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L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;Norm
ABGB §1090;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der N-GmbH gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. März 1989, Zl. MDR - W 22 und 23/85, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich die Rechtsfrage strittig, ob die Beschwerdeführerin für der Höhe nach näher bestimmte Getränke- und Vergnügungssteuerschuldigkeiten einer Person (in der Folge kurz: Dritter bzw. Afterpächter) haftet, die nicht ihr Pächter war, vielmehr ihre Rechte hinsichtlich des Pachtbetriebes aus einem Vertrag mit dem Pächter der Beschwerdeführerin ableitet. Die belangte Behörde stützt sich in ihrem Bescheid vom 29. März 1989 einerseits auf den § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. Nr. 2 - im Beschwerdefall ist diese mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1988, G 82, 83, 85 bis 88, 90/88-8, G 207/88-7, mit Ablauf des 30. November 1989 aufgehobene Gesetzesstelle noch anzuwenden -, und andererseits auf die Bestimmungen des § 34 Abs. 3 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. Nr. 11, idgF. Die belangte Behörde meint in der dem angefochtenen Bescheid beigegebenen Begründung sinngemäß im wesentlichen, "die Weitergabe der Rechte aus dem Pachtvertrag" ändere nichts "am Vorhandensein eines Pachtbetriebes" und an der Stellung der Beschwerdeführerin als Verpächterin. Müsse im Sinne der Beschwerdeführerin angenommen werden, daß diese für die Abgabenschuldigkeiten des Dritten nicht hafte, dann "könnten die angeführten Haftungsbestimmungen immer leicht dadurch umgangen werden, daß der Verpächter mit einer Person den Pachtvertrag schließt und diese sodann ihre Rechte an einen Dritten weitergibt." Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht, keinesfalls dürfe "bei verfassungskonformer Gesetzesauslegung eine Haftungsregelung, die der Verfassungsgerichtshof schon für den unmittelbaren Pächter als exzessiv erkannt hat, in einer Potenzierung des Exzesses dahin ausgelegt werden, daß der Verpächter auch für die Steuerschulden von Personen haften soll, die gar nicht seine Pächter waren."
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und
eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 2 GetrStG in der bis zum Ablauf des 30. November 1989 in Kraft gestandenen Fassung lautet wie
folgt:
"Erfolgte die Abgabe steuerpflichtiger Getränke in einem Pachtbetriebe, so haftet der Verpächter (Haftpflichtiger) neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen. Die Heranziehung des Haftpflichtigen zur Zahlung hat mittels Haftungsbescheides zu geschehen."
§ 34 Abs. 3 VgStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung lautet wie folgt:
"Trifft die Vergnügungssteuer einen Pachtbetrieb, so haftet der Verpächter neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen."
Aus dem Wortlaut der beiden eben zitierten Haftungsnormen geht hervor, daß der Verpächter "neben dem früheren Pächter" für gewisse Steuerbeträge haftet. Nach der eigentümlichen Bedeutung dieser Worte in ihrem Zusammenhang ist unter dem früheren Pächter lediglich eine Person oder eine Mehrheit von Personen zu verstehen, die den Pachtbetrieb VOM VERPÄCHTER gepachtet hat. Eine Person, deren Rechte hinsichtlich des Pachtbetriebes sich nicht aus ihrem Rechtsverhältnis mit dem Verpächter, sondern aus ihrem Rechtsverhältnis mit dem Pächter des Pachtbetriebes ableiten lassen, ist nicht Pächter des Verpächters, sondern Afterpächter. Für Abgabenschuldigkeiten solcher Personen haftet daher der Verpächter im Grunde der in Rede stehenden Haftungsbestimmungen nicht.
Für diese Auslegung sprechen auch die vom Verfassungsgerichtshof etwa in seinem besagten Erkenntnis vom 5. Dezember 1988 ins Treffen geführten Umstände, deretwegen die Einrichtung einer abgabenrechtlichen Haftung des Verpächters für bestimmte Abgabenschulden eines früheren Pächters sachlich gerechtfertigt erscheint. Zu diesen Umständen gehört nämlich insbesondere das Bestehen eines Vertragsbandes zwischen dem Verpächter und dem Pächter mit der daraus entspringenden Möglichkeit der spezifischen Gestaltung des Pachtvertrages, die Teilnahme des Verpächters durch den Pachtzins am Ertrag des Betriebes und das Zurückfallen des Betriebes an den Verpächter nach dem Ende des Pachtverhältnisses. Diese für das Pachtverhältnis zwischen Verpächter und Pächter charakteristischen Umstände lassen sich nicht uneingeschränkt auf das Verhältnis zwischen dem Verpächter und dem Afterpächter übertragen. Für eine abgabenrechtliche Haftung des Verpächters für Abgabenschuldigkeiten des Afterpächters würde daher auch die sachliche Rechtfertigung fehlen.
Die von der belangten Behörde aufgezeigte Möglichkeit, die Verwirklichung der in Rede stehenden Haftungstatbestände zu vermeiden, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung, zumal eine entsprechende Vertragsgestaltung durchaus keinen Rechtsmißbrauch darzustellen braucht. Die belangte Behörde übersieht anscheinend, daß die in Rede stehenden Haftungsbestimmungen auch im Verhältnis zwischen Pächter und Afterpächter anwendbar sein können, diese Haftungsnormen aber nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür bieten, daß diesfalls der am Anfang der Kette stehende Verpächter ZUSÄTZLICH zu seinem Pächter für bestimmte Abgabenschuldigkeiten des Afterpächters haftet.
Ohne daß es bei der aufgezeigten Sach- und Rechtslage noch erforderlich gewesen wäre, auf die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin näher einzugehen, mußte sohin der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989170062.X00Im RIS seit
30.11.1990