Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §39 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Juni 1990, Zl. VerkR-12.650/4-1990-II/Ma, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 2 KFG 1967 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich vor Antritt der Fahrt, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, nicht davon überzeugt, daß der von ihm am 9. Februar 1989 um 15.35 Uhr in Linz an einer näher bezeichneten Stelle der A7 gelenkte Kraftwagenzug, bestehend aus den Kennzeichen nach bestimmten Lkw und Anhänger, und dessen Beladung den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entspreche, weil
1. die mit 4 m festgesetzte Höchstgrenze für die größte Höhe von Fahrzeugen beim Anhänger durch die Beladung um 0,3 m überschritten worden sei,
2. das höchste zulässige Gesamtgewicht des Anhängers von 22.000 kg um 6.050 kg überschritten worden sei,
3. die größte Breite des Fahrzeuges von 2,5 m beim Anhänger durch die Beladung um 0,5 m überschritten worden sei,
4. die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte des Kraftwagens und des mit diesem gezogenen Anhängers von 38.000 kg um 6.000 kg überschritten worden sei, ohne daß hiefür eine Bewilligung des Landeshauptmannes vorgelegen wäre. Weiters habe er
5. als Lenker des vorhin genannten Kraftwagenzuges nicht dafür gesorgt, daß zum angeführten Zeitpunkt am angegebenen Ort das Kennzeichen des Anhängers vollständig sichtbar gewesen sei, weil das Kennzeichen von der Schaufel des auf dem Anhänger transportierten Baggers verdeckt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu 1. nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. b KFG 1967, zu 2. nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967, zu 3. nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967, zu 4. nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 104 Abs. 9 KFG 1967 und zu 5. nach § 102 Abs. 2 KFG 1967 begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
ZUR VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH § 102 Abs. 2 KFG 1967:
Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung geltend, daß seinen Beweisanträgen auf Vernehmung des Zeugen P. und auf Durchführung eines Ortsaugenscheines nicht entsprochen wurde.
Verfahrensmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG können nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind, wobei die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels von der Beschwerde darzutun ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 591).
Der Beschwerdeführer hatte die Vernehmung des Zeugen P. zum Beweis dafür beantragt, daß die Baggerschaufel beim Transport abmontiert und auf dem Zugfahrzeug aufgeladen war und daher das Kennzeichen nicht verdeckt haben konnte. Die belangte Behörde hat (auch) diesen Beweisantrag als entbehrlich abgelehnt, weil "der entscheidungsrelevante Sachverhalt auf Grund der vorliegenden Beweise als erwiesen angenommen wird".
Die Behörde darf einen angebotenen Beweis aber nur dann von vornherein ablehnen, wenn die angebotenen Beweismittel an sich nicht geeignet sind, über den Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 90/18/0006). Die Durchführung eines Ortsaugenscheines zur Frage der Ablesbarkeit eines Kennzeichens war im Beschwerdefall entbehrlich. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber nicht zu erkennen, warum aus der beantragten Zeugenaussage für diese Frage nichts zu gewinnen sein konnte. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid auf bereits vorliegende (gegenteilige) Beweise ist unzureichend. Sollte die belangte Behörde der Meinung sein, dem beantragten Beweis komme gegenüber den vorliegenden Beweisen ohnehin nur geringerer Beweiswert zu, wäre ihr entgegenzuhalten, daß die Wertung eines Beweises auf seine Glaubwürdigkeit hin die Aufnahme des Beweises voraussetzt (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 11. Mai 1990). Es kann aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde im Falle der beantragten Einvernahme dieses Zeugen zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre, weshalb der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Übertretung des § 102 Abs. 2 KFG gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
ZU DEN ÜBRIGEN VERWALTUNGSÜBERTRETUNGEN:
Hinsichtlich der zu 2., 3. und 4. genannten Verwaltungsübertretungen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln darzustellen. Er nennt insoferne keine Maße oder Gewichte, die durch die von ihm genannten Beweismittel hätten bewiesen werden können. Die Behauptung, durch beantragte Beweisaufnahmen wäre festzustellen gewesen, daß eine Überschreitung "der Breite und des zulässigen Gewichtes" nicht vorgelegen sei, vermag die Erstattung eines konkreten Vorbringens nicht zu ersetzen. Auch in der Berufung wurde insoweit kein konkretes Beweisthema angeboten. In seinen Stellungnahmen vom 9. August 1989 und vom 10. November 1989 hat der Beschwerdeführer eine Unrichtigkeit der in der Anzeige genannten objektiven Tatbestandselemente nur hinsichtlich der Gesamthöhe und der Verdeckung des Kennzeichens durch die Baggerschaufel geltend gemacht.
Berechtigt ist zwar die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, warum es bei der Berufungsbehörde offenkundig ist, daß die lichte Durchfahrtshöhe bei der gegenständlichen Fahrtroute in jedem Fall mehr als 4,50 m betragen soll.
Ermittlungsverfahren und konkrete Feststellungen sind nur hinsichtlich solcher Tatsachen entbehrlich, die ganz allgemein und daher auch für den zur Rechtskontrolle berufenen Verwaltungsgerichtshof offenkundig sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1980, Zlen. 3243/79, 521/80). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Auch hier ist der Beschwerdeführer aber nicht in der Lage, die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels darzutun. Er meint, durch die Aufnahme der von ihm genannten Beweise hätte sich ergeben, daß die Höhe des Fahrzeuges 4,3 m nicht erreicht habe. Ob dies der Fall war, ist unerheblich, weil gemäß § 101 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 4 Abs. 6 Z. 1 KFG die Überschreitung einer Fahrzeughöhe von vier Metern durch die Beladung unzulässig ist. Es ist ohne Bedeutung, ob diese Höhe um 30 cm oder in einem anderen Ausmaß überschritten wurde. Über die Erreichung einer Höhe von 4,3 m waren somit keine Beweise aufzunehmen. Die seiner Ansicht nach zutreffende Höhe hat der Beschwerdeführer nicht genannt. Es kann unter diesen Umständen auf sich beruhen, wie der Meldungsleger bei der Höhenmessung im einzelnen vorgegangen ist.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, er habe darauf vertrauen dürfen, daß für den Transport eine allenfalls erforderliche Ausnahmebewilligung vorhanden sei, weil das Fahrzeug von einem anderen Kraftfahrer zur Baustelle gebracht worden sei, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Dieses Vorbringen ist zur Entschuldigung des Beschwerdeführers nicht geeignet, weil er als Kraftfahrzeuglenker gemäß § 102 Abs. 1 KFG vor der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges sich selbst von der Vorschriftsmäßigkeit von Kraftfahrzeug, Anhänger und Beladung zu überzeugen hatte. Der Hinweis auf eine frühere
- möglicherweise ebenfalls vorschriftswidrige - Fahrt eines anderen Lenkers reicht auch nicht aus, um das Verschulden des Beschwerdeführers als bloß geringfügig im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG anzusehen. Schließlich ist es für den Beschwerdefall ohne Bedeutung, daß nach Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen eine Bewilligung gemäß § 101 Abs. 5, § 104 Abs. 9 KFG beantragt und erteilt worden ist.
ZUR VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH § 102 Abs. 1 IN VERBINDUNG MIT § 104 Abs. 9 KFG IM BESONDEREN:
Der Beschwerdeführer beruft sich hiezu auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1989, Zl. 88/03/0233, und vom 17. Mai 1989, Zl. 88/03/0258, wonach das Gesetz die Verpflichtung zur Einhaltung des jeweils für Kraftwagen und Anhänger festgelegten Gesamtgewichtes dem Verantwortlichen gesondert auferlegt hat und daher die Überschreitung eines gemeinsamen Gesamtgewichtes eines Kraftwagenzuges nicht pönalisiert ist (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 9. Mai 1990, Zl. 89/02/0160, und vom 29. August 1990, Zl. 89/02/0208). Er führt aus, selbst wenn von einer Überschreitung des höchsten zulässigen Gesamtgewichtes des Anhängers ausgegangen werde, sei eine Bestrafung wegen der zu
4. genannten Verwaltungsübertretung unzulässig.
Der Beschwerdeführer verkennt, daß § 101 Abs. 1 lit. a KFG und § 104 Abs. 9 erster Satz KFG verschiedene Regelungsinhalte haben. Während erstere Bestimmung unter anderem das Verbot enthält, daß die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern das höchste zulässige Gesamtgewicht nicht überschreiten darf, verbietet letztere Bestimmung das Ziehen von Anhängern, wenn die Summe der - sich aus den Zulassungsscheinen ergebenden - höchsten zulässigen Gesamtgewichte der einen Kraftwagenzug bildenden Fahrzeuge 38.000 kg überschreitet. Durch die Übertretung der beiden Bestimmungen werden daher zwei verschiedene Tatbilder verwirklicht, die einander nicht ausschließen, weil jedes für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1988, Zl. 85/18/0068).
Im Beschwerdefall war nun nicht nur der Anhänger überladen; unabhängig davon war der Kraftwagenzug aus Fahrzeugen zusammengestellt, bei denen die summierten höchsten zulässigen Gesamtgewichte laut Zulassungsscheinen 38.000 kg überschritten. Daß letzteres nicht der Fall gewesen wäre, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Die belangte Behörde ist daher nichts rechtswidrig vorgegangen, wenn sie dem Beschwerdeführer auch die in Rede stehende Verwaltungsübertretung angelastet hat.
Die vorliegende Beschwerde war somit - soweit sie nicht die Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 2 KFG betrifft - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Allgemeinfreie BeweiswürdigungBeweiswürdigung antizipative vorweggenommeneAblehnung eines BeweismittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990020139.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
03.09.2009