TE Vwgh Beschluss 1990/12/11 90/08/0204

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Veröffentlicht am 11.12.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §415;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, in der Beschwerdesache der W-GmbH in I, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A in W, gegen den Landeshauptmann von Tirol wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse, 6021 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 2. März 1989 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführerin auf Grund näher angeführter gesetzlicher Bestimmungen Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 43.549,20 zu bezahlen habe. Nach der Begründung sei festgestellt worden, daß zwei - namentlich genannte - Dienstnehmerinnen der Beschwerdeführerin ein höheres Entgelt erhalten hätten, als zur Verrechnung der Sozialversicherungsbeiträge herangezogen worden sei.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin Einspruch erhoben.

1.2. Nach dem Beschwerdevorbringen habe der Landeshauptmann von Tirol am 18. Mai 1989 lediglich eine Stellungnahme der mitbeteiligten Partei zum Einspruch der Beschwerdeführerin übermittelt; eine Sachentscheidung sei nicht ergangen. Da die 6-monatige Frist des § 27 VwGG abgelaufen sei, werde gemäß Art. 132 B-VG Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat beschlossen:

2.1. Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Gemäß § 27 VwGG kann eine Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen 6 Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

2.2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Säumnis des Landeshauptmannes von Tirol.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Säumnisbeschwerde nicht wegen Säumigkeit irgendeiner zu einer Sachentscheidung berufenen Behörde jeder beliebigen Organisationsstufe ergriffen werden, sondern nur wegen der Säumnis der obersten Instanz, die der Beschwerdeführer anzurufen rechtlich in der Lage war. Es muß also die Behörde, die nach dem organisatorischen Aufbau der Verwaltung an höchster Stufe steht und von der Partei noch angerufen werden kann, durch mehr als 6 Monate untätig gewesen seien (vgl. etwa den Beschluß vom 3. April 1950, Zl. 1621/49). "Sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" ist in jedem Fall die Berufungsbehörde, darüber hinaus auch jede sonstige Behörde, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechts den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können. Ob eine Behörde "Oberbehörde" ist, richtet sich nur nach der Rechtslage, die in Bezug auf das konkret gestellte und unerledigt gebliebene Sachbegehren gegeben ist (vgl. den Beschluß vom 13. September 1983, Zl. 83/07/0214, VwSlg. 11131/A). Eine Beschränkung des Instanzenzuges hindert nicht den Übergang der Zuständigkeit im Devolutionsweg. Sie hindert nur die Anfechtung von Bescheiden im Rechtsmittelverfahren (vgl. z.B. den Beschluß vom 21. September 1978, Zl. 2172/78). Wenn auch in Beitragsangelegenheiten gemäß § 415 ASVG der Instanzenzug beim Landeshauptmann endet, so steht der Partei dennoch das Recht zu, den Übergang der Entscheidungspflicht an den Bundesminister für Arbeit und Soziales zu verlangen (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1970, Zl. 1304/70, VwSlg. 7880/A).

2.3. Der Landeshauptmann von Tirol ist somit nicht "oberste Behörde" im Sinne des § 27 VwGG, weshalb der Beschwerdeführerin die Beschwerdeberechtigung fehlt. Die vorliegende Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Zuständigkeit InstanzenzugAnrufung der obersten BehördeBesondere Rechtsgebiete ASVG KOVGOrganisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990080204.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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