TE Vwgh Erkenntnis 1990/12/11 90/05/0106

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Veröffentlicht am 11.12.1990
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VVG §4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde

1) der GH und 2) des EH gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 4. April 1990, Zl. MDR-B XVIII-33/89, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. Juni 1989 erteilte der Wiener Magistrat den Beschwerdeführern den auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) gestützten Auftrag, das auf der Liegenschaft Wien nn., X-Straße nn, errichtete Gebäude mit unterkellerter Terrasse, Kamin und vergrößertem Dachvorsprung binnen acht Monaten nach Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen, es sei denn, der entsprechend einer Baubewilligung vom 16. November 1987 genehmigte Zustand werde innerhalb der Rechtskraft der Bewilligung hergestellt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß anstelle des bewilligten Kleingartenhauses im Ausmaß von 35 m2 ein Gebäude im Ausmaß von 51 m2 errichtet worden sei. Der Dachvorsprung links über dem Kellerabgang sei statt 70 cm ca. 1 m ausgeführt worden. Nordseitig sei das Objekt im Bereich der Stiege vom Erdgeschoß ins Dachgeschoß um ca. 50 cm nach Norden erweitert und weiters an der nördlichen rechten Grundgrenze des Hauses ein Kamin (vom Erdgeschoß bis zur Dachfläche) errichtet worden. Die südlich über die halbe Hausbreite geplante Terrasse sei über die ganze Breite angelegt und überdies zur Gänze unterkellert worden. Der vorher bestehende Geländesprung unter der genannten Terrasse sei abgetragen und der Keller mittels Türen über eine abgeböschte Rampe zugänglich gemacht worden. Die vorschriftswidrigen Bauten seien gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung zu beseitigen.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde im wesentlichen vorgebracht, daß im Hinblick auf eine in Aussicht gestellte Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes das bestehende Kleingartengebiet auf Gartensiedlungsgebiet umgewidmet werden soll. Um Planungs- und Errichtungskosten im Hinblick auf diese Umwidmung zu sparen, sei von den Konsensplänen abgewichen worden. Ein entsprechender Planwechsel werde umgehend eingereicht, sobald durch den Gemeinderat die Umwidmung beschlossen worden sei. Bei der verbauten Fläche handle es sich nicht um 51 m2, sondern um 47 m2, und es sei nicht ein Kamin sondern ein Lüftungsschacht errichtet worden, eine detaillierte "Abhandlung" der Liegenschaft werde vom Baumeister nachgereicht.

Nach ergänzenden Stellungnahmen und Gewährung des Parteiengehörs wies die Bauoberbehörde für Wien mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab, änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid dahin gehend ab, daß der Alternativauftrag zu entfallen hat. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens begründete die Berufungsbehörde ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß mit Bescheid vom 16. November 1987 die Bewilligung für ein Gebäude mit einer verbauten Fläche von 35 m2 und einem darunterliegenden ebenso großen Keller erteilt worden sei. In einer Plankopie des Bauplanes seien im Zuge des Berufungsverfahrens die Abweichungen vom genehmigten Bauplan eingezeichnet worden, wonach tatsächlich ein ca. 51 m2 großes Wohnhaus errichtet worden sei, welches ein Kellergeschoß im Ausmaß von ca. 70 m2 Größe aufweise. Der tatsächlich ausgeführte Bestand sei demnach durch die erteilte Baubewilligung nicht gedeckt. Der Beseitigungsauftrag habe daher auf die gänzliche Entfernung des errichteten Gebäudes zu lauten.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 129 Abs. 10 Satz 1 der Bauordnung für Wien (BO) sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß eine baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines 35 m2 großen Kleingartenhauses samt einer 20 m2 großen Terrasse mit Keller und Kellerabgang erteilt worden ist. Tatsächlich wurden ein ca. 51 m2 großes Gebäude errichtet und die weiteren in der Sachverhaltsdarstellung beschriebenen Baumaßnahmen durchgeführt. Die im Akt erliegenden Planskizzen lassen erkennen, daß nicht etwa das bewilligte Gebäude in der Art eines Zubaues vergrößert, sondern vielmehr ein einheitliches, um die genannten Ausmaße größeres Gebäude errichtet worden ist. Von diesem Gebäude und den sonstigen baulichen Maßnahmen hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht angenommen, daß sie durch eine baubehördliche Bewilligung nicht gedeckt sind. Auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob nicht jedenfalls ein gewisser Teil des Gebäudes als konsensmäßig anzusehen ist, kann es hier nicht ankommen, weil nach der Art der Bauausführung von einem einheitlichen, durch die erteilte Baubewilligung nicht gedeckten Gebäude ausgegangen werden muß. Die Argumentation in der Beschwerde, die Ansicht der belangten Behörde würde dazu führen, daß jede, auch noch so geringfügige Abweichung vom Konsens bereits die Konsenslosigkeit des gesamten Bauwerkes herbeiführen würde, trifft nicht zu. Zunächst kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, daß lediglich eine geringfügige Überschreitung des baubehördlich bewilligten Vorhabens gegeben ist, wurde doch das Bauvorhaben nicht nur anders, sondern auch wesentlich größer als baubehördlich bewilligt ausgeführt. Eine Identität des baubehördlich bewilligten Vorhabens mit dem tatsächlich errichteten ist daher bei dem hier gegebenen Sachverhalt zu verneinen. Im Beschwerdefall ist sohin kein Sachverhalt vorgelegen, der im Sinne der Ausführungen der Beschwerdeführer als eine bloße Abweichung vom Konsens beurteilt werden könnte, sodaß die Frage, ob bloß Abweichungen von der Baubewilligung vorliegen, von der belangten Behörde zu Recht nicht erörtert worden ist (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1983, Zlen. 83/05/0061, 0062, BauSlg. Nr. 102).

Soweit in der Beschwerde behauptet wird, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens sei darin gelegen, daß nicht geprüft worden sei, ob nicht Teile des errichteten Gebäudes bewilligungsfähig sind, verkennen die Beschwerdeführer, daß die Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Baues oder eines Teiles eines Baues im Verfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 1970, Slg. N.F. Nr. 7813/A). Da dementsprechend die belangte Behörde gar nicht verpflichtet war, diese Frage zu erörtern, kann es dahingestellt bleiben, ob eine hiezu eingeholte Stellungnahme eines bautechnischen Amtssachverständigen der Sachlage entspricht oder nicht, weil auch dann, wenn dies nicht der Fall ist, dadurch keine zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Mangelhaftigkeit des Verfahrens gegeben wäre.

Soweit die Beschwerdeführer abschließend behaupten, der baupolizeiliche Auftrag, das gesamte Gebäude zu beseitigen, beeinträchtige ihre aus der Baubewilligung erfließenden subjektiv-öffentlichen Rechte, verkennen sie, daß die Baubewilligung dem Bauwerber nur das Recht einräumt, ein Bauvorhaben entsprechend der erteilten Baubewilligung zu verwirklichen, nicht aber weitergehende Rechtsansprüche im Sinne des Beschwerdevorbringens. Gerade dadurch, daß die Beschwerdeführer die erteilte Baubewilligung nicht beachteten, haben sie jene Voraussetzungen geschaffen, die zu der Erteilung der angefochtenen baupolizeilichen Aufträge führten.

Zu dem Vorbringen in der Beschwerde ist schließlich noch zu bemerken, daß, sollte im Hinblick auf die Änderung des hier maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung zulässig sein, ein rechtzeitig gestelltes Ansuchen um Erteilung einer solchen Bewilligung einer Vollstreckung des baupolizeilichen Auftrages entgegenstünde. Es steht den Beschwerdeführern auch frei, bei gleichbleibender Rechtslage ein Bauvorhaben so zu gestalten, daß für einen Teil der Bausubstanz die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung in Betracht kommt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050106.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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