Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 11. Mai 1990, Zl. 311.594/3-III-3/90, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A in X), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.730,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 18. April 1988 wurde dem Mitbeteiligten "auf Grund seines Ansuchens vom 2. Juli 1988" und nach Durchführung eines Augenscheines die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung einer Tischlereiwerkstätte in X, nach Maßgabe des eingereichten Projektes, der technischen Beschreibung, der in der Begründung dieses Bescheides enthaltenen Beschreibung der Amtssachverständigen einschließlich der Erfüllung der Forderungen in den ergänzenden Stellungnahmen der Sachverständigen und unter Voraussetzung der Erfüllung einer Reihe von Auflagen erteilt.
Über Berufung des Beschwerdeführers änderte der Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 19. September 1988 den erstbehördlichen Bescheid dahingehend ab, daß er insgesamt zu lauten habe wie folgt:
"Dem Ansuchen des Herrn A wird gemäß § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 i.V.m. den §§ 74 Abs. 2 und 78 Abs. 2 leg. cit. sowie § 27 des Arbeitnehmerschutzgesetzes i.d.g.F., die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung der Betriebsanlage einer Tischlereiwerkstätte in der Gemeinde X auf Baufläche 4, KG Y, nach Maßgabe des eingereichten Projektes, des auf den Seiten 3 bis 6 der Verhandlungsschrift des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 14. September 1988, Zl. :5/02-1841/2-1988, enthaltenen gemeinsamen Befundes des gewerbetechnischen, chemotechnischen und der ärztlichen Sachverständigen, der im Einvernehmen mit dem Vertreter des Arbeitsinspektorates Bregenz erstellt wurde und gemeinsam mit den Projektsunterlagen einen Bestandteil dieses Bescheides bildet, sowie gegen Erfüllung nachstehender Auflagen erteilt:
...
Die Anlage darf erst nach Erteilung einer rechtskräftigen Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden. Um diese ist bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See nach Fertigstellung der Anlage unter gleichzeitiger Vorlage der in den vorstehenden Auflagen genannten Atteste und Bestätigungen sowie des vom chemotechnischen Sachverständigen in seinem Gutachten unter Punkt 2.) geforderten Untersuchungsberichtes an einer typengleichen Heizungsanlage."
Über die vom Beschwerdeführer auch gegen diesen Bescheid
erhobene Berufung erließ der Bundesminister für wirtschaftliche
Angelegenheiten den Bescheid vom 11. Mai 1990, dessen Spruch
folgenden Wortlaut hat:
"Die Betriebsbeschreibung wird wie folgt ergänzt:
'Der maximale stündliche Lackverbrauch in der Spitzlackierkabine beträgt 1,5 kg.'
Die Auflage unter Punkt 1) der chemotechnischen Auflagen des angefochtenen Bescheides wird behoben.
Die Wendung 'gemeinsam mit den Projektsunterlagen einen Bestand dieses Bescheides bildet' wird durch folgende Wendung ersetzt:
'Der Genehmigung liegen folgende Pläne und Beschreibungen zugrunde:
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Baubeschreibung des Bauunternehmen Matthäus Obwaller einschließlich technischer Beschreibung
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MAK-Wert-Berechnung für den Spritzraum
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Bericht des Technischen Überwachungs-Vereines Wien vom 24.8.1981, Zl. 81-9-84-401-0055 betreffend Feststellung der Staubkonzentration in den Abgasen der Späneverbrennungsanlage
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Technische Beschreibung der Späneabsaugung und der Spitzraumabsaugung der B-Maschinen Gesellschaft mbH vom 27.7.1985
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Absaugplan der B-Maschinen Gesellschaft mbH. M 1 : 50
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Technische Beschreibung der automatischen Kleinspäneverbrennung der C Industrieanlagen Handels- und Prokutionsgesellschaft mbH
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Plan über die Späneverbrennung der C Industrieanlagen Handels- und Produktionsgesellschaft mbH. vom 18.2.1985
M 1 : 50
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Einreichplan zur Errichtung einer Tischlereiwerkstätte des Bauunternehmens D vom Feber 1987 M 1 : 100
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Technische Beschreibung des Hochleistungskessels der C Industrieanlagen Handels- und Produktionsgesellschaft mbH., alle mit dem Genehmigungsvermerk der Bezirkshauptmannschaft Zell am See und des Amtes der Salzburger Landesregierung versehen, sowie
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Grundstücksverzeichnis samt Mappendarstellung, Lageplan
M 1 : 500 und Profil M 1 : 250
mit dem Genehmigungsvermerk des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten versehen.'
Im übrigen wird die Berufung abgewiesen."
Zur Begründung führte der Bundesminister unter anderem aus, die konkrete örtliche Lage von X sei der Behörde aus anderen Verfahren bekannt. Jene für den Beschwerdeführer ungünstige meteorologische Situation, nämlich Süd-Ost-Winde und daher Emissionen der Spritzlackieranlage in Richtung Nachbarn, träten in ca. 2 bis 3 % des Jahreszeitraumes auf. Bei dieser Wetterlage sei nach den ausführlichen Berechnungen des gewerbetechnischen Sachverständigen ein Erreichen des Geruchsschwellenwertes auf dem Grundstück des Beschwerdeführers nicht zu erwarten. Bei Kalmen, die nur zu ca. 18 % im Jahresschnitt aufträten, sei mit einer Überschreitung insbesondere wegen des Sicherheitszuschlages gemäß
Ö-Norm M 9490 zu rechnen. Im überwiegenden Zeitraum aber, etwa bei Ostwind, werde nach den schlüssigen und ausführlichen Berechnungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen die Geruchsschwelle nicht erreicht (solche Wetterlagen träten zu 19 bis 24 % im Jahresschnitt auf). Wenn jedoch, was noch häufiger der Fall sei, Winde aus West bis Nordwest wehten, würden die Emissionen von der Betriebsanlage in die Gegenrichtung weggeblasen, sodaß es schon deswegen zu keiner Beeinträchtigung des Beschwerdeführers kommen könne. Es bedürfe daher keiner weiteren Ausführungen, daß bei solchen Wetterlagen - da auch bei für den Nachbarn ungünstigen Wetterlagen die Geruchsschwellenwerte nicht erreicht würden - der Beschwerdeführer überhaupt und in keiner Weise wahrnehmbare Immissionen aus der Spritzlackieranlage auf seinem Grundstück haben könne.
Wegen Bedenken hinsichtlich der Überprüfbarkeit der Festlegung eines maximalen stündlichen Lackverbrauches von lösungsmittelhaltigen Lacken durch Auflagen sei dieser Auflagenteil im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in rechtlich gleichwertiger Weise - da sich dies aus dem Projekt ergäbe - in die Betriebsbeschreibung aufgenommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid "in dem Recht auf Einhaltung der in den §§ 74 ff GewO angeführten Bestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft bzw. in seinem subjektiven öffentlichen Recht, daß bei Nichteinhaltung oder Nichteinhaltbarkeit der zugunsten der Nachbarschaft bestehenden Schutzvorschriften die gewerbliche Genehmigung der Betriebsanlage zu unterbleiben hat," verletzt. In Ausführung des so fomulierten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer unter anderem vor, die von der belangten Behörde und von den von ihr beigezogenen Sachverständigen zugrunde gelegten Feststellungen über die meteorologischen Verhältnisse stützten sich auf Windmeßdaten, die aus einem etwa 15 km westlich entfernten Ortsteil stammten, der 200 m höher liege als die Betriebsanlage des Beschwerdeführers. Aus diesem Grund, aber auch wegen unterschiedlicher geografischer und topografischer Lage, seien diese Windmeßdaten mit den Verhältnissen am Ort der Betriebsanlage nicht zu vergleichen. Gerade die vom Beschwerdeführer behauptete Föhnwetterlage bringe erfahrungsgemäß ganz eigentümliche Wettererscheinungen mit sich, insbesondere könnten damit Luftdruckverhältnisse einhergehen, die erheblich von der normalen meteorologischen Situation abwichen. Die belangte Behörde hätte sich deswegen eingehender mit den diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen. Weiters leide der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, da auf Grund der von der belangten Behörde selbst zitierten raumordnungsrechtlichen Vorschriften des § 12 Abs. 1 Z. 2 Salzburger Raumordnungsgesetz das Verbot für ein Errichten und Betreiben der gegenständlichen Betriebsanlage abgeleitet hätte werden müssen. Es sei auch verfehlt gewesen, die Beschränkung des stündlichen Verbrauches lösungsmittelhaltiger Lacke anstelle einer Auflage nunmehr in die Betriebsbeschreibung aufzunehmen.
Zwar vermag der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, die in Rede stehende Betriebsanlage stehe nicht im Einklang mit den Raumordnungsvorschriften, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nicht darzutun, weil, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047), ein derartiger Umstand nicht die im § 74 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 normierten subjektiven öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte betrifft.
Die Beschwerde erweist sich aber auf Grund folgender Überlegungen als begründet:
Gemäß § 353 GewO 1973 (in seiner hier anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399) sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen und die erforderlichen Pläne und Skizzen sowie für unter § 82 a fallende Anlagen auch die Sicherheitsanalyse und der Maßnahmenplan in 4-facher Ausfertigung anzuschließen. Weiters sind die sonst für die Beurteilung des Projektes und der zu erwartenden Emissionen der Anlage im Ermittlungsverfahren erforderlichen technischen Unterlagen sowie die Namen und Anschriften des Eigentümers des Betriebsgrundstückes und der Eigentümer der an dieses Grundstück unmittelbar angrenzenden Grundstücke anzuschließen.
Gemäß § 356 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, ausgenommen in den Fällen des § 359 b, eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Gegenstand, Zeit und Ort der Augenscheinsverhandlung sowie die gemäß Abs. 3 bestehenden Voraussetzungen für die Begründung der Parteistellung sind den Nachbarn durch Anschlag in der Gemeinde (§ 41 AVG 1950) und durch Anschlagen in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern und in den auf den an diese Häuser unmittelbar angrenzenden Grundstücken stehenden Häusern bekanntzugeben.
Nach dieser Rechtslage setzt der Abspruch über die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage bzw. einer Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage ein Ansuchen voraus (antragsbedürftiger Verwaltungsakt). Hieraus ist zu erschließen, daß einerseits das Vorhaben (Genehmigungsansuchen) durch Auflagen nur soweit modifiziert werden darf, daß dieses in seinem "Wesen" unberührt bleibt, und daß sich andererseits auch die dem normativen Abspruch zugrunde liegende Betriebsbeschreibung bzw. eine in der Folge "modifizierte" Betriebsbeschreibung innerhalb dieser Grenzen zu halten hat, die im Gegensatz zu der der Behörde im Hinblick auf § 77 Abs. 1 GewO 1973 obliegenden Kompetenz zur Auflagenvorschreibung - abgesehen von Fragen des Beschreibungs- und Formulierungsvorganges als solchen - aber einem ausdrücklich erklärten Willensakt des Konsenswerbers als Ausfluß seiner Antragslegitimation vorbehalten sind. Ein einer gewerbebehördlichen Kundmachung nach § 356 Abs. 1 GewO 1973 zugrunde liegendes Ansuchen setzt aber im Hinblick auf die den Nachbarn gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 eingeräumte Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen einen (verbalen) Inhalt voraus, der als solcher - unabhängig von den weiteren nach § 356 GewO 1973 einem derartigen Ansuchen anzuschließenden und dieses detaillierenden Unterlagen und Plänen - Art und Umfang der beantragten Genehmigung eindeutig erkennen läßt (vgl. das zur diesbezüglich unverändert gebliebenen Rechtslage von der Gewerberechtsnovelle 1988 ergangene hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0222).
Im vorliegenden Fall enthalten nun die von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens kein Ansuchen der mitbeteiligten Partei um gewerbebehördliche Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage. Es findet sich darin vielmehr lediglich ein mit 1. Juli 1986 datiertes "Bauansuchen", welchem jedenfalls ein ausreichend konkretisiertes Begehren auf gewerbebehördliche Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage nicht entnommen werden kann. Dieses Bauansuchen wurde offensichtlich von der Gewerbebehörde erster Instanz (auch) als Ansuchen um gewerbebehördliche Genehmigung angesehen.
Darüber hinaus enthalten die Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere die im angefochtenen Bescheid einzeln dargestellten Projektsunterlagen, keine auf einen ausdrücklich erklärten Willensakt der mitbeteiligten Partei zurückzuführende Betriebsbeschreibung. Es findet sich aber auch keine derartige Willenserklärung, die es rechtfertigen könnte, die (nicht vorhandene) Betriebsbeschreibung in der im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgesehenen Weise zu ergänzen.
Da die belangte Behörde dies alles verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber sei für den Fall, daß die mitbeteiligte Partei doch noch ein Ansuchen um gewerbebehördliche Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage stellen sollte, darauf hingewiesen, daß im angefochtenen Becheid das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung gegen den zweitbehördlichen Bescheid über die Unvergleichbarkeit der von den Amtssachverständigen ihrer Beurteilung zugrunde gelegten Windmeßdaten mit den tatsächlich am Ort der Betriebsanlage herrschenden meteorologischen Verhältnissen keine befriedigende Antwort findet. Die vom Beschwerdeführer behauptete besondere geografische Lage der Betriebsanlage am Schnittpunkt eines ost-west gerichteten Tales mit dem in nord-südlicher Richtung verlaufenden Y-Tal kann im Hinblick auf die geografische Lage X's nicht von vornherein und ohne nähere Prüfung abgetan werden. Aber auch das weitere in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen, diese besondere geografische Lage bedinge bei keinesfalls nur selten auftretenden Föhnwetterlagen besondere meteorologische Erscheinungen, steht keinesfalls mit der allgemeinen Lebenserfahrung über die Wetterlagen im österreichischen Alpengebiet in Widerspruch. Es wäre daher erforderlich gewesen, bei Beurteilung der von der in Rede stehenden Betriebsanlage auf den Beschwerdeführer einwirkenden (Geruchs-)immissionen sich auch mit diesem Vorbringen eingehender auseinanderzusetzen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990040183.X00Im RIS seit
03.05.2001