TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/6 89/06/0009

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Veröffentlicht am 06.12.1990
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;

Norm

BauO Tir 1978 §25 lita;
BauO Tir 1978 §25;
BauO Tir 1978 §27 Abs2 litb;
BauO Tir 1978 §3 Abs7;
BauRallg;
VwRallg;
WEG 1975 §13 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 19. Dezember 1988, Zl. MD-9459/1987, betreffend die Zurückweisung eines Bauansuchens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 24. Februar 1986 langte beim Magistrat Innsbruck ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung der Baubewilligung für den Innenumbau einer Geschäftseinheit im Erdgeschoß (früher Ordination mit Nebenräumen) zu einer Nachtbar (mit rund 40 Sitzplätzen und einer kleinen Tanzfläche im Ausmaß von wenigen Quadratmetern) im Hause Innsbruck, X-Gasse 10 (Grundstück Nr. n/1, EZ. nn, KG 81113 Innsbruck), ein. Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer der Liegenschaft. Nach der Stellungnahme des Stadtbauamtes vom 11. März 1986 besteht die Flächenwidmung Kerngebiet und bleibt der Bestand äußerlich unverändert. In der Baubeschreibung der Behörde vom 17. April 1986 heißt es, daß die Baumaßnahme im Bereich des Alt- und des Neubaues (Anbau) erfolgen soll. Sie umfasse den Abbruch von Zwischenwänden, die Errichtung eines Zuganges über den Altbau von der X-Gasse (durch ein bereits bestehendes gemeinschaftliches Stiegenhaus), die Teilung im Neubau in einen Lagerraum und in einen Lokalteil, die Abtrennung des Kellerstiegenhauses vom Zugangsbereich, die Errichtung eines Notausganges (anstelle des früheren Einganges zur Ordination) sowie den Einbau von WC-Anlagen (das heißt die Verlegung der bestehenden in einen anderen Teil). Es werde keine zusätzliche Baumasse geschaffen.

Am 12. Mai 1986 erging an den Beschwerdeführer u.a. die Aufforderung im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950, die Zustimmungserklärung der Miteigentümer binnen zwei Wochen vorzulegen. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 16. Mai 1986 zugestellt.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 1986 wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich allenfalls erforderlicher Lärmschutzmaßnahmen beschlossen.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1987 wies der Stadtmagistrat Innsbruck das Ansuchen für den Innenumbau gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung (BO) zurück. Gemäß der zuletzt genannten Bestimmung der Bauordnung sei einem Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden die Zustimmungserklärung der Miteigentümer anzuschließen. Trotz Aufforderung sei der Beschwerdeführer dem nicht nachgekommen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung.

Der diese Berufung abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 11. Jänner 1988 wurde auf Grund einer vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde mit hg. Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 88/06/0052, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (nicht ordnungsgemäße Zusammensetzung des Kollegialorganes) aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 1988 wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich als unbegründet ab. Nach den Aktenunterlagen würden neben dem Beschwerdeführer noch eine Wohnbaugesellschaft und zwei weitere Personen als grundbücherliche Eigentümer aufscheinen. Gemäß § 27 Abs. 2 lit. b BO sei aber einem Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden die Zustimmungserklärung aller Grundeigentümer bzw. Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht allein Grundeigentümer oder Bauberechtigter sei, anzuschließen. Zur positiven Erledigung wäre daher die Zustimmungserklärung der drei genannten Personen erforderlich gewesen. Diese habe der Beschwerdeführer trotz Aufforderung nicht beigebracht, weshalb die Erstbehörde berechtigt sei, wegen dieses Formgebrechens das Ansuchen gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die bereits im

hg. Verfahren Zl. 88/06/0052 erstattete Gegenschrift auch zur Gegenschrift in diesem Verfahren erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, die beabsichtigte Bauführung bedürfe nicht der Zustimmung der übrigen Miteigentümer.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Einer Zustimmungserklärung der Miteigentümer bedarf es im baurechtlichen Bewilligungsverfahren gemäß § 27 Abs. 2 lit. b der Tiroler Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 43/1978, in der Fassung LGBl. Nr. 19/1984, nur dann, wenn es sich bei dem Vorhaben um den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden handelt. Auch die Bauordnung in der Fassung der Wiederverlautbarung LGBl. Nr. 33/1989 sieht insoweit im § 27 Abs. 3 lit. b BO eine gleiche Regelung vor.

Die Begriffe Neu- und Zubau scheiden hier von vornherein aus. Strittig ist, ob das Bauvorhaben als Umbau im Sinne des § 3 Abs. 7 BO zu qualifizieren ist, wovon offensichtlich die belangte Behörde ausging. § 3 Abs. 7 BO lautet:

"(7) Umbau ist die bauliche Veränderung eines Gebäudes, durch die, ohne die Außenmaße zu vergrößern, die Raumeinteilung oder die äußere Gestalt des Gebäudes so geändert wird, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen ist."

Anders als beispielsweise in der Wiener Bauordnung ist dieser Definition des Begriffes "Umbau" nicht zu entnehmen, daß ein Umbau auch dann vorliegt, wenn nur ein Geschoß als ein anderes anzusehen ist.

Das gesamte Gebäude weist nach den bei den Akten erliegenden Unterlagen über 30 Wohnungen sowie mehrere Geschäftslokale (mit Gasträumen) auf. Wie die vorhandenen Auszüge aus dem Grundstücksverzeichnis vom 22. Oktober 1987 zeigen, erweist sich in diesem Zusammenhang als, wenn auch nicht bedeutsame, Aktenwidrigkeit die Anführung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es gebe neben dem Beschwerdeführer (nur) noch drei weitere Eigentümer. Das Bauvorhaben besteht im Innenumbau von Räumlichkeiten in einem Teil des Erdgeschoßes, die im wesentlichen früher als Ordination gewidmet waren, in eine Nachtbar. Der Bestand bleibt äußerlich unverändert; es wird keine zusätzliche Baumasse geschaffen. Die in der Sachverhaltsdarstellung dargelegten, lediglich Teile des Erdgeschoßes betreffenden baulichen Änderungen umfassen keine solchen, durch welche das gesamte Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Es bleibt weiter ein Wohnhaus mit zahlreichen Wohnungen und mehreren Geschäftslokalen. Der beabsichtigten Änderung der Raumeinteilung in einen Teilbereich des Erdgeschoßes kommt im gegebenen Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 15. Oktober 1987, Zl. 86/06/0141, und vom 20. September 1990, Zl. 90/06/0053). Es liegt somit entgegen der von den Gemeindebehörden vertretenen Rechtsansicht kein Umbau im Sinne der Tiroler Bauordnung vor.

An den Beschwerdeführer hätte daher kein Auftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zur Beibringung der Zustimmungserklärungen der übrigen Miteigentümer ergehen dürfen. Die Zurückweisung seines Bauansuchens wegen Nichtvorlage der Zustimmungserklärung erweist sich somit als rechtswidrig.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter Bezugnahme auf das Wohnungseigentumsgesetz die Meinung vertritt, durch das Vorhaben würden schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer berührt, ist ihr entgegenzuhalten, daß eine Bewilligung nach der Bauordnung lediglich eine Polizeierlaubnis darstellt, die in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Wohnungseigentümern nicht eingreift. Nach ständiger Rechtsprechung steht es jedem Wohnungseigentümer frei, IM RECHTSWEG die Unterlassung wesentlicher Änderungen eines Wohnungseigentumsobjektes zu begehren, die ein Wohnungseigentümer ohne Zustimmung der übrigen und ohne Ersetzung der Zustimmung durch den Außerstreitrichter nach § 13 Abs. 2 WEG 1975 vornimmt bzw. vorzunehmen beabsichtigt. Daß für eine derartige Änderung eine Baubewilligung vorliegt, ändert am Bestand eines allfälligen Unterlassungsanspruches nichts (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 90/06/0053).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989060009.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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