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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §871;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Gemeinderat der Gemeinde Allerheiligen im Mürztal, vertreten durch den Bürgermeister, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (Beteiligte im Sinne des § 8 AVG 1950: E), zur Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 wird die Berufung der Beteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Allerheiligen i.M. vom 11. September 1986, Zl. 153-9-1986-Br, mit dem dem Beschwerdeführer eine Baubewilligung erteilt wurde, abgewiesen.
Die Gemeinde Allerheiligen i.M. hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.952,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter Vorlage eines Planes der X-GmbH vom 1. August 1986 suchte der Beschwerdeführer um die Erteilung der Baubewilligung zwecks Neubaues einer Garage mit Geräteraum neben dem bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück nn KG Edelsdorf (offenbar ident mit L) an. Bei der Bauverhandlung am 2. September 1986, zu der die Beteiligte unter Hinweis auf § 42 AVG 1950 ordnungsgemäß geladen worden und auch erschienen war, wurde zunächst festgehalten, daß der vorgelegte Einreichplan bezüglich des Grenzabstandes der Feuermauer (Traufe zum Nachbarn) und des Anbaues an das bestehende Wohnhaus nicht der Bauordnung 1968 entspreche. Nach gütlicher Einigung, angeregt durch den Bürgermeister wurde vereinbart, daß die Garage vom bestehenden Wohnhaus nach Südosten verschoben werde, sodaß ein Abstand der äußersten Garagenkante zum bestehenden Wohnhaus von mindestens vier Meter entstehe und die Garage direkt an die Grundgrenze zum Grundstück 148 errichtet werde. Weiters solle die geänderte Garage ein Flachdach erhalten, dessen Neigung von der Grundgrenze 148 zum eigenen Grundstück verlaufe. Diese planlichen Änderungen wurden vom Sachverständigen im Einreichplan provisorisch eingetragen. Es wurde aber festgehalten, daß es erforderlich sei, für die bei der örtlichen Erhebung und Verhandlung gemachten Änderungen einen Auswechslungsplan vorzulegen.
Die Beteiligte gab folgende Stellungnahme ab:
"Ich habe gegen die Errichtung einer Garage an meiner Grundgrenze grundsätzlich keinen Einwand, wenn die Garage zum bestehenden Wohnhaus des Nachbarn vier Meter nach Südwesten verschoben wird, zu meinem Grund hin eine Feuermauer errichtet wird und die Dachwässer nicht auf mein Grundstück abrinnen."
Der bautechnische Sachverständige gab an, daß die Baubewilligung für die Errichtung der Garage unter Einhaltung bestimmter Vorschreibungen erteilt werden könne; dabei wurde auf den vorzulegenden Auswechslungsplan Bezug genommen; die Stellungnahme der Anrainerin (= Beteiligten) sei strikt einzuhalten; an der Grundgrenze sei eine Feuermauer zu errichten, das Gefälle des Daches müsse von der Grundgrenze zum eigenen Grund hin verlaufen. Diese Änderungen trug der Sachverständige in den vorgelegten Plan ein.
Ohne die Vorlage eines Auswechslungsplanes abzuwarten, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Allerheiligen i.M. mit Bescheid vom 11. September 1986, Zl. 153-9-1986-Br, dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Errichtung einer Garage mit Nebenraum auf dem Baugrundstück nn der KG E gemäß § 62 der Stmk. Bauordnung 1968 (BO) in Verbindung mit den §§ 1 und 28 der Stmk. Garagenordnung mit der Maßgabe, daß die "mit dem Genehmigungsvermerk versehenen und hier anliegenden Pläne und Unterlagen" einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden. Die Begründung beschränkte sich auf die gesamt Wiedergabe der gesamten Bauverhandlung einschließlich Parteienvereinbarung, Parteienäußerung und Gutachten.
Tatsächlich wurde der Bewilligungsvermerk auf dem durch den Sachverständigen geänderten Einreichplan angebracht; diese Änderungen bezogen sich auf die Verschiebung in südöstliche Richtung so weit, daß die nächste Kante der Garage vier Meter vom bestehenden Wohnhaus entfernt und damit ungefähr in der Höhe des Endes der bestehenden Terrasse liegen sollte, weiters daß anstelle des vorgesehenen geringfügigen Abstandes der Garage zur Grundgrenze diese unmittelbar an die Grundgrenze anzubauen sei und schließlich das Satteldach durch ein Flachdach mit einer Dachneigung von 6,5 Prozent vom Nachbargrund zum eigenen Grund hin zu ersetzen sei. Damit war auch die Feuermauer entsprechend zu erhöhen.
In der Folge versuchte die Beteiligte - auch über Organe der Gemeinde - eine Vereinbarung mit dem Beschwerdeführer zustandezubringen, wonach er im Falle einer durch den Bau der Garage verursachte Beschädigung der Thujenhecke für den Schaden aufzukommen habe. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1986 teilte die Beteiligte der Baubehörde schließlich mit, daß der Beschwerdeführer prinzipiell nicht bereit sei, eine derartige Vereinbarung zu unterschreiben, sodaß die bei der Bauverhandlung getroffene Vereinbarung als gegenstandslos zu betrachten und daher der Mindestabstand von drei Metern vom Grundstück der Beteiligten einzuhalten sei.
Nachdem der Bescheid am 15. Jänner 1987 zugestellt worden war - der Grund für diese späte Zustellung ist nicht aktenkundig; denkbar wäre, daß auf den in der Folge vorgelegten Auswechslungsplan gewartet wurde, der zwar noch immer nicht dem Bescheid entsprach, aber den Vermerk trägt: "Bauplan der Baukommission vorgelegt am 15. Jänner 1987" -, erhob die Beteiligte Berufung, in der sie vor allem vorbrachte, daß sie dem Beschwerdeführer in der Bauverhandlung nur unter der Annahme entgegengekommen sei, daß er die noch zu treffende schriftliche Vereinbarung bezüglich des Kostenersatzes für den entstehenden Schaden an der Thujenhecke unterschreibe; in der Folge habe er dies jedoch abgelehnt. Überdies wurde darauf hingewiesen, daß der "Auswechslungsplan" keineswegs den bei der Bauverhandlung festgelegten Vorschreibungen entspreche, weil die Garage mit Nebenraum ein Flachdach mit Dachneigung zum Grundstück des Beschwerdeführers hin haben müsse und nicht ein Giebeldach, wodurch Abwässer wieder auf das Grundstück der Beteiligten rinnen könnten. In einem weiteren Schriftsatz nach der Sitzung der belangten Behörde vom 22. Mai 1987, in der die Abweisung der Berufung beschlossen worden war, teilte die Beteiligte am 24. Mai 1987 der Baubehörde mit, daß nach Auskunft des Bausachverständigen unter "Wohnhaus", von dem mindestens vier Meter Abstand einzuhalten sei, das Haus mit Zubau zu verstehen und der Abstand daher mindestens vier Meter ab Terrasse zu rechnen sei. Der Beschwerdeführer hingegen habe Vorbereitungen getroffen, die Garage in einem Mindestabstand vom eigentlichen Wohnhaus zu errichten.
Mit dem am 5. Juni 1987 namens des Gemeinderates ausgefertigten Bescheid wurde der Berufung der Beteiligten unter Hinweis auf § 42 AVG 1950 über die Präklusion keine Folge gegeben.
Auf Grund der Vorstellung der Beteiligten behob die Stmk. Landesregierung den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Allerheiligen i.M. zurück. Die Vorstellungsbehörde trat zwar der Ansicht der Berufungsbehörde bei, daß die Einwendung der Beteiligten präkludiert sei, zeigte jedoch eine Reihe von Ungereimtheiten auf. Im ursprünglichen Plan sei der Abstand zur Nachbargrundgrenze mit 20 cm eingezeichnet, ohne daß im "Befund" des Bescheides der direkte Anbau an der Nachbargrundgrenze vorgesehen sei. Der (1.) Auswechslungsplan enthalte nicht die skizzierte Änderung, die die Garagenmauer unmittelbar an der Grundgrenze vorsehe. Auch sei ein Dachvorsprung von ca. 20 cm eingezeichnet. Auf dem Auswechslungsplan sei zwar keine Grundgrenze, wohl aber der Abstand von der Terrasse wie auch die Breite der Garage gleich wie im ursprünglich vorgelegten Plan eingezeichnet, sodaß die Garage wiederum 20 cm Abstand von der Grundgrenze hätte und nicht unmittelbar an dieser errichtet würde. Damit liege ein Widerspruch im Bescheid selbst vor, da dieser einerseits die Errichtung der Garage unmittelbar an der Grundgrenze vorsehe, andererseits aber die Errichtung nach dem Auswechslungsplan vorschreibe. Damit seien Rechte der Beteiligten verletzt worden.
Auf Grund der Behauptung der Beteiligten, der Bausachverständige habe ihr erklärt, daß die vier Meter Abstand nicht von der Hausseite, sondern von der Terrassenkante zu messen seien, gab der Sachverständige bei einer Vernehmung hiezu an:
"Frau E hat mit mir, das Datum ist mir nicht mehr in Erinnerung, ein Telefongespräch geführt. Sie erklärte mir, daß sie der Meinung ist, daß die vier Meter Abstand vom bestehenden Wohnhaus von der Terrassenkante gemeint waren. Ich erklärte ihr dazu, daß ich das nicht mehr auswendig wüßte und ihre Meinung nicht bestreiten könnte und bemerkte, daß ich anläßlich der örtlichen Verhandlung das Maß ohnehin in den Grundrißplan eincodiert habe und sie bei der Gemeinde nachschauen könnte. Ihre Behauptung, daß ich gesagt hätte, daß die Gemeinde, sollte das Maß von der bestehenden Wohnhauskante eingetragen sein, ausbessern soll, ist nicht wahr. Ich erklärte ihr im Gegenteil, daß man die Niederschrift und die bezughabenden Codierungen in den Einreichplänen nicht abändern darf. Ich betone, daß bei der örtlichen Bauverhandlung nur der von mir unterzeichnete Bauplan vorlag und ich in diesem die Abänderung bezüglich der Abstände vom bestehenden Wohnhaus wie im Plan bezeichnet (vier Meter) und die Dachform (Pultdach anstatt Satteldach) mit Filzstift eingezeichnet habe. Für diese Änderungen wurde ein Auswechslungsplan vorgeschrieben und der Gemeinde übermittelt."
Nach mehrfachen Eingaben beider Teile, schließlich auch der zu Zl. 88/06/0082 protokollierten Säumnisbeschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers (worüber das Verfahren infolge Nachholung des Bescheides dann zur Einstellung kam) erging der Bescheid des Gemeinderates vom 29. Juni 1988, mit dem der Berufung der Beteiligten keine Folge gegeben, jedoch "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 aus Anlaß der Berufung" eine Auflage geändert und eine zweite fallengelassen wurde.
Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung behob die Stmk. Landesregierung abermals den Bescheid des Gemeinderates wegen Verletzung von Rechten der Beteiligten und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Die Vorstellungsbehörde stützte sich dabei lediglich darauf, daß Voraussetzung für einen Berufungsbescheid des Gemeinderates, der in Ausfertigung eines Gemeinderatsbeschlusses ergehe, das Vorliegen eines solchen Gemeinderatsbeschlusses sei. Ein Antrag, der Berufung keine Folge zu geben, sei in der Gemeinderatssitzung nicht gestellt und über einen solchen Antrag auch nicht abgestimmt worden; vielmehr sei lediglich der Antrag, der Berufung stattzugeben, abgelehnt worden. Dieser Bescheid langte am 15. September 1988 bei der Gemeinde Allerheiligen i.M. ein.
Da der Gemeinderat in der Folge untätig blieb, erhob der Beschwerdeführer am 31. März 1989 (Postaufgabe) Beschwerde nach Art. 132 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde legte lediglich die Akten vor; überdies sandte die Stmk. Landesregierung auf Ersuchen der Beteiligten eine Reihe von Unterlagen, die im wesentlichen in den Akten vorhanden waren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Da zwischen der Zustellung des letzten aufhebenden Vorstellungsbescheides an die Gemeinde und der Einbringung der Säumnisbeschwerde durch den Beschwerdeführer die im § 27 VwGG festgesetzte Frist von sechs Monaten verstrichen war, ohne daß über den Antrag neuerlich entschieden worden wäre, und dem Beschwerdeführer als Bauwerber jedenfalls Parteistellung zukam, ist die Säumnisbeschwerde zulässig.
In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 2 der Stmk. Garagenordnung 1979, LGBl. Nr. 27, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/1989, sind auch für die durch dieses Gesetz geregelte Errichtung von Garagen (Abs. 1) die Bestimmungen der Stmk. Bauordnung in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden, soweit die Garagenordnung keine abweichenden Vorschriften enthält. § 10 Abs. 5 der Garagenordnung sieht bei Kleingaragen einen besonderen Abstand von mindestens fünf Metern nur für den Fall vor, daß die im § 10 Abs. 1 vorgesehenen brandbeständigen Wände nicht vorhanden sein sollten. Dies trifft im Beschwerdefall nicht zu, da nach den vorliegenden Planunterlagen ausdrücklich eine Feuermauer gegenüber dem Grundstück der Beteiligten vorgesehen ist und sonstige Wände nicht aus brennbaren Baustoffen bestehen.
Damit hätte die Baubehörde erster Instanz die Vorschrift des § 4 der Stmk. Bauordnung, die die Abstände regelt, anzuwenden gehabt.
Nach § 4 Abs. 1 der Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (BO), müssen Gebäude entweder unmittelbar aneinandergebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt. Nach § 4 Abs. 2 kann die Baubehörde (im Rahmen ihres Planungsermessens: vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1983, Zl. 82/06/0175, BauSlg. Nr. 19) u.a. bei Kleingaragen geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen festsetzen; Reichen, das sind Gebäudeabstände von weniger als zwei Meter, sind jedoch verboten. Das im § 4 Abs. 1 BO eingeräumte Wahlrecht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1972, Slg. Nr. 8331/A), entweder an der gemeinsamen Grundgrenze zu kuppeln oder von dieser gemeinsamen Grundgrenze einen entsprechenden Abstand einzuhalten, wird durch die zunächst erteilte Widmungsbewilligung, nicht aber durch eine Baubewilligung verbraucht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 1980, Zl. 06/3240/79, wiedergegeben bei Hauer, Stmk. Baurecht, Nr. 4 zu § 4 BO). Es wäre daher die Frage des Abstandes zunächst einmal nach dem Inhalt einer Widmungsbewilligung zu prüfen gewesen. Da einem Bauansuchen nach § 58 Abs. 1 lit. a BO der Nachweis der Widmungsbewilligung anzuschließen oder gleichzeitig um eine solche (oder eine entsprechende Änderung) anzusuchen gewesen wäre (ein Ausnahmefall nach § 58 Abs. 2 BO liegt nicht vor), ist die erteilte Baubewilligung schon mangels Nachweises einer Widmungsbewilligung, wozu der Bauwerber allerdings aufgefordert hätte werden müssen (§ 13 Abs. 3 AVG 1950), objektiv rechtswidrig. Geht man aber davon aus, daß der Ist-Zustand einer der früheren Eigentümerin der gesamten Siedlung erteilten Widmungsbewilligung entspricht, so zeigt der vorhandene Bestandsplan (Mappenkopie?), daß auf dem Grundstück der Beteiligten Nr. 148 bereits auf der anderen (nordöstlichen) Grundgrenze mit den anderen Nachbarn gekuppelt wurde, während auf dem Grundstück Nr. 128 des südwestlich des Beschwerdeführers gelegenen Nachbarn ein Nebengebäude an der Grundgrenze zum Beschwerdeführer angebaut wurde, sodaß nur dort gekuppelt werden dürfte. Auch dies wurde nicht beachtet.
Vor allem aber hat die Baubehörde ebenso wie die Parteien des Verfahrens übersehen, daß die aufgezeigte Rechtswidrigkeit auch durch die Zustimmung des Nachbarn nicht beseitigt werden könnte, eine Zustimmung daher für die von der Baubehörde erster Instanz wahrzunehmende Frage objektiver Rechtmäßigkeit nach der Stmk. Bauordnung bedeutungslos ist.
Die "Vereinbarung" vor dem Verhandlungsleiter der Baubehörde kann daher nur dahin verstanden werden, daß der Beschwerdeführer wegen der ihm sonst drohenden Gefahr der Einwendung der Nichteinhaltung des Abstandes nach § 4 BO auf die Wünsche der Beteiligten einging und sein Bauansuchen entsprechend modifizierte. Der Inhalt dieser Modifikation wurde sowohl in der Niederschrift als auch durch handschriftliche Einzeichnung im Bauplan durch den Bausachverständigen eindeutig festgehalten: Das neue Projekt unterscheidet sich vom ursprünglichen dadurch, daß es südÖSTLICH (statt wie ursprünglich in der Verhandlungsschrift angegeben südWESTLICH) soweit abrückte, daß gegenüber dem Wohnhaus (und nicht auch der Terrasse) ein Abstand von vier Meter eingehalten und gleichzeitig unmittelbar an die gemeinsame Grundgrenze gerückt wurde, das Satteldach durch ein Flachdach mit einer gegenüber dem Grund des Beschwerdeführers bestehenden Neigung von 6 Prozent mit einer bis obenhin reichenden Feuermauer gegenüber der Beteiligten ersetzt wurde. Gegen dieses auf ihren Wunsch geänderte Projekt erhob die Beteiligte keine Einwendung.
Gemäß § 42 Abs. 1 AVG 1950 können Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden, wenn zur mündlichen Verhandlung entsprechend geladen worden ist; die präkludierte Partei wird "als zustimmend angesehen". Eine ausdrückliche Zustimmung, die hier, wenn auch unter einer - erfüllten - Bedingung erklärt wurde, bedeutet den Verzicht auf Einwendungen. Die Präklusionsfolgen treten auch in diesem Fall ein, der Widerruf einer bei einer mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung durch einen ordnungsgemäß geladenen Verhandlungsteilnehmer ist rechtlich wirkungslos (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1974, Slg. Nr. 8708/A). Die Gründe, aus welchen keine Einwendungen erhoben worden sind, etwa wie hier wegen eines Motivirrtums, sind rechtlich unerheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1987, Zl. 86/06/0293, BauSlg. Nr. 929). Nur eine nachträgliche Änderung des Projektes, die dem Nachbarn nicht entsprechend zur Kenntnis gebracht wurde, wäre von einer Präklusion nicht erfaßt. Hier aber geht die Änderung des Projektes unmittelbar auch auf Wünsche (Bedingungen) der Beteiligten zurück, sodaß ein allfälliger Irrtum nur im Bereich des Motives (Annahme einer zivilrechtlichen Einigung hinsichtlich der Thujenhecke) gegeben sein könnte. Auch einem Mißverständnis bezüglich der Berechnung des 4-Meter-Abstandes gegenüber dem Wohnhaus des Bauwerbers kommt keine rechtliche Bedeutung zu, weil das Nachbarrecht der Beteiligten sich nur auf den Abstand gegenüber ihrer Grundgrenze, nicht aber auf die sonstige Lage beziehen kann, sodaß auch hier lediglich ein Motiv für die "Zustimmung" (Unterlassung von Einwendungen) vorliegt. Diese Präklusionswirkung des § 42 AVG 1950 trifft auch die von Amts wegen wahrzunehmenden Umstände; an die Präklusion sind sowohl Berufungsbehörde als auch Aufsichtsbehörde, Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof gebunden, sodaß sie auf die Prüfung rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt sind (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A). In diesem Erkenntnis und der seither ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde weiters dargelegt, daß in Fällen eines eingeschränkten Mitspracherechtes einer Partei, wie dies nach § 62 BO für einen Nachbarn zutrifft, auf Grund der von ihr eingebrachten Berufung über den Themenkreis nicht hinausgegangen werden kann, in dem er mitzuwirken berechtigt ist. Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 ist ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zusteht.
Da die Beteiligte sich in ihrer Berufung lediglich auf den - rechtlich bedeutungslosen - Widerruf ihrer Zustimmung gestützt und daraus den präkludierten Anspruch auf Einhaltung des Seitenabstandes abgeleitet hat, kam die Berufung, mag sie auch gegen einen objektiv rechtswidrigen Bescheid gerichtet sein, keinen Erfolg haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte allerdings noch zu prüfen, inwieweit die aufhebenden Bescheide der Gemeindeaufsichtsbehörde eine Bindungswirkung für den als Berufungsbehörde einschreitenden Verwaltungsgerichtshof nach sich gezogen haben. Eine derartige Bindungswirkung besteht jedoch nur hinsichtlich der die Aufhebung tragenden Gründe, soweit sie in der Überbindung einer RECHTSANSICHT bestehen (vgl. das Erkenntnis vom 7. Juli 1988, Zl. 88/05/0079, BauSlg. Nr. 1151, und die dort zitierten Erkenntnisse). Der zweite aufhebende Bescheid betrifft lediglich die interne Willensbildung des Gemeinderates - eine Folge des Umstandes, daß die Entscheidung über Berufungen einem nach Fraktionen abstimmenden allgemeinen Vertretungskörper übertragen ist, - und ist daher für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich. Aber auch im ersten aufhebenden Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde wird keine Rechtsansicht überbunden, sondern lediglich die Ansicht vertreten, daß hinsichtlich des Abstandes zur Nachbargrundgrenze Unklarheiten bestünden, und damit ein Verfahrensmangel aufgegriffen. In dem allein maßgeblichen, dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegenden, vom Sachverständigen korrigierten Plan ist aber eindeutig der Bau an die Grundgrenze verlegt. Daß der erste Auswechslungsplan dem nicht entsprach, ist insoweit bedeutungslos, als er nicht Gegenstand des von der Berufung erfaßten erstinstanzlichen Bescheides sein konnte; im übrigen wurde durch einen weiteren Auswechslungsplan, der wiederum mit 1. August 1986 datiert ist, das dem der Baubewilligung zugrundeliegende Projekt korrekt eingezeichnet.
Es war daher in Stattgebung der Säumnisbeschwerde die Berufung der Beteiligten gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 11. September 1986 gemäß § 42 Abs. 5 VwGG im Zusammenhang mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, jedoch nur im Rahmen des gestellten Antrages.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Baubewilligung BauRallg6Formgebrechen behebbare BaurechtRechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3IrrtumEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989060058.X00Im RIS seit
04.01.2002Zuletzt aktualisiert am
02.04.2009