Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StVO 1960 §4 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Februar 1990, Zl. I/7-St-G-89182, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO für schuldig befunden und hiefür bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 6. März 1987 gegen 03.30 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws an einem näher bezeichneten Ort in Gießhübl nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem er in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, a) nicht sofort angehalten und b) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit demjenigen, in dessen Vermögen durch den Verkehrsunfall Schaden entstanden sei, nicht erfolgt sei. Er habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu a) gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO und zu b) gemäß § 4 Abs. 5 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Eingangs ist zu einem entsprechenden Hinweis in der Gegenschrift der belangten Behörde zu bemerken, daß die Bezeichnung der belangten Behörde mit "Amt der Landesregierung" durch den Beschwerdeführer keinen Zurückweisungsgrund darstellt, weil der der Beschwerde angeschlossenen Bescheidausfertigung entnommen werden konnte, daß es sich um einen Bescheid der Landesregierung handelte (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 240).
Zur Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.
Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Lenker dieser Anhaltepflicht nicht schon dadurch nach, daß er das Fahrzeug kurzfristig an der Unfallstelle zum Stillstand bringt, im übrigen aber - ohne sich um die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zu kümmern - mit dem Fahrzeug die Unfallstelle wieder verläßt. Ein bloßes "unfallsbedingtes Anhalten" kann mit dem "Anhalten" im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a StVO nicht gleichgesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 85/18/0174).
Im Beschwerdefall hatte sich der Beschwerdeführer - seiner unwiderlegten Verantwortung zufolge - nach dem Anprall seines Pkws, durch den dieser zum Stillstand gekommen war, bemüht, sein schräg zur Fahrbahn stehendes Fahrzeug aus dem nach einer Kurve gelegenen Fahrbahnbereich wegzubekommen, um die Gefahr eines weiteren Unfalles zu vermeiden. Hiezu bog er einen Kotflügel vom Rad weg und ließ den Pkw von einem vorbeikommenden Kraftfahrzeug zu einer Bushaltestelle schleppen, um es dort ohne Verkehrsbehinderung abzustellen.
Hieraus ergibt sich, daß das Verhalten des Beschwerdeführers mit dem von der belangten Behörde genannten Verhalten eines Lenkers, der nach einem Unfall nur kurz anhält, dann aber sofort weiterfährt, nicht zu vergleichen ist. Wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nunmehr in ihrer Gegenschrift die Unterlassung einer Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes vorwirft, ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer wegen einer solchen Verwaltungsübertretung nicht bestraft wurde. Im Wege einer Bestrafung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO kann eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Beschwerdefall nicht sanktioniert werden.
Soweit der Beschwerdeführer daher auch der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO schuldig erkannt wurde, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Zur Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO:
Für den Tatbestand nach § 4 Abs. 5 StVO genügt es, wenn dem Täter bei gehöriger Aufmerksamkeit objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0032).
Im Beschwerdefall mußte der Beschwerdeführer schon aus den erheblichen Schäden am eigenen Fahrzeug auf einen Schaden am Hindernis schließen. Worin dieses bestand, war für ihn feststellbar, da sich die Unfallstelle in unmittelbarer Nähe einer Straßenlaterne befand und die Sichtverhältnisse immerhin ausreichten, um dem Beschwerdeführer eine notdürftige Reparatur und ein Abschleppen seines Fahrzeuges zu ermöglichen. Gerade die vom Beschwerdeführer genannten Fotos zeigen deutlich die Schwere und Auffälligkeit der Sachbeschädigung und das Vorhandensein einer Straßenbeleuchtung. Wenn die belangte Behörde daher der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe keinen Sachschaden bemerkt, den Glauben versagt hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin im Rahmen der ihm zustehenden Beweiswürdigungskontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) eine rechtswidrige Beweiswürdigung nicht zu erkennen.
Soweit sich der Beschwerdeführer ohne weitere Ausführungen auf einen "Schock" beruft, genügt es, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallsbeteiligten trotz eines sogenannten Unfallschocks in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1990, Zl. 89/03/0070). Der Beschwerdefall zeigt, daß der Beschwerdeführer nach dem Unfall im besonderen Maße zu Dispositionen fähig war.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, er habe "untertags" telefonischen Kontakt mit einer (unzuständigen) Gendarmeriedienststelle aufgenommen. Hieraus ist für ihn schon deshalb nichts zu gewinnen, da von einer Verständigung "ohne unnötigen Aufschub" keine Rede sein kann; dieses Merkmal ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes streng auszulegen (vg. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1990, Zl. 89/03/0306).
Abwegig ist schließlich die Ansicht des Beschwerdeführers, er wäre von der Verständigungspflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO deshalb entbunden gewesen, weil seine Identität anhand der an der Unfallstelle verlorenen Kennzeichentafel und des in der Nähe befindlichen Fahrzeuges hätte festgestellt werden können.
Die vorliegende Beschwerde war daher - soweit sie die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO betrifft - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ist Umsatzsteuer nicht zuzusprechen (vgl. Dolp aaO, Seite 687).
Schlagworte
Mitwirkung und Feststellung des SachverhaltesSchriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des PauschbetragesMeldepflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990020049.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010