TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/11 87/05/0011

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Veröffentlicht am 11.12.1990
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L81701 Baulärm Umgebungslärm Burgenland;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
AVG §56;
AVG §8;
BauO Bgld 1969 §88;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §92;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):87/05/0012 Siehe:82/05/0183 B 22. März 1983

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) der A,

2) des B, 3) der C, 4) der D, 5) der E und 6) der F gegen die Bescheide der NÖ LReg vom 4. Juni 1985, I) Zl. II/2-V-80219/11 und II) Zl. II/2-V-80219/10 (mitbeteiligte Parteien: 1) X-GmbH & Co KG und 2) Stadtgemeinde Purkersdorf), betreffend

I) Einwendungen gegen eine Baubewilligung und II) Baueinstellung,

Spruch

A) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin gegen den zu I) zitierten angefochtenen Bescheid und die Beschwerde der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführerin gegen den zu II) zitierten angefochtenen Bescheid werden zurückgewiesen.

B) zu Recht erkannt:

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführer haben anteilig dem Land NÖ Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,--, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 2.420,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Parteien werden abgewiesen.

Begründung

I.

Bereits mit hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1982, Zl. 81/05/0077, hat der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Säumnisbeschwerde einiger der nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 42 Abs. 5 VwGG in Verbindung mit § 62 leg. cit. und § 66 Abs. 4 AVG 1950 den gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Oktober 1980 betreffend die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Produktionshalle sowie eines viergeschoßigen Stahlbetonskelettbaues samt Nebenanlagen auf dem Grundstück Nr. n/1, inliegend in der EZ n, KG Purkersdorf, erhobenen Berufungen dieser Beschwerdeführer keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid bestätigt. Schon damals hatten die seinerzeit eingeschrittenen Beschwerdeführer geltend gemacht, daß ungeachtet der Festlegung des Bauplatzes als Industriegebiet der Flächenwidmungsplan wegen Verstoßes gegen eine Reihe von Bestimmungen nicht Grundlage für die Erteilung der Baubewilligung hätte bilden dürfen. Der Gerichtshof führte damals dazu wörtlich aus:

"Soweit die Berufungswerber (gestützt auf § 30 Abs. 1

1. Satz des NÖ ROG 1976, wonach die Gemeinden innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten eines sie betreffenden rechtswirksamen regionalen Raumordnungsprogrammes ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen oder dieses entsprechend zu ändern haben) damit dartun wollen, daß die Gemeinde einer von ihnen angenommenen Anpassungspflicht nicht fristgerecht nachgekommen und eine Änderung des aus dem Jahre 1974 stammenden, gemäß § 30 Abs. 2 des NÖ ROG 1976 als örtliches Raumordnungsprogramm im Sinne dieses Gesetzes geltenden Flächenwidmungsplanes rechtwidrig unterblieben sei, so übersehen sie, daß es sich in den von ihnen aufgezeigten Punkten betreffend überörtliche Raumordnungsprogramme um Planungsrichtlinien oder Gestaltungsgrundsätze handelt, an denen allenfalls die Gesetzmäßigkeit örtlicher Raumordnungsprogramme zu messen ist, die NACH dem Inkrafttreten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 aufgestellt (geändert) wurden. Da das ROG 1976 nun einerseits im § 30 Abs. 3 ausdrücklich die Rechtswirksamkeit früher aufgestellter (erlassener) örtlicher Raumordnungsprogramme unberührt läßt, gleichwohl andererseits aber keine ausdrückliche Sanktion für den Fall vorsieht, daß eine Anpassung in ihrem Rechtsfortbestand gesicherter früherer Flächenwidmungspläne unterbleibt, können die Berufungswerber daher allein daraus, daß der Gemeinderat der Stadtgemeinde Purkersdorf bisher noch keine, den Rechtsinhalten des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (voll) entsprechende neue Bebauungsvorschriften erlassen hat, keine ihre Rechtsstellung als Nachbarn im Verfahren über das Bauansuchen der Beschwerdeführerin beeinträchtigtende Rechtswidrigkeit ableiten, die zu einer Versagung der beantragten Baubewilligung führen könnte. Dies umsoweniger, als ja auch keine allgemeine Regelung besteht, durch die subjektive Rechte im Sinne eines Anspruches auf die Erlassung von Verordnungen begründet wären (vgl. hiezu auch Art. 18 Abs. 2 B-VG). Ohne daß es eines Eingehens auf die weitere Frage der Gesetzmäßigkeit der in der Stadtgemeinde Purkersdorf noch in Geltung stehenden örtlichen Vorschriften über die Flächenwidmung und die sonstigen Bebauungsgrundlagen bedürfte, sah sich der Verwaltungsgerichtshof aus den eben entwickelten Erwägungen und unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Grenzen seiner im Beschwerdefall gegebenen Prüfungsbefugnis daher nicht zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG veranlaßt."

Mit Beschluß vom 23. März 1983, Zl. 82/05/0183, gab der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 45 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 69 AVG 1950 den Anträgen der nunmehrigen Beschwerdeführer auf Wiederaufnahme des mit dem hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1982, Zl. 81/05/0077, abgeschlossenen Verfahrens keine Folge, da prozessuale Rechte, wie etwa die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens zu beantragen, nicht weiter gehen können als Rechte, die in früheren Verfahren geltend gemacht werden durften. Daher könnten Nachbarn die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens nur dann mit Aussicht auf Erfolg betreiben, wenn sie die Durchsetzung eines im materiellen Recht verankerten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes ermöglichen solle. Die in den Anträgen behaupteten Planmängel in bezug auf die Traufenhöhe und dgl. "im Hinblick auf die Abwägung der Zumutbarkeit, wie z.B. Sichtbehinderung usw.", gehörten nicht zu durch die Bauordnung geschützten subjektiv-öffentlichen Rechten.

Schließlich wurde mit hg. Beschluß vom 18. Dezember 1984, Zl. 84/05/0183, die Anregung zur amtswegigen Wiederaufnahme abgelehnt.

Wegen Abweichungen vom bewilligten Bauplan, der auch gewisse Unstimmigkeiten aufweist, und einer als Folge dazu ergangenen Baueinstellung (siehe dazu II) beantragte die erstmitbeteiligte Partei, die Baubewilligung für das mit rechtskräftigem Baubescheid der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Oktober 1980 rechtskräftig bewilligte Bauwerk dadurch abzuändern, daß die nordwestliche Gebäudeecke 0,5 m in das Gebäude hineinversetzt wird, sodaß der Abstand zur vorderen Grundgrenze an diesem Gebäudeeck anstelle der aus den Plänen ersichtlichen 4,5 m 5,0 m beträgt. Im übrigen sollten Situierung, Höhenführung und sonstige Ausführungen und Gestaltungen im Sinne der rechtskräftigen Baubewilligung unverändert bleiben.

Bei der hierüber anberaumten Bauverhandlung am 16. Mai 1984, zu der die Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 42 AVG 1950 geladen worden waren, übergaben die Beschwerdeführer schriftliche Einwendungen, die zum Inhalt der Niederschrift über die Bauverhandlung erklärt wurden. Diese Einwendungen lauten:

"Zur Zeit ist eine Vorstellung der Anrainer bei der n. ö. Landesregierung hinsichtlich der Höhe der Bauführung offen. Diese offene Angelegenheit hat selbstverständlich auch ihren Einfluß auf die heute vorliegende Verhandlungsgrundlage. Es wird daher beantragt, diese Verhandlung und die Entscheidung bis zur Erledigung der Vorstellung zurückzustellen.

Ein weiterer Grund, die heutige Bauverhandlung und die damit verbundene Entscheidung zurückzustellen, liegt in dem Umstand, daß der derzeit gültige Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Purkersdorf gemäß den in der n.ö. Landesregierung zuständigen Herrn w. Hofrat Dr. Z (mündlich) und W. Hofrat Dr. S (schriftlich) gemachten Feststellungen mangelhaft ist, bei seiner Erstellung Fehler geschehen sind und dieser Flächenwidmungsplan außerdem gesetzwidrig ist. Gerade diese wesentlichen Mängel haben auch dazu beigetragen, daß der Gemeinderat der Stadtgemeinde Purkersdorf wegen der Säumigkeit der Landesregierung, die Flächenwidmungsplanänderung zu genehmigen, über dieses Gebiet die Bausperre beschlossen hat.

Bei etwaiger Genehmigung der Abänderungspläne sind unterschiedliche Grundsätze zu berücksichtigen, und zwar:

a)

eine Genehmigung der Flächenwidmungsplanänderung mit den oben aufgezeigten Mängeln als Industriegebiet;

b)

Die Genehmigung der Flächenwidmungsplanänderung als Betriebsgebiet.

Bei Anwendung der Var. a) steht außer Zweifel, daß alle mit diesem Verfahren befaßten Behörden wissentlich eine mangelhafte und gesetzwidrige Vorschrift anwenden.

Auch steht bei Anwendung der Var. a) fest, daß die im Flächenwidmungsplan Purkersdorf 1974 nicht ersichtlich gemachten Nutzungsbeschränkungen durch die Nichtkenntlichmachung als Landschaftsschutzgebiet WIENERWALD bei Bauführungen hätte berücksichtigt werden müssen, denn es handelt sich hier um eine überörtliche Raumordnung, die von der örtlichen Raumordnung berücksichtigt werden muß.

In der vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Purkersdorf beschlossenen Flächenwidmungsplanänderung sind die Betriebszu- und -abfahrten entlang der ÖBB-Strecke geplant, was bei dem zur Verhandlung stehenden Abänderungsplan berücksichtigt werden sollte, um eine wirkungsvollere Abschirmung der X-Anlagen gegen die Z-Gasse zu ermöglichen."

Der Zweitbeschwerdeführer wendete überdies ein, daß in den Parterre-Räumen neben den aufgezählten Artikeln auch Druckfarben in Großpackungen lägen, wofür keine gewerberechtliche Genehmigung vorliege. Weiters seien nach dem gewerbebehördlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 2. Februar 1983 die Glasflächen an der Nordseite fix zu verglasen und bei den übrigen Fenstern der West- und Ostseite Vorsorge zu treffen, daß ein unbefugtes Öffnen durch Dienstnehmer nicht möglich ist.

Dagegen erklärte die erstmitbeteiligte Partei, daß Gegenstand des Verfahrens nur die Erteilung der Baubewilligung für eine alternativ abgeänderte Ausführung sei, nicht aber jene Fragen, die die Beschwerdeführer aufgeworfen hätten.

Mit Bescheid vom 7. Juni 1984 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die baubehördliche Bewilligung für die Änderung der mit Bescheid vom 16. Oktober 1980 genehmigten Betriebserweiterung (Produktionshalle und viergeschoßiger Stahlbetonskelettbau mit Nebenanlagen) auf der Liegenschaft Purkersdorf, Z-Gasse nn, Parzelle n/1, EZ n KG Purkersdorf, mit bestimmten Auflagen für die Durchführung der Arbeiten einschließlich des Abbruches. Der vom Zweitbeschwerdeführer bei der Bauverhandlung vorgebrachte Einwand bezüglich der Lagerung von Druckfarben bzw. der Glasflächen an der Nordseite des Gebäudes wurde als unzulässig zurückgewiesen, die von den Beschwerdeführern schriftlich vorgebrachten Einwände abgewiesen. Die Behörde stützte sich auf § 92 Abs. 1 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 (BO); der vom Zweitbeschwerdeführer vorgebrachte Einwand betreffe keinen Gegenstand der Verhandlung. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer führte die Baubehörde aus, daß die mitbeteiligte Gemeinde über einen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan bzw. rechtskräftigen Bebauungsplan verfüge, der dem Bauverfahren zugrunde gelegen sei. Bei der an die NÖ Landesregierung eingebrachten Vorstellung handle es sich um ein außerordentliches Rechtsmittel, das einen rechtskräftigen Bescheid nicht außer Kraft setze. Weder die Vorstellung noch die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplanes bildeten daher einen Grund, das Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zurückzustellen.

Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 17. Oktober 1984 abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Dabei verwies die Gemeindebehörde einerseits auf die hinsichtlich eines Teiles des Berufungsvorbringes eingetretene Präklusion, andererseits auf die Rechtskraft der Baubewilligung, die dem Verfahren über die Abänderung zugrunde gelegt wurde. Schließlich verfüge die mitbeteiligte Gemeinde über einen rechtskräftigen Flächenwidmungsplan und einen rechtskräftigen Bebauungsplan, sodaß die Baubehörden verpflichtet seien, Bauvorhaben auf die Übereinstimmung mit diesen Plänen hin zu überprüfen. Die Feststellung, ob ein Flächenwidmungsplan gesetzwidrig sei, falle nicht in die Zuständigkeit der Baubehörden.

Mit dem zu I) angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellungen der Erst-, Zweit-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer (die übrigen Beschwerdeführer hatten der Aktenlage nach keine Vorstellung erhoben) ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Einwendungen der einschreitenden Anrainer (Aussetzung des Verfahrens, Bausperre, laufende Änderung des Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes) am Gegenstand des Verfahrens vorbeigingen. Für die Aufsichtsbehörde bestehe keine gesetzliche Verpflichtung, auf Argumente der Nachbarn einzugehen, denen kein subjektiv-öffentliches Recht zugrundeliege. Hinsichtlich der Vorbringen in der Berufung und Vorstellung sei hingegen nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Verschweigung (Präklusion) im Sinne des § 42 AVG 1950 eingetreten, weil die Einwendungen nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Dies bedeute, daß bereits der Gemeinderat als Berufungsbehörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhang mit § 42 leg. cit. wegen Eintrittes der Säumnisfolgen hätte abweisen müssen. Damit seien entgegen dem Vorbringen in der Vorstellung keine formellen oder materiellen Rechte der Einschreiter durch den Berufungsbescheid verletzt worden.

II.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Jänner 1983 wurde aus Anlaß einer Baukontrolle gemäß § 107 BO gegenüber der erstmitbeteiligten Partei die Fortsetzung der Arbeiten an jenem Teil des erdgeschoßigen Stahlbetonskelettbaues ab sofort untersagt, bei dem die Vorgartentiefe von 5 m nicht eingehalten werde und bei dem es sich um die Weiterführung des Baues in vertikaler Richtung handle. Die von der erstmitbeteiligten Partei dagegen erhobene Berufung dagegen wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Beide Bescheide waren den Nachbarn, darunter alle Beschwerdeführer, zugestellt worden.

Mit Bescheid vom 27. September 1983, der jedoch nur der erstmitbeteiligten Partei und der mitbeteiligten Gemeinde zugestellt wurde, gab die Gemeindeaufsichtsbehörde der Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei Folge, behob den vorhin genannten Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurück. Die Vorstellungsbehörde kam nämlich zu dem Ergebnis, daß zwar die Gemeindebehörden zu Recht davon ausgegangen waren, daß der Abstand zur Grundgrenze um 0,47 m zu gering und die vorgeschriebene Vorgartentiefe von 5 m daher nicht eingehalten worden sei, sodaß in diesem Punkt die Baueinstellung zu Recht erfolgt sei. Zur Gebäudehöhe führte die belangte Behörde hingegen aus, daß im Bebauungsplan für das Industriegebiet keine Gebäudehöhe festgegelegt worden sei; aus dem Gutachten des von der Vorstellungsbehörde beigezogenen Sachverständigen ergebe sich, daß die Eintragung der Höhe des Gebäudes im Einreichplan Nr. A 7 (Ansichten) mit 14,10 m offensichtlich auf einem Versehen beruhe. Sie scheine aber unmaßgeblich, weil in einem Ansichtsplan (hier: Plan Nr. A 7) laut § 97 Abs. 1 Z. 5 BO keine Kotierung der Höhe eines Gebäudes vorgesehen sei. Vielmehr gehöre die Kotierung der Gebäudehöhe begrifflich zum Schnitt des Gebäudes und sei daher anhand des Einreichplanes Nr. A 6 zu beurteilen. Aus diesem ergebe sich, wie der bautechnische Sachverständige in seinem Gutachten schlüssig ausgeführt habe, daß für den Bereich der Z-Gasse eine Gebäudehöhe von 16,60 m bzw. eine absolute Gebäudehöhe von 18,12 m festgelegt sei und diese von der Baubewilligung vom 16. Oktober 1980 umfaßt sei. Damit habe der Sachverständige bei der am 15. Juli 1983 durchgeführten örtlichen Erhebung keine Überschreitung dieser Höhe beim derzeitigen Ausbaustand des Bauvorhabens feststellen können. Daher sei die Baueinstellung in diesem Punkt zu Unrecht erfolgt und damit Rechte der erstmitbeteiligten Partei verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die im nunmehrigen Verfahren erstmitbeteiligte Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der die Beschwerde jedoch mit Erkenntnis vom 26. Februar 1987, Zl. 83/05/0171, abwies. Begründet wurde dies damit, daß die damalige Beschwerdeführerin (nunmehrige erstmitbeteiligte Partei) jenen Teil des gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheides zu bekämpfen versucht hatte, in dem die Vorstellungsbehörde der Rechtsansicht der Gemeindebehörden beigetreten war, eine bindende Wirkung aber nur der tragenden Begründung eines aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides zukomme und daher nur insoweit ein aufsichtsbehördlicher Bescheid, mit dem der Vorstellung des Beschwerdeführers Folge gegeben worden war, vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Erfolg bekämpft werden könnte. Gleichzeitig wies der Verwaltungsgerichtshof aus verfahrensökonomischen Gründen darauf hin, daß sich aus den im Akt erliegenden Bauplänen eindeutig eine Vorgartentiefe von 5 m ergebe, sodaß die Fortsetzung der Arbeiten gemäß § 109 Abs. 3 BO mit Recht untersagt worden sei.

Inzwischen hatte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als Berufungsbehörde mit Bescheid vom 18. Februar 1984 der Berufung der nunmehr erstmitbeteiligten Partei im Sinne des gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheides teilweise Folge gegeben und die Fortsetzung der Arbeiten nur mehr an jenen Teilen des viergeschoßigen Stahlbetonskelettbaues ab sofort untersagt, bei denen die Vorgartentiefe von 5 m nicht eingehalten wird. Dieser Bescheid wurde u.a. allen Beschwerdeführern zugestellt.

Dennoch erhoben gegen den neuerlichen Berufungsbescheid nur die Erst- bis Viertbeschwerdeführer und andere Nachbarn, nicht aber die Fünft- und Sechstbeschwerdeführerinnen Vorstellung. Diese Vorstellung wurde mit dem zu II) angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Hiezu führte die Gemeindeaufsichtsbehörde aus, daß ihre Vorstellungsentscheidung vom 27. September 1983 von der erstmitbeteiligten Partei mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten worden sei. Dieser habe die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; demnach seien alle Parteien des aufsichtsbehördlichen Verfahrens an den Bescheid gebunden. Es habe daher die Aufsichtsbehörde im gegenständlichen Verfahren nur zu prüfen, ob durch den Berufungsbescheid die Bindungswirkung gemäß § 61 Abs. 5 der NÖ Gemeindeordnung verletzt worden sei. Dies treffe zu, weil sich aus dem im Akt erliegenden Lageplan eine Vorgartentiefe von 5 m eindeutig ergebe, daher gemäß § 109 Abs. 3 die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen sei, weil ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedürfe, ohne Bewilligung ausgeführt werde.

III)

Gegen beide Bescheide erhoben unter anderen alle Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 27. November 1986, Zl. B 546, 547/85, lehnte dieser die Behandlung der von den nunmehrigen Beschwerdeführern erhobene Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung lasse das insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1982, Zl. 81/05/0077, zur Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde nicht fundierte, auf den verschiedenen Inhalt der bekämpften Bescheide nicht Bedacht nehmende und dem Inhalt nach die einfachgesetzliche Richtigkeit dieser Bescheide bekämpfende Vorbringen der Beschwerde die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß die Beschwerde - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof zu prüfenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragten die Beschwerdeführer, die beiden angefochtenen Bescheide als "rechtswidrig aufzuheben".

Sowohl die erstmitbeteiligte Partei als auch die

mitbeteiligte Gemeinde erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A) ZUR ZURÜCKWEISUNG:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, NACH ERSCHÖPFUNG DES INSTANZENZUGES. Erhebt daher eine Partei gegen einen ihr zugestellten Bescheid kein Rechtsmittel an die Berufungsbehörde bzw. Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde im Sinne des Art. 119 a Abs. 5 B-VG und des § 61 der NÖ Gemeindeordnung als Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 19. September 1969, VwSlg. N.F. Nr. 3957/F), so ist sie gegen einen bestätigenden Bescheid der Berufungs- oder Vorstellungsbehörde, der infolge Berufung oder Vorstellung einer anderen Partei erlassen wurde, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges nicht zur Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof berechtigt (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 18. Mai 1954, Zl. 951/51, vom 22. Februar 1984, Zl. 83/03/0129, sowie das Erkenntnis vom 20. Dezember 1984, Zl. 83/01/0407, wiedergegeben bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 388). Da die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen an der Vorstellung, die zu dem zu I) zitierten angefochtenen Bescheid führte, und die Fünft- und Sechstbeschwerdeführerinnen an der Vorstellung, die zu dem zu II) angefochtenen Bescheid führte, nicht beteiligt waren, war ihre Beschwerde daher insofern zurückzuweisen.

B) ZUR MERITORISCHEN ERLEDIGUNG DER BESCHWERDEN:

I.

Gemäß § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976 (BO), LGBl. 8200-0, genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Daraus ergibt sich, daß der Nachbar im Baubewilligungsverfahren nur ein auf die Wahrung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte beschränktes Mitspracherecht hat, und dieses Recht zulässigerweise und mit Aussicht auf Erfolg nur unter der Voraussetzung geltend machen kann, daß er sich auf den Bestand einer im Baurecht verankerten Sachnorm zu berufen vermag, die ihm unter dem Gesichtspunkt seiner Nachbareigenschaft einen subjektiv-öffentlichen Anspruch etwa auf den Schutz vor Gefahren oder sonstigen Beeinträchtigungen gewährleistet, die sich durch ein bestimmtes Bauvorhaben ergeben oder ergeben können (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 85/05/0005, BauSlg. Nr. 766). Darüber hinaus haben sowohl die Verwaltungsbehörden als auch in der Folge die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eine allenfalls eingetretene Präklusion nach § 42 AVG 1950 zu beachten (vgl. etwa das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A). Dabei muß den Einwendungen, die der Präklusion eines unter Rechtsbelehrung nach § 42 AVG 1950 zu einer mündlichen Verhandlung Geladenen entgegenstehen, entnommen werden können, die Verletzung welchen Rechtes geltend gemacht wird. Weder den Ausführungen der Beschwerde noch denen der Beschwerdeergänzung kann konkret entnommen werden, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht sich die Beschwerdeführer verletzt erachten. Dies allein würde bereits die Abweisung der Beschwerde, die sich in der Bekämpfung der der wiedergegebenen Rechtsprechung entsprechenden, von der belangten Behörde angenommenen Präklusion erschöpft, rechtfertigen. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß mit den erhobenen Einwendungen, die sich in der Bekämpfung des rechtswirksamen Flächenwidmungsplanes als gesetzwidrig erschöpfen, kein derartiges Recht wirksam geltend gemacht wird. Dazu kommt noch, daß es sich bei dem Gegenstand der bekämpften Baubewilligung nicht um einen Neubau (§ 92 Abs. 1 Z. 1 BO), sondern um eine Abänderung von Baulichkeiten handelt, die dann erforderlich ist, wenn die Festigkeit tragender Bauteile, die Brandsicherheit, die sanitären Verhältnisse, das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten (§ 92 Abs. 1 Z. 4 leg. cit.). Auch in einem weiteren, als "Bestreitung" bezeichneten Schriftsatz machen die Beschwerdeführer lediglich geltend, daß NACH Erlassung der letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheide - ja selbst nach Erlassung der angefochtenen Bescheide - eine Änderung des Flächenwidmungsplanes eingetreten sei. Dies ist im Gegenstand aber deshalb unbeachtlich, weil für die meritorische Erledigung der Beschwerde ausschließlich die zur Zeit der Erlassung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides gegeben gewesene Rechtslage maßgebend ist.

Da sohin der zu I) angefochtene Bescheid keine Rechte der Beschwerdeführer verletzt, war die Beschwerde, soweit sie nicht zurückzuweisen war, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

II.

Mit Recht bekämpfen die Beschwerdeführer die von der belangten Behörde angenommene Bindung an deren Bescheid vom 27. September 1983 auch ihnen gegenüber. Dieser Bescheid wurde ihnen, obwohl sie im Verfahren vor den Gemeindebehörden stets als Parteien beigezogen worden waren, nicht zugestellt und konnte daher ihnen gegenüber auch keine Wirkungen entfalten.

Dessen ungeachtet wären die angefochtenen Bescheide jedoch nur dann rechtswidrig, wenn die Behörde ohne Bindung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Damit kommt es darauf an, ob durch den gemeindebehördlichen Berufungsbescheid auch ohne Annahme einer Bindung an den vorangegangenen aufsichtsbehördlichen Bescheid Rechte der Beschwerdeführer verletzt werden konnten. Dafür ist aber vor allem maßgebend, ob die Abweichungen von der Baubewilligung, die zu der von den Beschwerdeführern gewünschten Baueinstellung führen sollten, überhaupt subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer berühren. Wie schon zu I) dargestellt wurde, ist den Ausführungen der Beschwerde, aber auch schon der vorangegangenen Vorstellung nicht zu entnehmen, in welchem konkreten, durch Vorschriften der Bauordnung geschützten Recht die Beschwerdeführer sich verletzt erachten. Soweit sie immer wieder auf einen gesetzwidrigen Flächenwidmungsplan verweisen, hat schon der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluß hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß keine Bedenken bestehen, abgesehen davon, daß nicht erkennbar ist, welche Auswirkungen der Flächenwidmungsplan auf die strittige Höhe als Folge unklarer Planunterlagen bei der Baubewilligung haben könnte. Offensichtlich schwebt den Beschwerdeführern vor, aus Anlaß der Überprüfung der Einhaltung der Baubewilligung diese selbst einer neuerlichen Überprüfung unterziehen zu können, womit sie allerdings das Wesen der Rechtskraft eines derartigen Bescheides verkennen. Ebenso ist es rechtlich nicht gedeckt, verschiedene anhängige baurechtliche Verfahren, hinsichtlich deren lediglich ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, einer einheitlichen Betrachtung zu unterziehen und - wenn auch von vornherein unzureichend - bekämpfen zu wollen. So ist auch unverständlich, inwiefern die Beschwerdeführer aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen der mitbeteiligten Gemeinde und der Erstmitbeteiligten subjektiv-öffentliche Rechte, die sie im Bauverfahren geltend machen wollen, ableiten können, wie dies in der Beschwerde neuerlich versucht wird.

Da sohin auch der zu II) zitierte angefochtene Bescheid im Ergebnis keine Rechte der Beschwerdeführer verletzte, war auch die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, hinsichtlich der zweitmitbeteiligten Partei im Rahmen des gestellten Antrages. Der Ersatz von Bundesstempel konnte nur im erforderlichen Ausmaß zuerkannt werden.

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördePlanung Widmung BauRallg3Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete Gemeinderecht und BaurechtVerwaltungsgerichtsbarkeit Erschöpfung des Instanzenzuges im Sinne des B-VG Art131 Abs1Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1Sachverhalt Mitwirkungspflicht Verschweigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987050011.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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