TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/3 90/19/0477

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.1990
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §19;
VStG §51 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissärin Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. Juli 1990, Zl. 5-212 Ze 12/20-89, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Schuldsprüche zu Z. 1 (sämtliche lit.) und Z. 2 b) und c) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufrechterhalten wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie hinsichtlich sämtlicher Aussprüche über die Strafen samt der damit verbundenen Vorschreibung von Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im übrigen - sohin soweit die Schuldsprüche zu Z. 2a, aa) und d) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufrechterhalten wurden - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1990, Zl. 90/19/0042, verwiesen. Im fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde nach Einvernahme des Zeugen W.G. den Bescheid vom 30. Juli 1990, mit welchem sie der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis neuerlich keine Folge gab und dieses "mit der Maßgabe bestätigte", daß

"1.

Herr E. Z. die ihm zur Last gelegten Straftaten als Arbeitgeber begangen hat,

2.

die Bestrafung gemäß § 30 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 - KJBG, Kundmachung BGBl. Nr. 599, zu erfolgen hat,

3.

die übertretenen Normen bezüglich Z. 1 (Lehrling M.E.)

              b)              § 16 KJBG, c) § 17 Abs. 2 leg. cit., d) § 19 Abs. 2 leg. cit. und f) § 14 Abs. 2 leg. cit. zu lauten hat,

4.

die Strafhöhen bezüglich der einzelnen Tatbestände zu lauten haben:

1.) a) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest), aa) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest), b) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest), c) 5000 S (Ersatzarrest 7 1/2 Tage),

d) 5000 S (Ersatzarrest 7 1/2 Tage), e) 5000 S

(7 1/2 Tage Ersatzarrest) und f) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest);

2.) a) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest), aa) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest), b) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest), c) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest) und

d) 5000 S (7 1/2 Tage Ersatzarrest);

5.

das Verfahren bezüglich der Tatbestände M.E.

              a)              3. Woche (12. - 18.1.1987) und S.M.a) 5. Woche

              6.              Woche (26.1. - 8.2.1987) gemäß § 45 Abs. 1 lit. a nicht erwiesen werden konnte;

6.

der Berufungswerber gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens 10 v.H. der verhängten Geldstrafen zu leisten und demgemäß - zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten - 6000 S (12 mal 500 S) zu bezahlen hat."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Was zunächst die Schuldsprüche zu Z. 1 (Lehrling M.E.) anlangt, so rügt der Beschwerdeführer zu Recht, daß die belangte Behörde zwar mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid das Verfahren hinsichtlich des Zeitraumes vom 12. bis 18. Jänner 1987 (3. Woche) eingestellt hat - was offenbar auf die im hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1990 (Seite 7) angeführte Zeugenaussage dieses Lehrlings in Verbindung mit der Behauptung des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 15. Juni 1987, E. habe sich vom 5. bis 18. Jänner 1987 im Krankenstand befunden, zurückzuführen ist - jedoch ohne Begründung den Zeitraum vom 5. Jänner bis 11. Jänner 1987 (2. Woche) aufrechterhalten hat. Dieser Begründungsmangel ist wesentlich, weil er den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides hindert, ist doch nach der Aktenlage kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung der beiden erwähnten Zeiträume erkennbar. Der angefochtene Bescheid ist daher schon aus diesem Grund, soweit der Schuldspruch zu Z. 1 aufrechterhalten wurde, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Eine weitere derartige Rechtswidrigkeit dieses Schuldspruches ergibt sich in dem Umfang, soweit dieser von einer Arbeitszeit des Lehrlings E. über den Zeitpunkt 22 Uhr hinaus ausgeht. Der Beschwerdeführer hatte nämlich in seinem bereits erwähnten Schriftsatz vom 15. Juni 1987 ausgeführt, dieser Lehrling habe niemals über 22 Uhr hinaus gearbeitet. Zum Beweis hiefür hatte der Beschwerdeführer drei namentlich genannte Zeugen angeführt. Das Unterbleiben der Einvernahme dieser Zeugen führte u.a. zur Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 15. Februar 1989 durch das zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1990. Wohl dürfte dem Beschwerdeführer entgangen sein, daß er in seiner (persönlichen) Eingabe vom 4. Juli 1990 an die belangte Behörde selbst angegeben hatte, die Zeugin B.W. sei verstorben. Das Unterbleiben der Einvernahme dieser Zeugin im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde daher nicht zu verantworten. Auch hat die belangte Behörde den weiteren Zeugen W.G. am 25. Juli 1990 einvernommen, welcher im wesentlichen angab, er habe "zu dieser Zeit" im Keller gearbeitet und könne über die Dinge "oben" kaum Auskünfte geben; es stimme, daß die Mädchen "u.U." auch länger gearbeitet hätten, ob freiwillig oder dienstlich, wisse er nicht. Diese Zeugenaussage wurde dem Beschwerdeführer nicht Wege des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, doch vermag der Gerichtshof keine Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels zu erkennen; auch der Beschwerdeführer legt solches nicht dar. Allerdings hat es die belangte Behörde ohne Angabe von Gründen unterlassen, den dritten Zeugen, nämlich M.Z., einzuvernehmen. Soweit sie dazu in der Gegenschrift vorbringt, der Beschwerdeführer habe es unterlassen, entsprechend der behördlichen Aufforderung vom 26. Juni 1990 die Adressen der "genannten Zeugen" anzugeben, ist ihr entgegenzuhalten, daß in diesem Schreiben vom Zeugen M.Z. nicht die Rede ist. Im übrigen ist in der zitierten Eingabe des Beschwerdeführers vom 15. Juni 1987 angeführt, (auch) dieser Zeuge sei "p.A. der beklagten Partei" (gemeint wohl: per Adresse des Beschwerdeführers) erreichbar. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang des Schuldspruches zu Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren sei allerdings zu Z. 1 f) zur Übertretung nach § 14 Abs. 2 KJBG und zur gesamten Strafbemessung samt Vorschreibung von Kosten des Strafverfahrens auf die nachstehenden Ausführungen verwiesen, welche auch in Ansehung des Lehrlings E. gelten.

Ausgehend von der Einstellung des Verfahrens für den Zeitraum 5. und 6. Woche (26. Jänner bis 8. Februar 1987) war zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch in Hinsicht auf die Z. 2 des Schuldspruches (betreffend den Lehrling S.M.) vorliegt. Zunächst ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im erwähnten Schriftsatz vom 15. Juni 1987 u.a. bezüglich dieses Lehrlings gleichfalls vorgebracht hatte, dieser habe "im gesetzlichen Ausmaß" auch Sonntage freigehabt, und sich auf Beweismittel "wie oben" (gemeint: die erwähnten drei Zeugen) berufen. Dies führt entsprechend den obigen Darlegungen im Hinblick auf die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen M.Z. zur Aufhebung des Schuldspruches zu Z. 2 c) (Übertretung nach § 18 Abs. 3 KJBG). Was die Übertretung nach § 14 Abs. 2 KJBG anlangt, so hatte der Beschwerdeführer zum Beweis seiner Behauptung, geleistete Überstunden seien bezahlt worden, seine sowie der beiden Lehrlinge Einvernahme beantragt und auf das "Lohnkonto" verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag zwar nicht zu erkennen, inwieweit Rechte des Beschwerdeführers durch die Unterlassung seiner diesbezüglichen Einvernahme verletzt worden sein sollten, stand es dem Beschwerdeführer doch offen, seinen Standpunkt schriftlich darzulegen. Auch wurden die beiden Lehrlinge am 8. November 1988 u.a. zu diesem Beweisthema einvernommen (E. sagte aus, sie habe zwischen Entgelt oder Freizeit wählen können, sie habe Zeitausgleich genommen, M. gab an, sie habe für geleistete Überstunden je nach Arbeitsanfall einen freien Tag bekommen, dies sei allerdings sehr selten gewesen und sei vom Beschwerdeführer bestimmt worden). Allerdings hat es die belangte Behörde unterlassen, darzutun, weshalb sie dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten weiteren Beweismittel, nämlich dem "Lohnkonto", keine Bedeutung zumesse, obwohl die Untauglichkeit dieses Beweismittel für die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung nicht von vornherein ersichtlich ist. Der Schuldspruch zu Z. 2b) war daher - ebenso wie zu den Z. 1f) und Z. 2c - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Hinsichtlich der Übertretungen zu Z. 2a), 2aa) und 2d) bringt der Beschwerdeführer zu den Schuldsprüchen nichts Konkretes vor. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag insofern keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen; die Beschwerde war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Zur Strafbemessung rügt der Beschwerdeführer jedoch zu Recht, daß die belangte Behörde die Einschränkung des Tatvorwurfes (Entfall der Tatzeit laut oben dargestellter Z. 5 des angefochtenen Bescheides) zu berücksichtigen gehabt hätte. Es entspricht nämlich der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0110), daß die belangte Behörde in einem solchen Fall dem Verbot der reformatio in peius entsprechend, die Strafen hinsichtlich des verbliebenen Tatvorwurfes neu festsetzen hätte müssen. Wollte sie aber die Strafen dennoch in voller Höhe aufrechterhalten, so hätte sie zu begründen gehabt, inwiefern besondere Umstände, wie z.B. das Vorliegen von zusätzlichen Erschwerungsgründen oder weniger Milderungsgründen hinsichtlich der für die Strafbemessung der ersten Instanz maßgebenden Erwägungen dies gerechtfertigt erscheinen läßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1987, Zl. 85/18/0074). Dies hat die belangte Behörde - offenbar in Verkennung der Rechtslage - unterlassen, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Hinsicht auf sämtliche Strafaussprüche samt der damit verbundenen Vorschreibung von Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG führt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebührenersatz für die bereits verwendete Vollmacht nicht gebührt.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein Verbot der reformatio in peius

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190477.X00

Im RIS seit

03.12.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten