TE Vwgh Beschluss 1990/11/27 90/04/0032

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Veröffentlicht am 27.11.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, in der Beschwerdesache des N gegen die Erledigung der Meisterprüfungsstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol vom 21. Dezember 1989, betreffend Akteneinsicht, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Erledigung der Meisterprüfungsstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol vom 27. November 1989 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß er die Meisterprüfung im Gewerbe "Friseure und Perückenmacher" nicht bestanden habe. Die Prüfungskommission habe jedoch gemäß § 350 Abs. 7 GewO 1973 beschlossen, daß der Beschwerdeführer im Falle der Wiederholungsprüfung nur den Gegenstand "Kundenbedienung" nochmals abzulegen habe und die Wiederholungsprüfung frühestens binnen sechs Monaten zulässig sei.

Im Schriftsatz vom 7. Dezember 1989 brachte der Beschwerdeführer vor, sein Rechtsvertreter habe in den gegenständlichen Akt Akteneinsicht nehmen wollen. Es sei die Vorlage der Bewertungsbögen begehrt worden, aus welchen ersichtlich sei, daß der Notendurchschnitt betreffend die "Kundenbedienung" 3,5 betrage. Die Vorlage und Einsicht in diese Bewertungsbögen sei ausdrücklich verweigert worden. Es werde somit formell auf schriftlichem Weg nochmals die Gewährung der Akteneinsicht in die Bewertungsbögen, betreffend alle drei Prüfungen, begehrt und für den Fall der Verweigerung dieser Akteneinsicht die bescheidmäßige Erledigung beantragt.

Die Meisterprüfungsstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol richtete an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Datum 21. Dezember 1989 eine Erledigung folgenden Inhaltes:

"Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht

Die Meisterprüfungsstelle der Tiroler Handelskammer bezieht sich auf Ihr Ersuchen vom 7.12.1989 um Akteneinsicht in den Meisterprüfungsakt Friseur, N, vor allem das Begehren auf Vorlage der Bewertungsbögen, aus welchen ersichtlich sein sollte, daß der Notendurchschnitt im Gegenstand Kundenbedienung bei 3,5 läge.

Dazu sei klar festgestellt, daß Dr. A in den gesamten vorliegenden Prüfungsakt Einsicht nehmen konnte, obwohl § 17 AVG nicht anwendbar ist und sohin ein Anspruch auf Akteneinsicht gar nicht besteht. Es handelt sich hier nämlich nicht um einen Akt im Sinne des AVG, sondern um Aufzeichnungen für den internen Gebrauch. Sicher gibt es - wie Sie anführen - im Gegenstand Kundenbedienung persönliche Aufzeichnungen der Prüfungskommissäre. Diese sind aber überhaupt nicht Bestandteil des 'Prüfungsaktes'.

Da sich die Bewertung der bei der Prüfung erbrachten Leistung als ein Gutachten der Prüfungskommission und nicht als Erlassung eines Bescheides darstellt, besteht kein Recht auf Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Beschluß der Prüfungskommission.

Dadurch ist auch kein Anspruch auf eine bescheidmäßige Ausfertigung gegeben.

Mit freundlichen Grüßen

KAMMER DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT FÜR TIROL

Der Leiter der Prüfungsstelle:"

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden behauptet wird. Nach Art. 131 Abs. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof sind daher das Vorhandensein eines letztinstanzlichen Bescheides einer Verwaltungsbehörde und die Behauptung des Beschwerdeführers, durch diesen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1949, Slg. N. F. Nr. 808/A).

Schon auf dem Boden jenes Bescheidbegriffes, der zur Umschreibung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes unmittelbar in der Bundesverfassung vorgesehen ist, ergeben sich als für den Bescheid wesentliche Voraussetzungen jedenfalls die Bezeichnung der Behörde, der der Bescheid zuzurechnen ist, und der hoheitsrechtliche, rechtsverbindliche (normative) Inhalt (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. N. F. Nr. 9458/A).

Einen derartigen normativen Inhalt vermag der Verwaltungsgerichtshof aus der Formulierung der Erledigung der belangten Behörde vom 21. Dezember 1989 nicht abzuleiten. Erschöpft sich diese Erledigung doch - von der Schilderung des Sachverhaltes abgesehen - in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der belangten Behörde. Hinzu kommt, daß gerade mit der Formulierung des letzten Satzes ("dadurch ist auch kein Anspruch auf eine bescheidmäßige Ausfertigung gegeben") die Behörde zum Ausdruck brachte, daß eben keine bescheidmäßige Erledigung zu treffen sei.

Aber selbst dann, wenn die angefochtene Erledigung als Bescheid gewertet werden könnte, erwiese sich die vorliegende Beschwerde aus einem weiteren Grund als unzulässig.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann Beschwerde gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde erst "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" erhoben werden. Dieses Erfordernis hat zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges im Einzelfall in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde niederer Instanz, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1958, Slg. N. F. Nr. 4788/A).

Aus diesen Erwägungen folgt, daß sich die Beschwerde als unzulässig erweist und gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen war.

Schlagworte

Einhaltung der FormvorschriftenOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinRechtswidrigkeit von BescheidenOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040032.X00

Im RIS seit

27.11.1990

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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