kann es nicht als unzureichende Begründung angesehen werden, wenn sich die belangte Behörde bei Begründung ihres Bescheides mit der Zitierung jener Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes begnügt hat, die ihrer Meinung nach die von ihr vertretene Rechtsansicht wiedergeben.

Als weiterer wesentlicher Verfahrensmangel wird vom Beschwerdeführer die Abstandnahme der belangten Behörde von einer vom Beschwerdeführer rechtzeitig beantragten mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Dem Beschwerdeführer ist zwar darin beizupflichten, daß im vorliegenden Fall die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 284 Abs. 1 BAO darstellt, doch kann das Vorliegen eines Verfahrensmangels nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn es sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel handelt. Im Beschwerdefall ist der vorliegende Verfahrensmangel schon deshalb nicht wesentlich, weil - wie bereits ausgeführt worden ist - die belangte Behörde selbst dann nicht zu einem anderen Bescheid kommen hätte können, wenn der Beschwerdeführer das gesamte Beschwerdevorbringen bereits in der Berufungsverhandlung darlegen hätte können.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuzweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung Begründungsmangel"zu einem anderen Bescheid"Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988150030.X00

Im RIS seit

26.11.1990

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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