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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1973 §189 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. Februar 1990, Zl. 04-25 Pu 3-1989/4, betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 2. Februar 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe bis 9. November 1988 in den an den nachgenannten Standorten aufgestellten Hütten durch die Erzeugung, den Verkauf und die Verabreichung von Pizze sowie durch den Ausschank alkoholischer und "antialkoholischer" Getränke
1) seit 22. Jänner 1988 am Standort Graz, A-Straße 2, 2) seit 22. Jänner 1988 am Standort Graz, B-Straße 119, 3) seit 15. August 1988 am Standort Graz, C-Straße 56, und 4) seit 1. August 1988 am Standort Graz, X, a) das Gastgewerbe ausgeübt und b) er sei überdies nicht im Besitz von rechtskräftigen Genehmigungen für diese Betriebsanlagen an den oben bezeichneten Standorten, die auf Grund ihrer Betriebsweisen (Erzeugung und Verabreichung von Pizze) sowie durch Zu- und Abfahrt von Kunden geeignet seien, die Nachbarn zu beeinträchtigen. Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: zu 1a, 2a, 3a und 4a § 5 Z. 2 in Verbindung mit § 189 Abs. 1 Z. 2 und 3 und § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973; zu 1b, 2b, 3b und 4b § 74 Abs. 2 Z. 2 und § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973. Gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1973 wurde über den Beschwerdeführer zu a) eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 28 Tage) und zu b) ebenfalls eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 28 Tage) verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. Februar 1990 wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängte Strafe gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 zu Punkt 1a bis 4a mit S 15.000,-- und zu Punkt 1b bis 4b mit S 15.000,-- (je acht Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bemessen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Anzeige der Handelskammer Steiermark vom 18. Juli 1988 sei zu entnehmen, daß es sich bei den aufgestellten "Pizzastandln" um Holzhütten handle, in welchen fertig zubereitete Pizze sowie Flaschenbier und Stifterl Wein angeboten und verkauft würden. Der überwiegende und wesentliche Bestandteil der Pizze sei der Teig, der nach Kundenwunsch mit verschiedenen Wurstsorten, Gemüse und Käse belegt werde. Es könne daher eine Pizza nicht mehr unter die im § 190 Z. 4 GewO 1973 angeführten Begriffe subsumiert werden. Was den Alkoholausschank anlange, sei bereits das Bereithalten von Weingläsern und der Verkauf der Stifterl Wein als eine Vorkehrung bzw. Tätigkeit anzusehen, die das Ziel habe, daß der Wein an Ort und Stelle genossen werde, weil ansonsten die Bereitstellung der Gläser nicht notwendig wäre. Die Betriebsanlagengenehmigungspflicht sei schon deshalb gegeben, weil alle Pizzastände aus Holz konstruiert und daher geeignet seien, im Hinblick auf die Verwendung der Pizzaöfen die Gesundheit der Arbeitnehmer bzw. der Kunden im Brandfall zu gefährden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde vertrete die Ansicht, daß die Verabreichung von Pizzastücken in einem sogenannten "Pizzastadl", wie ihn der Beschwerdeführer betreibe, der Konzessions- und Betriebsanlagengenehmigungspflicht unterliege. Dies werde damit begründet, daß Pizzastücke, deren Hauptbestandteil Teig sei, nicht unter den § 190 Z. 4 GewO 1973 - unter diesem Titel habe der Beschwerdeführer das freie Gewerbe angemeldet - subsumiert werden könnten und überdies der Verkauf in den gegenständlichen Standln nicht als "auf die Straße" betrachtet werden könne. Auf Grund der Holzkonstruktion sei auch das Erfordernis einer Betriebsanlagengenehmigung offensichtlich. Der Beschwerdeführer sei durch diese unrichtige Rechtsauslgung in seinen Rechten verletzt. Betrachte man den Inhalt des § 190 Z. 4 GewO 1973 bzw. die darin demonstrativ angeführten Aufzählungen vom Sinngehalt dieser Bestimmung, so ergebe sich weder vom juristischen noch vom gastronomischen Standpunkt her ein Anlaß, sofort einen gravierenden Unterschied dahingehend zu bemerken, weshalb Pizzastücke nicht in dieser Aufzählung enthalten sein sollten. Wenn darauf verwiesen werde, daß der Hauptbestandteil eines solchen Pizzastückes Teig sei, so sei daraus nicht ersichtlich, weshalb dieser vorgefertigte Teig konzessionspflichtig sein sollte, während verderbliche Waren, wie Wurstsalate, Mayonnaisen oder Fisch einer Konzessionspflicht nicht unterliegen sollten. Auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides werde der angebliche Unterschied in keiner Weise ausgeführt. Auch der Begriff "auf der Straße" werde vom Beschwerdeführer erfüllt, da die Verkaufsstelle aus einem aus Holz gefertigten Standl bestehe, bei welchem lediglich vor der Ausreichlücke ein Windfang vorgebaut sei. Sitzgelegenheiten würden nicht angeboten werden. Bei ordnungsgemäßen Erhebungen hätte die Behörde auch feststellen müssen, daß Wein in der Realität nicht verkauft werde. Was nun die Betriebsanlagengenehmigungspflicht anlange, so könne die Bestimmung, daß bereits dann, wenn eine Anlage bloß geeignet sei, nachteilige Einwirkungen zu verursachen, eine Genehmigungspflicht bestehe, nicht derart extensiv ausgelegt werden, daß praktisch jede Handlung, jede Tätigkeit und jedes Bauwerk automatisch einer derartigen Betriebsanlagengenehmigungspflicht unterliege. Dies würde dahin führen, daß praktisch jede Handlungsweise, sei sie auch noch so harmlos, behördlich genehmigungspflichtig wäre; dies würde den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht mehr entsprechen. Wenn im angefochtenen Bescheid darauf verwiesen werde, daß eine solche Auslegung dem Schutz der Arbeitnehmer und Kunden diene, so müsse dem entgegengehalten werden, daß keinerlei Geräte oder sonstige Gefährdungsmöglichkeiten vorhanden seien, das Standl selbst bereits der Überprüfung der Baubehörde obliege und, angesichts des Fehlens jeglicher Gefährdungsmomente, eine Überprüfung durch die Behörde durch andere Rechtsvorschriften ausreichend gewährleistet sei.
Gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- (Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, in Verbindung mit § 1 Abs. 2 VStG 1950) zu ahnden ist, (Z. 2) wer ein konzessioniertes Gewerbe (§ 5 Z. 2) ohne die erforderliche Konzession ausübt, und (Z. 3) wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. (Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988) das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, 2. die Nachbarn durch Gruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. ....
Bei Beurteilung der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage kommt es nicht darauf an, ob von der in Rede stehenden Betriebsanlage tatsächlich die im Gesetz näher bezeichneten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Einwirkungen ausgehen. Die Genehmigungspflicht ist vielmehr schon bei der bloßen Möglichkeit derartiger Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Einwirkungen gegeben, also immer dann, wenn diese Umstände nicht auszuschließen sind (siehe unter anderem das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0226). Der Beschwerdeführer ist mit seinem Vorbringen zur Frage der Genehmigungspflicht der Betriebsanlage auf die Bestimmung des § 74 Abs. 2 GewO 1973 zu verweisen. Das Beschwerdevorbringen zur Frage der rechtlichen Bedeutung dieser Bestimmung weicht vom dargestellten normativen Gehalt ab und ist insofern nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Gemäß § 189 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 unterliegen die Verabreichung von Speisen jeder Art und der Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen der Konzessionspflicht.
Gemäß § 190 Z. 4 GewO 1973 (Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988) unterliegen der Konzessionspflicht nicht die Verabreichung von Fleisch, Fleischwaren, Fisch, Geflügel, Pommes frites, belegten Brötchen, Brotaufstrich, Fleisch- und Wurstsalaten, Fleisch- und Wurstmayonnaisen und üblichen kalten Beigaben, wie Essiggemüse, Mayonnaise, Senf, Kren, Brot und Gebäck, sowie von vorverpackt angerichtetem Speiseeis auf der Straße oder bei Veranstaltungen im Freien, wenn vom Gewerbetreibenden keine Tische oder Sitzgelegenheiten bereitgehalten werden, und der Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen in diesem Umfang.
In der Rechtsansicht der belangten Behörde, Pizze, also warme Speisen, könnten nicht unter den Begriff einer der im § 190 Z. 4, erster Halbsatz, GewO 1973 namentlich genannten Speisen subsumiert werden, ist keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. In der detaillierten Anführung von Speisen in dieser Gesetzesstelle handelt es sich - mit Ausnahme der beispielsweise aufgezählten "üblichen kalten Beigaben" - um eine taxative Aufzählung, welche einer erweiternden Auslegung, wie sie der Beschwerdeführer anstrebt, nicht zugänglich ist.
Der Beschwerde ist jedoch aus folgenden Gründen Erfolg beschieden:
Gemäß § 44a lit. a VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört es zu den Grundsätzen jedes Strafverfahrens, daß die zur Last gelegte Tat so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist und daß die Möglichkeit ausgeschlossen wird, er könnte etwa wegen derselben Handlung noch einmal zur Verantwortung gezogen werden. Diesem Konkretisierungsgebot wird in Ansehung des Vorwurfes des Betreibens eines "Gastgewerbes" im Regelfall jedenfalls durch einen Hinweis auf die Betriebsart Rechnung getragen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 1984, Zl. 84/04/0033). Der angefochtene Bescheid läßt in Verbindung mit den Punkten 1a, 2a, 3a und 4a des erstbehördlichen Straferkenntnisses nicht erkennen, wodurch der Tatbestand der unbefugten Ausübung des konzessionierten Gastgewerbes verwirklicht wurde. Die belangte Behörde unterließ es, die von ihr als der Konzessionspflicht unterliegend angesehene Tätigkeit im Spruch zumindest durch einen Hinweis auf die Betriebsart zu beschreiben. Darüber hinaus gehen die angeführten Punkte des Schuldspruches in Ansehung der Ausübung des Gastgewerbes über den Konzessionsvorbehalt des § 189 Abs. 1 GewO 1973 hinaus, nach dessen im gegebenen Zusammenhang in Betracht kommenden Z. 2 die Verabreichung von Speisen jeder Art und der Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen der Konzessionspflicht unterliegen, dem Beschwerdeführer jedoch auch die Erzeugung von Pizze angelastet wurde. Schließlich fehlt auch der für die Erfüllung des Tatbildes einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 erforderliche Vorwurf, nicht im Besitz der erforderlichen Konzession gewesen zu sein.
In Ansehung der Punkte 1b, 2b, 3b und 4b des erstbehördlichen Straferkenntnisses, die im Umfang des Schuldspruches (insbesondere Spruchteil nach § 44a lit. a VStG 1950) von der belangten Behörde im Verwaltungsrechtszug übernommen wurden, besteht ein Widerspruch zwischen dem Spruch des angefochtenen Bescheides und der Begründung. Während nämlich der Spruch zunächst ohne Anführung, wer gefährdet oder belästigt würde, lediglich auf die "Betriebsweise (Erzeugung und Verabreichung von Pizze)" und sodann auf die Zu- und Abfahrt von Kunden hinweist und schließlich die Eignung anführt, "die Nachbarn zu beeinträchtigen", stützt sich die Begründung des angefochtenen Bescheides namentlich nur darauf, daß die aus Holz konstruierten Pizzastände geeignet seien, im Hinblick auf die Verwendung der Pizzaöfen die Gesundheit der Arbeitnehmer bzw. der Kunden im Brandfall zu gefährden.
Im übrigen liegt eine Rechtswidrigkeit im Sinne des § 44a lit. c VStG 1950 vor, weil für die unter den Punkten 1a, 2a, 3a und 4a und ferner für die unter den Punkten 1b, 2b, 3b und 4b angelasteten Verstöße jeweils nur eine einzige Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, obgleich der Schuldspruch je vier Verwaltungsübertretungen umfaßt. Dadurch ist nicht erkennbar, wie hoch das Ausmaß der Strafe für jede einzelne der vier zusammengefaßten Übertretungen ist, sodaß eine nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung, ob die belangte Behörde von dem ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessen hinsichtlich jeder einzelnen Übertretung im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht habe, nicht möglich ist (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1986, Zl. 86/18/0176).
Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid aus den dargelegten Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Höhe des für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrages und den unter dem Titel "Barauslagen" geltend gemachten Betrag (siehe hiezu den Tatbestand "Barauslagen" in § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG).
Schlagworte
Ermessen Vorstellungsbehörde (B-VG Art119a Abs5) Geldstrafe und Arreststrafe Strafnorm Mängel im SpruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990040066.X00Im RIS seit
27.11.1990