TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/6 90/04/0275

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Veröffentlicht am 06.12.1990
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Index

L71096 Automatenverkauf Steiermark;
23/05 Sonstiges Exekutionsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AutomatenverkaufsV Bad Aussee 1982;
AVG §39 Abs1;
GewO 1973 §367 Z15;
GewO 1973 §52 Abs4;
LPfG §5;
LPfG §6;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommisssär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Mai 1990, Zl. 04-25 Scha 46-1987/12, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 3. Juli 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe, wie anläßlich einer Erhebung durch die Marktgemeinde Bad Aussee am 3. Februar 1987 um 15.44 Uhr festgestellt worden sei, von diesem Zeitpunkt bis zum heutigen Tage von 2 mit Waren gefüllten, beim Haus A-Gasse 30 im Ortsgebiet Bad Aussee angebrachten Automaten aus, Kaugummikugeln, Schmuckstücke und Kleinspielzeug zum Verkauf angeboten, obwohl die Ausübung derartiger gewerblicher Tätigkeiten von der Marktgemeinde Bad Ausssee in der A-Gasse untersagt sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 15 in Verbindung mit § 52 Abs. 4 GewO 1973 in Verbindung mit Punkt II der Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Aussee vom 24. Juni 1982, Zl. 130-0/82, begangen, weshalb gemäß § 367 Z. 15 GewO 1973 über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 3 Tage) verhängt wurde.

Diesen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/04/0094, insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, als er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens absprach. Im übrigen ist die Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden.

Mit Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. Juni 1989 wurde der Beschwerdeführer neuerlich der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und über ihn, gestützt auf dieselben Rechtsquellen, die gleiche Geldstrafe wie im Bescheid vom 3. Juli 1987 verhängt.

Auch dieser Bescheid ist vom Verwaltungsgerichtshof - mit Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0162 - insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden, als er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens absprach. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgeführt:

"Es trifft zwar zu, daß der Beschwerdeführer, wie die belangte Behörde annahm, seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht bekanntgab; allerdings ist den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten des Verwaltungsstrafverfahrens nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer zur Bekanntgabe dieser Umstände jemals aufgefordert worden wäre. Eine Verpflichtung, diese Umstände von sich aus, also ohne Aufforderung durch die Verwaltungsstrafbehörde, bekanntzugeben, ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr entsprechend der in § 39 Abs. 1 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) festgelegten Offizialmaxime Sache der belangten Behörde, auch den für die Strafzumessung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Erst im Rahmen dieser amtswegigen Ermittlungen hätte den Beschwerdeführer eine entsprechende Mitwirkungspflicht getroffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0172).

In der Unterlassung entsprechender Ermittlungen über die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers liegt somit eine die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründende Verletzung von Verfahrensvorschriften.

...

Auch ist dem angefochtenen Bescheid - wie der Beschwerdeführer ferner rügt - nicht zu entnehmen, welchen konkreten Sachverhalt die belangte Behörde ihren general- und spezialpräventiven Überlegungen im vorliegenden Fall zugrunde legte."

Mit dem nunmehr als Ersatzbescheid ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer neuerlich der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und über ihn, gestützt auf dieselben Rechtsquellen, die gleiche Geldstrafe wie im Bescheid vom 3. Juli 1987 verhängt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Inhaltes des § 19 Abs. 1 VStG 1950 aus, die zitierte Verordnung diene dem Schutz der Minderjährigen, um sie vor unüberlegten Geldausgaben zu bewahren. Laut Vermerk der politischen Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Bad Aussee vom 8. Mai 1970 habe der Beschwerdeführer keine Angaben betreffend seines Einkommens "getätigt". Nach der Bestimmung des § 367 Einleitungssatz GewO 1973 sei die gegenständliche Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- zu ahnden. Da der belangten Behörde auf Grund zahlreicher anderer Parallelstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer bekannt sei, daß er eine große Anzahl dieser Automaten im gesamten Bereich des Bundeslandes Steiermark aufgestellt habe, sei "dennoch bei Annahme der Höhe der Einkünfte des Berufungswerbers um das Existenzminimum die verhängte Geldstrafe ohnedies so gewählt, daß seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse dabei berücksichtigt wurden". Auch wenn keine konkreten nachteiligen Folgen durch das rechtswidrige Handeln des Beschwerdeführers aktenkundig geworden seien, erscheine die verhängte Geldstrafe schon aus general- und spezialpräventiven Überlegungen durchaus gerechtfertigt, wobei als erschwerend die lange Tatzeit, als mildernd die Unbescholtenheit gewertet worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. September 1990 abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Verhängung einer den Strafzumessungsgründen des § 19 VStG 1950 entsprechenden Geldstrafe verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Grundsätze der genannten Gesetzesstelle seien erneut von der belangten Behörde nicht beachtet worden. Es seien keine entsprechenden Erhebungen zur Feststellung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse geführt worden. Es sei einfach ohne näher bestimmte Feststellungen behauptet worden, daß auf Grund zahlreicher Parallelverfahren anzunehmen sei, der Beschwerdeführer habe im Bereiche des Bundeslandes Steiermark diverse Automaten aufgestellt und verfüge daher über ein entsprechendes Einkommen. Des weiteren werde ausgeführt, daß sohin davon auszugehen sei, er habe das Existenzminimum und es sei die Geldstrafe ohnedies so gewählt, daß sie die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers entsprechend beachte. Soweit die belangte Behörde davon ausgehe, daß jedenfalls das Existenzminimum beim Beschwerdeführer vorliege, stehe dies nicht nur im Widerspruch zu den bisherigen Behauptungen und Feststellungen, sondern es sei bei Annahme eines Einkommens um das Existenzminimum auch die verhängte Geldstrafe jedenfalls zu hoch bemessen. Die belangte Behörde gehe einerseits davon aus, daß das rechtswidrige Verhalten keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe, andererseits meine sie, daß die verhängte Geldstrafe aus general- und spezialpräventiven Gründen berechtigt sei. Der Grund der Generalprävention könne sich sicherlich nur auf den Bereich anderer Automatenaufsteller beziehen. Es sei aber nicht bekannt, daß Automatenaufsteller ausdrücklich und laufend gegen die gegenständlichen Bestimmungen verstießen. Es bestehe sohin kein Anlaß für ein derartiges Vorgehen. In Bezug auf die Person des Beschwerdeführers fehlten ebenfalls Anhaltspunkte dafür, daß eine Strafdrohung in der festgelegten Höhe notwendig sei, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Von der belangten Behörde sei nunmehr der Milderungsgrund der Unbescholtenheit angenommen worden, trotzdem habe dies zu keiner Änderung des Strafausmaßes geführt. Dem gegenüber werde nunmehr der Erschwerungsgrund des Verstoßes gegen schutzwürdige Interessen Minderjähriger nicht mehr angeführt und dem gegenüber der lange Tatzeitraum als maßgebender Erschwerungsgrund gewertet. Es fehle allerdings an Feststellungen über die Länge dieses Tatzeitraumes.

Vorweg ist neuerlich zu bemerken, daß es dem Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer auf die Strafzumessung eingeschränkten Beschwerdepunkt verwehrt ist, die in dem Umstand, daß die belangte Behörde neuerlich über die Schuldfrage absprach, gelegene Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzugreifen.

Im übrigen erweist sich die Beschwerde als berechtigt.

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131 a B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Trotz dieses Gebotes unterließ es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 6. Februar 1990 jenen konkreten Sachverhalt darzulegen, den sie ihren general- und spezialpräventiven Überlegungen zugrunde legte.

Die belangte Behörde verstieß aber auch dadurch gegen das Gebot des § 63 Abs. 1 VwGG, daß sie keine weiteren amtswegigen Ermittlungen zur Feststellung der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers pflog.

Der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang zitierte Vermerk der politischen Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Bad Aussee vom 8. Mai 1987 hat folgenden Vermerk:

"Laut telefonischer Anfrage beim GPK St. Johann/Pg., Sbg. hat Herr N für 3 Kinder Sorgepflichten, ist verheiratet, und gibt über Einkommen keine Angaben (Verweis auf Steuerbescheid)."

Diesem Vermerk, der dem Verwaltungsgerichtshof bereits bei Fällung seines Erkenntnisses vom 6. Februar 1990 bekannt war, kann nicht entnommen werden, daß der Beschwerdeführer IN DIESEM Verfahren aufgefordert worden wäre, seine Einkommensverhältnisse bekannt zu geben. Um ihrer aus § 39 Abs. 1 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) in diesem Zusammenhang erfließenden Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nachzukommen, hätte daher die belangte Behörde in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren - sofern nicht andere verläßliche Beweismittel zur Feststellung dieses Sachverhaltselementes zur Verfügung standen - den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe dieser Umstände auffordern müssen. Erst wenn dieses Beweismittel versagt hätte, wäre die belangte Behörde berechtigt gewesen, mit einer Schätzung der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers vorzugehen. Abgesehen davon mangelt es der Annahme der belangten Behörde, die Höhe der Einkünfte des Beschwerdeführers läge um das "Existenzminimum", an der erforderlichen Bestimmtheit, weil ein allgemein gültiges "Existenzminimum" in der österreichischen Rechtsordnung nicht normiert ist. Selbst das Lohnpfändungsgesetz kennt in den §§ 5 und 6 unterschiedlich hohe "Existenzminima".

Schließlich fehlen im angefochtenen Bescheid neuerlich jegliche Feststellungen über die Familien- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990040275.X00

Im RIS seit

06.12.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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